La Grassa – wo man abendfüllend über Rezepte diskutiert

Unter Arkaden wandeln, deftig und doch bio essen und Utopien diskutieren – das alles bietet die oft übersehene Stadt in Norditalien.

Marktabend im Làbas.

(Bild: Nicole Gisler)

Unter Arkaden wandeln, deftig und doch bio essen und Utopien diskutieren – das alles bietet die oft übersehene Stadt in Norditalien.

Bologna kennen viele nur als namensgebende Stadt des europäischen Unisystems. Grund dafür ist die älteste Universität Europas, die hier 1088 gegründet wurde. Noch heute ist Bologna eine beliebte Unistadt. Studierende machen rund einen Viertel der 380’000 Stadtbewohner aus.

La Rossa nennen diese ihre Stadt – ein Übername, der sich aus dem rötlichen Ton der Häuser sowie der kommunistischen Vergangenheit ergab. Über 50 Jahre lang wurde hier nach dem Zweiten Weltkrieg stets die kommunistische Partei gewählt. 

Wie im Ameisenhaufen fühlen wir uns am Mittwochabend im Làbas, einer seit ein paar Jahren besetzten Kaserne. Es ist Marktabend, und die Stimmung gleicht einem Dorffest. Manche Tische werden noch aufgebaut, auf anderen stapeln sich bereits duftendes Gebäck, Wein, Früchte und Gemüse in allen erdenklichen Formen. Während die Dämmerung immer näher rückt, füllt sich der Innenhof mit Leuten, die über den Markt schlendern. Kinder springen zwischen den Festbänken umher, Weine werden geöffnet, und auf der Bühne checkt eine Reggae-Band den Sound für das bevorstehende Konzert.

Zelebrierte Esskultur

Egal an welchem Wochentag man sich in Bologna aufhält: Immer gibt es irgendwo einen Markt, häufig verbunden mit Abendessen und einem Konzert. So wurde ein mittlerweile etabliertes Netzwerk gegründet, welches umliegenden Bauernhöfen eine gewisse Sicherheit bietet. Er esse nur «chilometro zero»-Fleisch, erzählt Dario, der in Bologna studiert. Die Bezeichnung, hier ebenso oft wie der Biostempel zu sehen, weist darauf hin, dass die Produkte aus unmittelbarer Nähe von Bologna stammen – null Kilometer eben.

La Grassa – die Fette, ein weiterer Spitzname Bolognas. Das Essen hier gilt als besonders deftig. Ich treffe vor allem auf sorgfältig ausgesuchte Zutaten und eine zelebrierte Esskultur. Überall tauscht man sich gerne übers Essen aus, Diskussionen über die besten Rezepte können einen Abend dauern. So zum Beispiel auch beim abendlichen Aperitivo in der Bar Senza Nome. Einen Euro bezahlen wir zum Weisswein dazu, erhalten dafür einen Pappteller und können uns mehrmals am leckeren Buffet mit Häppchen und Salat eindecken.



Dank den Arkadengängen kann man bei jedem Wetter in Sonntagskleidung aus dem Haus.

Dank den Arkadengängen kann man bei jedem Wetter in Sonntagskleidung aus dem Haus. (Bild: Nicole Gisler)

Dank den zahlreichen Arkaden kann man auch vor Regen oder Sonne geschützt durch die Stadt spazieren. Eine praktische Angelegenheit nicht nur aus Wettergründen: Der Bau dieser auf Pfeilern getragenen Bogen ermöglichte mehr Wohnraum auf den oberen Stockwerken, ohne dadurch den Handel in den unteren Stockwerken zu beeinträchtigen.

Der längste Arkadengang führt zum Santuario della Madonna di San Luca. Wer genug Energie für die vielen Treppen zur Kirche hat, wird mit dem Ausblick auf die weite Hügellandschaft im Südwesten Bolognas belohnt.

Den Kopf voll neuer Ideen

Den besten Ausblick über die roten Ziegeldächer der Stadt selber hat man indessen von den Due Torri aus. Die beiden nahe dem Hauptplatz gelegenen Geschlechtertürme, 97 und 48 Meter hoch, bauten einflussreiche Familien ursprünglich zur Verteidigung. Je grösser der Turm, desto höher war das Ansehen des Familiengeschlechts. Im mittelalterlichen Bologna soll es 180 solche Türme gegeben haben. Doch Ende des 19. Jahrhunderts riss man die meisten ein, weshalb heute lediglich noch 20 über die Stadt verteilt stehen.

Da sich die Hitze im Sommer bis spätabends an den Steinwänden festklammert, ist ein Besuch Bolognas vor allem im Frühling oder Herbst zu empfehlen. Es sei denn, man ist auf der Suche nach Filmperlen. Solche findet man an dem jeweils Ende Juni stattfindenden Cinema Ritrovato. Das auf restaurierte Versionen und Wiederentdeckungen spezialisierte Filmfestival hat auch nach mittlerweile 30 Jahren seinen gemütlichen Charme nicht verloren. Neben den Filmen gibt es genug Raum für Diskussionen, und allabendlich lockt ein kostenloser Film auf dem Hauptplatz, der Piazza Maggiore, Zuschauer an. Bei der restaurierten Fassung von Charlie Chaplins «Modern Times» mit Liveorchester können das schon mal 7000 Personen werden.

Bologna mag oftmals durch die Maschen von Italienreisenden fallen. Dabei sprüht die Stadt vor Energie. Hier werden Utopien gelebt, und manche Besuchende mögen mit einem Kopf voller neuer Ideen heimkehren.

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  • Aperitivo: Im «Macondo» in der Via del Pratello 22 trifft man jeden Abend auf ein leckeres Buffet (2 Euro Aufpreis zum Getränk), zweimal in der Woche sind sämtliche Häppchen vegan. Oftmals wird das gemütliche Sein mit Konzerten verbunden, die im hinteren Raum stattfinden. In der Bar Senza Nome in der Via Belvedere 11/B bezahlt man zum Getränk einen Euro, der Aperitivo dauert bis 21 Uhr. Es lohnt sich früh zu kommen: Das gute Essen ist stadtbekannt und ab 20 Uhr findet man fast keine Plätze mehr. Da verwundert es, dass die Bar am 1. September für immer schliesst. 
  • Essen: Erkundigt man sich nach der besten Pizza in der Stadt, so hört man am meisten den Namen der Pizzeria Spacca Napoli – zu Recht. Wenn auch die Auswahl und der Hunger riesig ist: Eine Pizza reicht locker für zwei Personen! Leckere frisch gemachte Pasta gibt es mittags im «Naldi» in der Via del Pratello 69A. Alljährlich im Frühling findet das Suppenfestival statt: Löffel mitnehmen und von den über hundert Suppen probieren oder gleich selber mitmachen. 
  • Markt: Die verschiedenen Wochenmärkte sind auf der Website der Campi aperti und der Mercati della terra aufgelistet.

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