Lex Moritz gilt nicht für Chefbeamte

Der Nationalrat hat ein Bundesgesetz «über die Karenzfrist» verabschiedet: Alt-Bundesräte dürfen demnach keine Mandate von privaten Unternehmen übernehmen. Das Gesetz gilt allerdings nicht für hohe Funktionäre.

Alt-Bundesräte auf der Baustelle: Moritz Leuenberger (SP, rechts) engagiert sich kommerziell, Adolf Ogi (SVP) gemeinnützig. (Bild: ARNO BALZARINI)

Der Nationalrat hat ein Bundesgesetz «über die Karenzfrist» verabschiedet: Alt-Bundesräte dürfen demnach keine Mandate von privaten Unternehmen übernehmen. Das Gesetz gilt allerdings nicht für hohe Funktionäre.

Der Nationalrat hat sich für die Schaffung einer «Lex Leuenberger» ausgesprochen. Das «Bundesgesetz über die Karenzfrist» verbietet zurücktretenden Bundesräten innerhalb von zwei Jahren gewisse kommerzielle Aktivitäten. Das Gesetz gilt allerdings nicht für die höchsten Funktionäre im Land: Der Nationalrat lehnte es mit 127 zu 61 Stimmen ab, die «Lex Leuenberger» (auch «Lex Moritz» genannt) auch auf höchste Funktionäre des Bundes auszuweiten, wenn diese in die Privatwirtschaft wechseln.

SVP-Mann Rudolf Joder ergriff zwar nochmals das Wort im Namen der vorberatenden Kommission und sagte: «Es kann doch nicht sein, dass ein höchster Funktionär des Bundesamtes für Sozialversicherung einfach zu einer Krankenkasse wechselt.» Der Appell des Berners, dass es in einem solchen Falle doch eine Karenzfrist brauche, wie es die Gesetzesvorlage vorsehe, und es «auch in der Privatwirtschaft solche Fristen» gebe, blieb allerdings umsonst. Die Parlamentarier stimmten gegen die Ausweitung.

100’000 Franken für Leuenberger

Das «Bundesgesetz über die Karenzfrist» gilt darum jetzt nur für «ehemalige Bundesratsmitglieder» und besagt: «Tritt ein Mitglied des Bundesrates aus seinem Amt zurück, so darf es während zweier Jahre ab Ausscheiden aus dem Amt keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse eingehen mit […] Unternehmen, deren Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Aufgaben der ihm als Departementsvorsteher oder Departementsvorsteherin unterstellten Verwaltungseinheiten steht.» Dasselbe gilt auch für auch Mandate von Firmen und Organisationen, die Millionenaufträge vom Bund erhalten haben, oder durch den Bund mit mehr als 500’000 Franken im Jahr finanziert werden.

Dass die neue Regelung den Namen von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger trägt, ist kein Zufall. Kaum war der Zürcher Ende 2010 aus der Landesregierung zurückgetreten, hatte der SP-Magistrat im Frühling 2012 ein Mandat als Verwaltungsrat der Baufirma Implenia angenommen. «Um das Ziel der Nachhaltigkeit zu verfolgen und in einem privaten Unternehmen wahrzunehmen», argumentierte Leuenberger selbst. Gute Bekannte behaupteten indes schon damals, dem eleganten Schöngeist unter den Bundesmagistraten gehe es «nur ums lumpige Geld». Und das gab es nicht zu knapp: 100’000 Franken soll Leuenberger von der Implenia pro Jahr erhalten haben – die «Bilanz» rechnete gar vor, es seien in nur neun Monaten 142’000 Franken gewesen.

Unwürdig und peinlich

Der Zustupf zum Ruhestandsgehalt von gegen 250’000 Franken, das Alt-Bundesräte bis an ihr Lebensende jedes Jahr vom Bund bekommen, löste weitherum Enttäuschung und Entrüstung aus. Dass sich mit Leuenberger der oberste Hüter der Schweizer Umwelt gleich nach seinem Rücktritt aus der Regierung von einer Baufirma «kaufen» liesss, führte dazu, dass selbst führende SP-Genossen auf Distanz gingen.

Inzwischen ist Leuenberger nach nur zweieinhalb Jahren schon wieder aus der Implenia ausgetreten. Für seinen Ruf ist es dennoch zu spät: Mit der jetzt verabschiedeten «Lex Leuenberger», die noch den Ständerat passieren muss, dürfte er als «unanständiger» und «unsensibler» Alt-Bundesrat in Erinnerung bleiben. Das zeigte jetzt auch die Debatte über das Gesetz wieder: Die Freisinnige Isabelle Moret (VD) argumentierte etwa: Ihre Partei sei gegen die Vorlage. Der Fall Leuenberger und Implenia sei derart peinlich, dass man den Alt-Bundesrat nicht noch mit einem Gesetz adeln sollte, das seinen Namen trage.

Keine Sanktionen, aber Verachtung

Doch SVP und SP verhalfen der Vorlage mit deutlichem Mehr zum Durchbruch. Sie sieht indes keine Sanktionen für Fehlbare vor: «Das Gesetz hat präventiven Charakter», betonte Kommissionssprecher Joder: «Alt-Bundesräte respektieren die Gesetze», ist er überzeugt. Einen Alt-Bundesrat zerre man nicht vor Gericht. «Die öffentliche Verachtung wäre Sanktion genug.» Der Fall Leuenberger, der jetzt schon abschreckend wirkt, bestätigt dies.

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