CVP-Präsidentin will Wirtschaftskammer vor den Wahlen angreifen

Der Baselbieter Grünen-Präsident Balint Csontos fordert die Einsetzung einer Untersuchungskommission, um die Kontrollskandale im Kanton aufzuklären. CVP-Präsidentin Brigitte Müller-Kaderli stellt eine solche überraschend für den Herbst in Aussicht.

Bald politische Verbündete im Baselbiet? CVP-Präsidentin Brigitte Müller-Kaderli und Grünen-Präsident Balint Csontos.

Balint Csontos ist der Geduldsfaden gerissen. Der Baselbieter Grünen-Präsident fordert eine PUK, eine Parlamentarische Untersuchungskommission, um den Fallkomplex der Baselbieter Schwarzarbeitskontrollen aufzuklären. Eine PUK wird vom Parlament eingesetzt und ist mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Sie kann geheime Akten anfordern und Zeugen vorladen. Die PUK kann auch Fragen klären, die über den strafrechtlichen Geltungsbereich hinausgehen, etwa solche nach der politischen Verantwortung.

Parlamentarische Untersuchungskommissionen werden nur selten, bei vermuteten grossen systemischen Missständen, eingesetzt. Im Bündnerland läuft derzeit eine PUK zur Untersuchung der Kartellbildung in der Baubranche.

«Wir brauchen eine PUK. Nur so können wir klären, ob das Kontrollsystem noch funktioniert», sagt Csontos. «Die Kontrollen müssen verbessert, Interessenkonflikte endlich aus dem Weg geräumt werden», fordert er.

Zweifel am Willen der CVP

Bereits im Frühjahr hat er öffentlich eine PUK gefordert, um die seit Jahren andauernden Unregelmässigkeiten bei den Schwarzarbeitskontrollen zu untersuchen. Doch die Signale der übrigen Parteien, bis auf die SP, waren nicht ermutigend. Bei der CVP kam Csontos nicht weiter. Er glaubt auch heute nicht daran, dass die CVP wirklich zur PUK und damit zum Bruch mit der Wirtschaftskammer bereit ist.

Jetzt müssten Regierung und Staatsanwaltschaft die Aufklärung vorantreiben, verlangt der Grünen-Präsident. «Das kann länger gehen und lückenhaft sein.» Danach, glaubt Csontos, könnte eine PUK plötzlich mehrheitsfähig sein.

Dazu bräuchten die Grünen aber mehr als die Unterstützung der Sozialdemokraten. Um in die Nähe einer parlamentarischen Mehrheit zu kommen, müsste die CVP aus dem bürgerlichen Schutzschirm der Wirtschaftskammer ausbrechen. Parteipräsidentin Brigitte Müller-Kaderli hat in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, ihre Partei vom politisch toxischen KMU-Verband zu entfernen. Abschliessend geglückt ist es ihr nicht, weil die Wirtschaftskammer auch in der CVP auf treue Politiker zählen kann.

Auf Anfrage zeigt sich Müller-Kaderli durchaus aufgeschlossen einer PUK gegenüber. «Ich war schon im Frühling stark dafür», sagt sie. Sie habe sich dann aber überzeugen lassen, dass eine PUK mit der Arbeit der Staatsanwaltschaft kollidieren würde. «Und wenn wir etwas nicht brauchen können, ist es noch mehr Chaos», sagt sie. Schliesslich entschied der Parteivorstand nach intensiver Debatte, eine PUK voerst nicht zu unterstützen.

Müller-Kaderli will nun die Resultate der Staatsanwaltschaft abwarten, für Herbst sind erste Ergebnisse angekündigt. Wobei es hier um ältere Sachverhalte geht, namentlich um die lasche Aufsicht der Verwaltung über die Schwarzarbeitskontrollen. Die neusten Vorwürfe zu mutmasslich ungültigen Gesamtarbeitsverträgen und möglicherweise strafrechtlich relevanten Manövern von Regierungsrat Thomas Weber werden wohl noch monatelange Untersuchungen in Anspruch nehmen. Ob gegen Weber überhaupt wegen Begünstigung ermittelt wird, ist weiterhin unklar. Die Staatsanwaltschaft Baselland ist noch zu keiner Entscheidung gelangt, teilt sie auf Anfrage mit.

PUK im Wahlkampf?

Trotzdem, glaubt Müller-Kaderli, könnte im Herbst eine PUK wieder aktuell werden. «Das wäre der beste Zeitpunkt, eine parlamentarische Untersuchung einzuleiten», sagt sie. «Dann hätten wir im Wahlkampf volle Transparenz darüber, wer welche Verantwortung trägt für die Missstände.»

Eine Entscheidung der Parteileitung dazu steht noch aus. Die nächste Vorstandssitzung findet erst nach den Sommerferien statt.

Mit der CVP im Boot käme plötzlich eine neue Dynamik in die bislang  kriechend langsam voranschreitende Aufklärung der Skandale im Baselbiet. Bisher sind Grüne und SP weitgehend auf sich alleine gestellt. Und selbst im eigenen politischen Lager treffen sie auf Widerstände.

Zuletzt scheiterten klärende Gespräche mit der Gewerkschaft Unia, die seit Jahren mit der Wirtschaftskammer eng kooperiert und tief im Sumpf steckt. Grünenchef Csontos liess laut «bz basel» eine Aussprache platzen, nachdem die Unia einen Fragenkatalog unbeantwortet gelassen hatte. Nicht nur die Grünen distanzieren sich deutlich von der Unia, auch SP-Präsident Adil Koller wahrt einen grossen Sicherheitsabstand. Die Gewerkschaft wird in linken Kreisen als Teil des Problems betrachtet.

Nächster Artikel