Lärm, Staub, Faszination

Warum Geld ausgeben für ein Spektakel, wenn es auf dem Messeplatz gratis zu haben ist? Die Baustelle für den Neubau zieht etliche Begeisterte an. Besuch an einem skurrilen Ort.

Spektakel auf dem Messeplatz: der Abriss der Halle 3. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Warum Geld ausgeben für ein Spektakel, wenn es auf dem Messeplatz gratis zu haben ist? Die Baustelle für den Neubau zieht etliche Begeisterte an. Besuch an einem skurrilen Ort.

Es sieht aus wie das Bühnenbild eines modernen Theaterstücks: Eine weisse Wand, alle paar Meter vergitterte Fensterchen, davor gebeugt stehende Menschen, vorwiegend Herren, vorweigend ältere. Der Zuschauer im Theater würde sich fragen: Was schauen die sich an? Doch wir sind nicht im Theater, sondern am Messeplatz – und hier erübrigt sich diese Frage. Lärm, Staub, Baustelle. Was sie sich anschauen, die Menschen an der Wand, ist das Highlight der Riesenbaustelle: der Abriss der Halle 3.

Der Rentner Peter Fricker (70) aus Riehen kommt fast täglich vorbei. Dann steht er vor eines der Fensterchen – und schaut. Allein ist er nie, meist sind alle Fensterplätze besetzt. Ihn faszinieren die Maschinen, die zahlreichen Bagger, Ankerbohrmaschinen und was sonst noch alles im Einsatz ist. Etwa 530‘000 Kubikmeter Gebäudesubstanz werden abgebrochen. Peter Fricker beobachtet, wie das Eisen vom Beton getrennt wird. «Die Baustelle sieht jeden Tag anders aus.»

Neubau-Eröffnung im Frühling

Schon in den Sechzigerjahren stand der Mann hier, als die Halle 3 gebaut wurde. Traurig, dass davon nur noch Trümmer übrig sind, sei er nicht: «Die Halle war nie beliebt, sie war so kalt.» Deren Vorgänger hingegen, ein einstöckiges Holzgebäude, habe ihm gefallen. «Echtes Zimmermannshandwerk» sei das noch gewesen. Heute sei diese Bauart nicht mehr gefragt, das wisse er auch. Heute müsse Architektur modern sein, speziell, verrückt. Dem Neubau der Architekten Herzog & de Meuron, der hier am entstehen ist, steht er trotzdem skeptisch gegenüber.«Ich bedaure, dass der Messeplatz dafür verbaut werden musste.»

Daran lässt sich nichts mehr ändern: Von insgesamt drei Teilen des Messeneubaus steht der mittlere bereits – und zwar mitten auf dem Platz. Von der Clarastrasse her gesehen links davon stand das altehrwürdige rote Messegebäude, auch das: Geschichte. Nun klafft dort ein Bauloch. Genauso wie rechts davon, wo derzeit das Abriss-Spektakel stattfindet. Wenn die Löcher dann «gefüllt» sind, ist er fertig, der Neubau. So, wie sich der Platz jetzt präsentiert, ist allerdings kaum zu glauben, dass das Gebäude bereits im kommenden Frühling eingeweiht werden soll. Doch so ist es: Beim verantwortlichen Totalunternehmer HRS Real Estate AG, Basel heisst es auf Anfrage, man sei «exakt im Zeitplan».

Willkommen an der Art

Die Vorbereitungen für die Kunstmesse Art, die kommende Woche beginnt, sind trotz Baustelle im Gang. Diese Mischung hat ebenfalls etwas theatralisches: Elegante Kunstmenschen mit schwungvollem Gang neben staubsaugenden Frauen beim Mini-Schaulager und Bauarbeitern mit Helmen. Dazu: Anwohner mit oder ohne Hund, mit Kinderwagen, aufs Tram wartend – und immer in einer Staubwolke. Die Art-Fahnen gehen unter inmitten der Grossbaustelle. Das wird sich auch während der Messe kaum ändern, denn: Es wird genau so weiter gebaut. Bloss die Abbrucharbeiten der Halle 3 betreffen während der Art nur noch das Untergeschoss, heisst es bei der Baufirma.

Aber das ist alles halb so schlimm – sofern die Art-Gäste denken, was eine der wenigen Frauen an den Baustellen-Fensterchen sagt: «Was Herzog & de Meuron bauen, ist Kunst!» Und der Weg dorthin auch. Das jedenfalls lässt das rege Interesse der Bevölkerung an den Baggern und Bohrern vermuten.

Quellen

Art

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