Kultwerk #62: Die Londoner «Tube»

150 Jahre alt wird die London Underground heuer, 100 Lenze zählt das untrennbar mit ihr verbundene Logo.

Weltberühmtes Symbol für Urbanität: Johnstons 1913 entwickeltes Logo. (Bild: zvg)

150 Jahre alt wird die London Underground heuer, 100 Lenze zählt das untrennbar mit ihr verbundene Logo.

Ohne sie hätten die meisten Weltstädte nie ihre heutigen Proportionen erreicht. Geschweige denn ihre derzeitige Passierbarkeit. Deshalb fällt es trotz aller futuristischen Technik, welche bis heute ihr Image prägt, schwer zu glauben, dass die älteste ihrer Art gerade einmal zarte 150 Lenze zählt. Die Rede ist von der innerstädtischen Untergrundbahn, kurz U-Bahn genannt. Deren Premiere erfolgte nämlich vor genau 150 Jahren, am 10. Januar 1863, als die erste «Metropolitan Railway» der Welt in London ihre Tore öffnete: Ab diesem Tag verkehrten zwischen Paddington und Farringdon, Baker Street, Edgware Road und Kings Cross Dampflokomotiven.

Heute besitzt die Londoner U-Bahn, die täglich etwa 3,7 Millionen Menschen transportiert und 2011 insgesamt über eine ­Milliarde Fahrten verbuchte, mit 402 Kilometern die grösste Netzlänge Europas. Weltweit wird London dabei nur von Schanghai und Peking überholt.

Dass sich bei der «Metropolitan Railway» nicht etwa der Kurzname «Metro» durchsetzte, wie Dutzende von Ablegern später in Anlehnung an die Londoner Pionierbahn genannt werden sollten, sondern das umgangssprachliche «Tube» (zu Deutsch: Röhre, nach der speziellen Form ihrer Tunnel), mag dem englischen Humor zu verdanken sein. Wobei auch der offizielle Name «Underground» streng genommen nicht korrekt ist: Denn nur gerade knapp die Hälfte der Strecken verkehren in den charakteristischen Tunneln.

Trotzdem erforderte die «Tube» auch von ihren Passagieren eine Reihe neuer Skills: So etwa bei zunehmender Geschwindigkeit das «Straphanging», das Festhalten an von der Decke baumelnden Bügeln, sowie das korrekte Einspuren auf der Rolltreppe und natürlich das Befolgen der längst legendären Ansage «Mind the gap!», die vor dem Zwischenraum zwischen Bahntür und Gleis warnt.

Auch das heute untrennbar mit London verbundene Logo der «Tube» entstand übrigens keineswegs als Geistesblitz, sondern war Ausdruck langjähriger, intensiver Bemühungen. Zunächst etablierte sich ab 1908 der rote Kreis, genannt «Bullauge» oder «Zielscheibe», um die Lesbarkeit der Stationsnamen zu erhöhen. Doch erst als sich der Kalligraf Edward Johnston 1913 anerbot, das Logo weiterzubearbeiten, verwandelte sich die moderne Schrift auf rotem Kreis innert vier Jahren zur bis heute gültigen, weltberühmten Designikone, dem 1972 offiziell der Name «Roundel» verliehen wurde.

Edward Johnston Der Londoner Edward Johnston (1872–1944) galt bereits zu Lebzeiten als legendärer Kunsthandwerker und Kalligraf. Durch die 1913 begonnene jahrelange Arbeit am Design des «Tube»-Logos wurde Johnston aber unsterblich. Heute ist das «Roundel» eines der wichtigsten und ­bekanntesten ­Logos der Welt.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.01.13

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