Hightech-Kampfjets mit Bomberkapazität dienen der weltweiten Kriegführung. Terrestrische Fliegerabwehr ist Landesverteidigung. Darum ist der Gripen-Handel für Ueli Maurer «nur ein wichtiges Detail».
Die Chancen stehen gut, dass der Nationalrat heute Mittwoch und später auch der Ständerat Ja sagen zum Rüstungsprojekt Gripen, das den Kauf von 22 schwedischen Kampfjets zum Fixpreis von 3,126 Milliarden Franken vorsieht. Es braucht dazu jedoch in beiden Räten das absolute Mehr. Und das wird erfahrungsgemäss immer knapp.
Die geschlossen den Gripen bekämpfenden Linken und Grünen haben allerdings nur 73 Stimmen auf sicher. Auch mit ein paar rechten Abweichlern werden sie kaum weit über 80 Stimmen kommen. Enger dürfte es in der schon jetzt feststehenden Referendumsabstimmung gegen den Gripen-Fonds zur Finanzierung des neuen Militärfliegers im nächsten Frühling werden: Derzeit sind nur gerade 31 Prozent der befragten Stimmberechtigten für den Gripen, wie eine aktuelle Umfrage ergeben hat. Dass die Schweiz grundsätzlich neue Kampfflugzeuge brauche, meinen jedoch über 40 Prozent.
Im Zentrum der hitzigen Gripen-Debatte: Ueli Maurer, einziger SVP-Mann im Bundesrat, Verteidigungsminister und derzeit Bundespräsident. Er schaut der ganzen Sache mit erstaunlicher Gelassenheit zu. Das war schon so, als Maurer in einem frühen Stadium des Beschaffungsprozesses nüchtern feststellte, der TTE (Tiger Teil-Ersatz), wie das Projekt intern heisst, habe «keine grosse Priorität», und der Bundesrat einer Verschiebung um mehrere Jahre zustimmte.
100 Jahre lang kein Luftkrieg
Doch die beiden Räte erklärten den Kampjet-Kauf ohne klare Begründung plötzlich für dringlich. Seither ist der Gripen mehr ihr Projekt als das von Maurer. Der SVP-Wehrminister nennt den Flieger bloss «ein wichtiges Detail». Dass dieses Detail «nicht dringlich» ist, wie der Bundesrat meint, zeigt die Geschichte: Seit ihrer Gründung, die sich nächstes Jahr zum 100sten Male jährt, hat die Schweizer Luftwaffe noch nie einen echten Luftkrieg führen müssen. Luftverteidigung im Ernstfall flog sie letztmals vor über 70 Jahren gegen einzelne deutsche Messerschmidt Stukas (Sturzkampfbomber) oder fliegende Festungen aus England, welche die Schweiz während ihrer Bombenangriffe auf Milano und Torino überflogen.
Seither beschränkt sich die Aufgabe der Schweizer Kampfpiloten ausschliesslich auf Luftpolizeieinsätze und Luftraumsicherung in Friedenszeiten. Dazu braucht es häufig keine Hightechflieger – Bomber schon gar nicht. Bei schönem Wetter sichert unsere Luftwaffe etwa am WEF über Davos den Luftraum mitunter mit Pilatus-Propellermaschinen. Diese kosten nur einen Bruchteil jener 27’000 Franken mit welchen ein F/A-18 pro Flugstunde Maurers Betriebsbudget belastet.
Fliegerabwehr statt Bombenflieger
Dass die 22 Gripen, von denen acht nun auch wieder als Bomber für den Erdkampf aufgerüstet werden sollen, bei Mauer keine hohe Priorität geniessen, hat indes noch tiefere Gründe: Während des ebenso umstrittenen, wie missratenen Umbaus der Schweizer Armee zur «Armee XXI» forcierten führende Generäle wie Christophe Keckeis die internationale Ausrichtung und Nato-Anpassung der Luftwaffe. Die terrestische Fliegerabwehr wurde derweil vernachlässigt.
Diese Fehlentwicklung will Maurer korrigieren: Hochleistungs-Jagdbomber dienen zwar der Luftverteidigung, sind aber auch für weltweite Luftangriffe brauchbar. Fliegerabwehr (Flab) vom Boden aus hingegen ist reine Landesverteidigung. Mit der Ernennung des Flab-Brigadiers Aldo C. Schellenberg zum neuen Chef der Luftwaffe hat der SVP-Bundesrat diesbezüglich vor einem Jahr ein klares Zeichen gesetzt.
Wehrpflicht viel wichtiger als Gripen
Darum sieht Ueli Maurer der Ausmarchung um den Gripen in den Räten ebenso gelassen entgegen wie der Abstimmung über den Flieger an der Urne vom nächsten Frühling: Fällt der Gripen doch noch durch, sagt er seinen Fliegerobersten einfach, sie sollen mit ihren allwettertauglichen 33 F/A-18 und den 55 F-5 Tiger zur Luftraumsicherung und –überwachung das Beste machen. Von den 55 F-5 könnte man ja 20 weiter verwenden – und die restlichen als Ersatzteillager «kannibalisieren».
Für die Erneuerung der Flab stünden dann aus den eingesparten Gripen-Milliarden sofort umfangreiche Mittel zur Verfügung. Darüber wäre Maurer sicher gar nicht unglücklich. Fest steht so oder so: Die Abstimmung über die Wehrpflicht vom 22. September ist für ihn um ein Vielfaches entscheidender als der Gripen-Handel. Maurers «beste Armee der Welt für die Schweiz», die «den Krieg nicht führen, sondern verhindern soll», wie er erst am letzten Freitag in der Arena wieder betont hat, beruht auf den drei Pfeilern: Neutralität, Miliz und Wehrpflicht. Knickt einer ein, bricht das Ganze zusammen. Fällt der Gripen durch, ist das hingegen nur ein Detail.