Küsschen für die Kanzlerin, Lob für die EU-Anwärter Serbien und Albanien

Der Balkan kann sich über den Besuch von Angela Merkel freuen. Die deutsche Kanzlerin lobt Albanien und Serbien, beide Länder hätten dank harter Reformen Fortschritte in der Wirtschaftspolitik gemacht.

German Chancellor Angela Merkel talks with Serbia's Prime Minister Alexandar Vucic (R) during a meeting in Belgrade, Serbia July 8, 2015. REUTERS/Marko Djurica

(Bild: MARKO DJURICA)

Der Balkan kann sich über den Besuch von Angela Merkel freuen. Die deutsche Kanzlerin lobte Albanien und Serbien, beide Länder hätten dank harter Reformen Fortschritte in der Wirtschaftspolitik gemacht.

Premier Aleksandar Vucic lauscht der Kanzlerin. Angela Merkel verteilt Bestnoten an Belgrad: Die Beziehungen zwischen Serbien und Albanien seien auf einem «völlig neuen Niveau», sagt sie auf der gemeinsamen Medienkonferenz. Die Regierungschefs beider Länder hätten sich endlich gegenseitig besucht.

Belgrad zeige ausserdem ein «hohes Mass an Kompromissbereitschaft» gegenüber dem Kosovo, wenn es um die Regelung praktischer Fragen gehe. Und schliesslich lobt Merkel die Wirtschaftspolitik: Wegen harter Reformen werde es in Serbien dieses Jahr Wachstum geben, der Internationale Währungsfonds (IWF) habe keine Beanstandungen.

Serbiens Regierungschef Vucic hat zuvor klargemacht, wie wichtig ihm der Besuch der Kanzlerin ist. Dies sei «einer der wichtigsten Tage» seiner politischen Karriere. Man wolle von Deutschland keine Almosen, sondern «wir wollen fleissig sein, wie die Deutschen es sind».

Vor vier Jahren war die Stimmung noch frostig

Kein Zweifel, Angela Merkel trifft in Serbien einen Musterschüler, zu dem sie nach eigenen Worten «Vertrauen» hat. «Wir sind in einer ganz anderen Situation hier», sagt sie mit Blick auf Griechenland. Dort sind die Renten und Pensionen immerhin fünfmal so hoch wie in Serbien, wie die Zeitung «Politika» zum Besuch der Kanzlerin vorrechnet.

Noch vor vier Jahren war die Stimmung frostig, als der damalige Präsident Boris Tadic der Kanzlerin erklärte, Belgrad werde die ehemals serbische Provinz Kosovo nicht anerkennen. Auch Premier Vucic von der Serbischen Fortschrittspartei, seit 15 Monaten im Amt, hat gewiss nicht vor, alle Ansprüche auf den Kosovo aufzugeben. 2008 erklärte sich der Kosovo für unabhängig, Serbien erkennt den Staat bislang nicht an.

Aber Vucic sorgt dafür, dass die Brüsseler Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina in Verträge münden. Dabei geht es etwa um praktische Dinge wie eine internationale Telefonvorwahl für den Kosovo oder die serbischen Gemeinden im Nordteil des Landes, die Autonomie erhalten sollen. Die Kompromissbereitschaft Belgrads werde belohnt werden, wenn die EU über die Eröffnung des ersten Verhandlungskapitels zur EU-Mitgliedschaft entscheide, versprach Merkel.

Auch Albanien ist ein Musterknabe

Stunden zuvor war die Kanzlerin beim albanischen Premier Edi Rama in Tirana, lobte dort ebenfalls die Wirtschaftspolitik und die neuen Beziehungen zu Serbien. EU-Kandidat Albanien hat sich als weiterer Musterknabe auf dem Westbalkan erwiesen, zumal das Land bereits Mitglied der Nato ist – ein Schritt, gegen den sich Serbien sträubt.

Man wolle neutral bleiben. Dennoch sind die «deutsch-serbischen Beziehungen so gut wie nie», sind sich der scheidende deutsche Botschafter Heinz Wilhelm und sein Nachfolger Axel Dittmann einig. Vucic habe das Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent gedrückt. »Es gibt auch in der EU nicht viele Länder, die das schaffen», so Dittmann.



German Chancellor Angela Merkel (L) attends a news conference with Albanian Prime Minister Edi Rama after their meeting in Tirana, Albania, July 8, 2015. REUTERS/Arben Celi

Sichtlich gut gelaunt: Premierminister Edi Rama schien zu gefallen, was die deutsche Bundeskanzlerin zu sagen hatte. (Bild: ARBEN CELI)

Von der Nähe Belgrads zu Russland ist kaum mehr die Rede. Der Premier hat erklärt, er werde dieses Jahr trotz einer Einladung nicht nach Moskau reisen. Dagegen war Vucic Ende Mai in den USA. Dort sprach man darüber, dass Serbien unabhängiger von russischem Gas werden soll. An diesem Bild dürfte auch nichts ändern, dass Moskau im UN-Sicherheitsrat auf Wunsch Serbiens sein Veto eingelegt hat gegen die Resolution zum 20. Jahrestag des Srebrenica-Massakers. Serbien hat sich für seine Mitschuld am Mord von 8 000 Muslimen entschuldigt, stösst sich jedoch am Begriff «Genozid».

Konfrontation mit Kosovaren

Merkels Reise ist die Folge der Berliner Westbalkan-Konferenz vom vergangenen Sommer. Albanien und fünf ehemalige Länder Jugoslawiens sollen in die EU, Slowenien und Kroatien sind bereits Mitglieder. Zum Abschluss sprach die Kanzlerin in Sarajevo mit der dreiköpfigen Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina. Sorgen bereitet ihr Milorad Dodik, Chef der serbischen Teilrepublik, der mit einem Referendum zur Unabhängigkeit droht.



A woman tries to kiss German Chancellor Angela Merkel after she visited the Srebrenica exhibition in downtown of Sarajevo, Bosnia and Herzegovina, July 9, 2015. REUTERS/Antonio Bronic

Gerne gesehen in Sarajevo: Angela Merkel erhielt auch das eine oder andere Küsschen. (Bild: ANTONIO BRONIC)

Den Kosovaren hat Merkel schon vor ihrer Reise in Berlin den Marsch geblasen. Premier Isa Mustafa warnte sie, die Gründung eines Sondergerichts weiter hinauszuzögern. Das Gericht soll die Kriegsverbrechen der kosovarischen Befreiungsarmee UCK aburteilen. Das könnte auch Aussenminister Hashim Thaci treffen. Gegen den ehemaligen UCK-Führer liegen schwere Vorwürfe auf dem Tisch wie der Handel mit Organen serbischer Gefangener.

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Unser Balkan-Korrespondent Krsto Lazarevic hat Ende 2014 die Chancen auf einen EU-Beitritt der Länder festgehalten. Der Artikel zeigt noch immer einen guten Überblick über die Probleme.

Quellen

Pressekonferenz im „Palast Serbien“ mit Premier Vucic und Kanzlerin Merkel

Ansprache von Botschafter Heinz Wilhelm bei einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Belgrad

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