Endlich kam er, Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Und der Anlass war dringend: der Umgang mit den Grenzgängern nach dem Ja zur Abschottungsinitiative der SVP. Im Video-Interview spricht er aber auch über die wichtigste Nebensache der Welt: Fussball.
Auf seinen Besuch haben die Regierungen der beiden Basel lange gewartet, nun ist er gekommen: Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg und erste Grüne Regierungschef eines Deutschen Landes. Empfangen wurde er am Mittwochmorgen im Schloss Ebenrain in Sissach von einer Delegation der beiden Basel, angeführt von den beiden Regierungspräsidenten Isaac Reber (Grüne, BL) und Guy Morin (Grüne, BS).
Nach seiner Wahl im Mai 2011 wollte Kretschmann schon einmal in die Region Basel kommen. Damals wäre es noch ein Höflichkeitsbesuch gewesen, den er wegen eines Todesfalls in seiner Familie aber kurzfristig absagen musste. Seit dem 9. Februar und dem Ja zur so genannten Masseneinwanderungsinitiative in der Schweiz gibt es einen drängenden Grund für ein Treffen: die rund 50’000 Grenzgänger aus Baden, die in der Schweiz arbeiten. Von den beschlossenen Einschränkungen werden auch sie betroffen sein, so viel steht nach der Abstimmung fest. Unklar ist nur noch, in welchem Masse. Das muss nun ausgehandelt werden.
Klar in der Aussage, freundlich im Ton
In Sissach äusserte sich Kretschmann zu diesem schwierigen Thema und der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Schweiz, wie er es am Abend zuvor bei seiner Rede vor Unternehmern in Ermatingen (TG) schon getan hatte: klar in der Aussage, aber freundlich im Ton und immer wieder garniert mit einem klein bissle Schwäbisch. Das macht ihn sympathisch; Kretschmann wirkt bodenständig, selbst wenn er über die «Trimetropolregion» Basel oder irgendwelche Kommissionen in Brüssel spricht.
Das ist vielleicht ein Grund, warum er in der Schweiz mehr sagen kann, als man von anderen Staatsgästen gerne hören würde.
Zum Beispiel, dass das Ja zur Abschottungsinitiative der Schweiz nicht gut tun wird. Dass die Schweiz vor allem in der Lehre und Forschung in Probleme geraten werde. Und dass es in der globalisierten Welt ohnehin nicht mehr möglich beziehungsweise sinnvoll sei, abseits zu stehen.
Mittel- bis langfristig sähe er die Schweiz darum gerne in der EU. Gut wäre das seiner Ansicht nach für alle, weil die Schweiz mit seinem föderalen System und seiner kulturellen Vielfalt ein Vorbild für die EU wäre, eine «Blaupause», wie Kretschmann sagt.
Bloss nicht zu laut jubeln
Durchaus schlau: Kritik mit ein bissle Lob zu verbinden. Und dann kann Kretschman auch noch schelmisch-charmant sein. Wenn er im Video-Interview zum Beispiel über seinen bevorstehenden Besuch in Strassburg spricht, wo er sich am Freitagabend zusammen mit Elsässischen Politikern und Behörden den WM-Viertelfinal Frankreich-Deutschland anschauen will. Kretschmann hat sich vorgenommen, das Spiel in «in aller Freundschaft still zu geniessen», ohne seinen Jubel bei den deutschen Toren «ganz zu unterdrücken». Eine Chance räumt er seinen französischen Freunden dabei nicht ein. Denn Deutschland wird Weltmeister, das steht für ihn längst fest.
Ein paar nette Worte verliert Kretschmann im Interview auch noch über die Schweizer Nationalmannschaft und ihre vielen Secondos. «In diesem Bereich ist der Fussball so weit wie nichts anderes auf der Welt, weil hier wirklich nur die Leistung und die Qualität eine Rolle spielen.»
Fast noch lieber spricht er aber über Ottmar Hitzfeld, den Deutschen, dem die Schweiz so viel zu verdanken hat (beziehungsweise hätte, wenn Lichtsteiner in dieser unseligen 118. Minute nicht den Ball im Mittelfeld verloren hätte, so dass… Aber lassen wir das).
Bei aller Begeisterung für Europa: So ein «gesundes Nationalgefühl» verspürt Kretschmann halt auch noch, gerade wenn es um Fussball geht.
Die Probleme fangen erst an
In Sissach kam er mit seiner Art jedenfalls an. Der Baselbieter Regierungspräsident Isaac Reber versprach, sich zusammen mit der Basler Regierung und der regionalen Wirtschaft in Bundesbern für eine grosszügige Regelung im Umgang mit den Grenzgängern einzusetzen.
Nur: Die Regierungen der Grenzkantone haben bereits vor der Abstimmung darauf hingewiesen, wie wichtig die Grenzgänger für ihre Wirtschaft sei. Genutzt hat es nichts. Nun gilt es, das Beste aus der Situation zu machen, wie Kretschmann formuliert. Das will Reber nun tun – er erwartet aber «heisse politische Diskussionen».