Lässt sich der Volksentscheid noch umdrehen?

Rudolf Rechsteiner hat eine Lösung gefunden, wie die erwarteten Komplikationen für die Schweiz im Verhältnis mit der EU abzuwenden sind: Der Basler SP-Politiker will mittels Standesinitiative die Abstimmung zur SVP-Initiative wiederholen aus. Dafür erhält Rechsteiner viel Kritik – und eine Rücktrittsforderung.

Temperamentvoll wie zu seinen besten Tagen: SP-Grossrat Rudolf Rechsteiner polarisiert. (Bild: Keystone)

Rudolf Rechsteiner hat eine Lösung gefunden, wie die erwarteten Komplikationen für die Schweiz im Verhältnis mit der EU abzuwenden sind: Der Basler SP-Politiker will mittels Standesinitiative die Abstimmung zur SVP-Initiative wiederholen aus. Dafür erhält Rechsteiner viel Kritik – und eine Rücktrittsforderung.

Rudolf Rechsteiner ist kein Mann des langen Zuwartens. Während seine Partei, die Basler SP, noch ­darüber berät, was eine adäquate Reaktion auf das Volksmehr vom Sonntag ist, fordert der Gross- und frühere Nationalrat eine Wiederholung der Abstimmung.

Mit einer Standesinitiative, eingereicht vom Kanton Basel-Stadt, möchte Rechsteiner das Parlament in Bern dazu bewegen, den Urnengang zu wiederholen. Rechtlich wäre das möglich. Sein Argument: Das Volk sei sich der verheerenden Tragweites dieses Entscheides nicht bewusst gewesen.

Westschweizer sollen mitziehen

Die zu befürchtenden negativen Folgen für die Schweiz würden eine zweite Volksbefragung rechtfertigen. Zumal dies historisch betrachtet auch kein Einzelfall ist: 1981 beschloss das Parlament, an der Sommerzeit festzuhalten, obwohl das Volk zuvor gegenteilig entschieden hatte.

Parallel dazu steht Rudolf Rechsteiner in Kontakt mit Westschweizer Kollegen. Auch in Genf und im Waadtland sollen entsprechende Standesinitiativen lanciert werden. Das wenigstens ist der Wunsch Rechsteiners.

«Eine Trotzreaktion»

Die Reaktionen auf die geplante Standesinitiative fielen heftig aus. Der Basler FDP-Präsident Daniel Stolz sieht darin «den völlig falschen Weg». Es sei eine Trotz­reak­tion Rechsteiners. «Einen Volks­entscheid nicht zu akzeptieren, entspricht nicht den demokratischen Gepflogenheiten.» Stolz, der sich als vehementer Gegner der Initiative ausgibt, hat zudem Angst, eine zweite Befragung würde noch deutlicher angenommen. Er wirft Rechsteiner vor, mit seinem Vorstoss die SVP zu stärken: «Wenn er will, dass die SVP die nächsten Wahlen gewinnt, soll er nur so weitermachen.»

«Wir können in ein paar Jahren nochmals diskutieren.»
Lukas Engelberger (CVP) 

Ablehnend beurteilt auch Lukas Engelberger, Präsident der Stadtbasler CVP, das Anliegen. Obwohl er es «für reizvoll» halte, nochmals abzustimmen, glaubt er, ein solches Anliegen komme zu früh. «Wir können in ein paar Jahren nochmals diskutieren, ob es eine weitere Abstimmung braucht.» Erst müsse sich die Ausgangslage verändern, sagt Engelberger.

Besser sieht es auch nicht bei der eigenen Mutterpartei aus. Die SP Schweiz lehnt eine Wiederholung der Abstimmung dezidiert ab und will darin eine Frustreaktion Rechsteiners erkennen. Der Vorstoss sei auf Eis gelegt worden, sagt Rechsteiner in der «NZZ».

EU-Beitritt in 5 Jahren?

Christian Levrat, Präsident der SP Schweiz, verfolgt eine andere Strategie. Man könnte auch sie als Trotzreaktion bezeichnen: In Bergregionen, die Ja gesagt haben, soll der Zweitwohnungsbau sofort und konsequent gestoppt werden. Ländliche Gegenden sollen aus den Kontingenten weniger Arbeitskräfte zugesprochen erhalten, der öffentliche Verkehr zurückgefahren werden.

Die SP Basel-Stadt weiss derweil noch nicht, wie sie sich zu Rechsteiners Forderung stellen soll. Damit dürfte aus Rechsteiners Plan vorerst nichts werden. Sollten sich aber die Ankündigungen der Europäischen Union, gewisse Abkommen zu sistieren oder zu kündigen, bewahrheiten, könnte die Stimmung schnell kippen.

Vielleicht kommt es aber auch so, wie es Rechsteiner befürchtet, wenn jetzt die Initiative getreu den Vorstellungen der SVP umgesetzt wird: «Dann werden wir in fünf Jahren nicht mehr darüber abstimmen, wie wir welche Verträge mit der EU neu regeln können.» Dann werde die Schweiz über einen EU-Beitritt befinden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 14.02.14

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