Das Kampfjet-Beschaffungsprojekt bleibt trotz neu entfachtem Wirbel auf Kurs. Unter dem Motto «lieber den Gripen in der Hand, als die Rafale auf dem Dach» dürfte eine Mehrheit des Parlaments schliesslich zustimmen.
«Das Departement verhandelt jetzt im Auftrag des Bundesrats mit der Firma Saab und der schwedischen Regierung über die Beschaffung des neuen Kampfflugzeugs Gripen», hält eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums in Bern (VBS) fest. Dabei geht es um Beschaffungstermine, um den Umfang des Gesamtpakets und auch um den Preis. Der Bundesratsentscheid bezog sich auf 22 Kampfjets für maximal 3,1 Milliarden Franken. Doch schon Ende 2011 hatte Bundesrat Ueli Maurer gesagt, er gehe davon aus, dass der notwendige Kredit «klar unter 3 Milliarden» bleiben werde. Und letzte Woche hat Saab-Direktor Anders Carp nun bestätigt, der Preis für das Gripen-Paket könnte weiter sinken – bis auf noch 2,5 Milliarden.
Störmanöver der Unterlegenen
Auf diesem Hintergrund sind die neuerlichen Störmanöver der unterlegenen Anbieter zu sehen – vorab der französischen Firma Dassault mit ihrem Jäger Rafale, der von Anfang an das Traumflugzeug der Schweizer Piloten gewesen war. Zunächst hatte Dassault in einem Brief an Sicherheitspolitiker in den Räten plötzlich 18 Rafale zum Sonderpreis von 2,7 Milliarden offeriert. Nachdem nun auch Saab seinen Preis nachgebessert hat, publizierten Zeitungen der französischsprachigen Schweiz am letzten Sonntag einen «geheimen Test-Bericht», den allerdings die «Basler Zeitung» im November schon referiert hatte (online nicht verfügbar). Fazit des Papiers aus der Schweizer Luftwaffe: Der Rafale sei mit Abstand der beste Flieger – der Gripen hingegen genüge nicht.
Alles oder nichts in den Kommissionen
Jetzt will die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK S) das neue Angebot der Franzosen «noch prüfen». Das ist aber gar nicht ihre Aufgabe. Sie kommt erst wieder zum Zug, wenn der Bundesrat im Herbst das Rüstungsprogramm (RP 2012) den Räten zustellt. Geplant ist ein reines Kampfjet-Programm, das nur den Verpflichtungskredit von etwas mehr als 2 Milliarden für den Kauf des Gripen enthält. Eventuell gibt es sogar ein «Doppelrüstungsprogramm» wie vor Jahren beim Panzerkauf für über 3 Milliarden: Dieses Jahr nur den Flieger – und nächstes Jahr gar kein Rüstungsprogramm.
Auch in der Sik N der Volkskammer wollen vorab SVP-Vertreter die Typenwahl des Bundesrates nicht akzeptieren: Sie haben jetzt noch eine Untersuchung eingeleitet. Zusammen mit Linken und Grünen, die gar keinen Kampfjet und auch gar keine Armee mehr wollen, könnten sie mit ihrer Maximalforderung nach dem Luxusjet Rafale Maurers Gripen-Vorlage in der Kommission und später in den Räten abschiessen.
Furcht vor neuen Abhängigkeiten
Davor warnen besonnene SVP-Leute, wie etwa die Berner Nationalrätin und Sicherheitspolitikerin Andrea Geissbühler, die den Entscheid des Bundesrates für den Gripen «richtig» findet. «Eine Luxusvariante» habe «weder im Parlament noch bei der Bevölkerung eine Chance», warnt sie. «Niemand kann bestreiten, dass die Überwachung des Luftraumes mit modernen Flugzeugen notwendig ist», räumt Geissbühler in einem Leserbrief ein. «Aber dafür braucht es keine Superjets.»
Zudem mache «der Gripen-Entscheid auch aussenpolitisch Sinn», ist sie überzeugt: «Schweden ist traditionell ein enger, aussenpolitischer Partner der Schweiz und ein kleines neutrales Land.» Frankreichs «Elite» behandle «die Schweiz hingegen meist mit herablassender Verachtung». Tatsächlich kam das Gesamtangebot der Franzosen bei der Präsentation ihres Rafale in Emmen im Herbst 2008 fast daher wie eine freundliche Übernahme der Schweizer Luftwaffe durch die Frankreichs Armee de l’Air.
Das weckt Ängste und Erinnerungen: Denn inzwischen sind beim Betrieb des US-Kampfjets F/A-18 problematische Abhängigkeiten der Schweiz von der US-Navy ruchbar geworden.
- Auf die wichtigsten elektronischen Elemente dieses Superjets haben die Schweizer keinen Zugriff. Diese werden «betreut» durch Spezialisten der US-Basis Naval Air Weapons Station China Lake in Kalifornien.
- Wenn die US-Navy die Ersatzteile für ihre eigenen F/A-18 im Kriegseinsatz (Frontline) braucht, bleiben die Schweizer Jäger am Boden.
- Bei F/A-18-Probeschiessen mit den Millionen-teuren AMRAAM-Raketen über der Wüste Nevadas können die Schweizer zwar die Rechnung bezahlen. Doch die Amerikaner zeigen ihnen kaum die Hälfte der Testergebnisse – for security reasons.
Flieger werden immer billiger
Das ist mit ein Grund, warum der Bundesrat kampfjetmässig künftig lieber mit den Schweden «auf Augenhöhe» geschäften möchte. Und auch der Preis: Gerade bei den Betriebskosten ist die kleinere Maschine aus Schweden klar günstiger. Im VBS hofft man zudem, dass die Flieger-Preise noch weiter herunterkommen. Dann könnte Maurer seinen neuen Jet wohl gar aus seinen jetzt im Finanzplan eingestellten Budgets von 4,87 Milliarden für 2014 und 4,925 Milliarden per 2015 «selber» finanzieren – ohne den vom Parlament bewilligten Plafond von 5 Milliarden auszureizen, und auch ohne Sparübungen in anderen Departementen.
Diese Zahlen zeigen mitunter, wie schief und ahnungslos der nun schon angestellte Vergleich des Grippen-Handels mit dem Mirage-Skandal von 1964 ist: Damals wurden 100 Flugzeuge für 828 Millionen Franken bewilligt. Beschafft wurden dann nur 57 Stück für 1,2 Milliarden. Und im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Militärs heimlich einen atombombenfähigen Kampfjet hatten beschaffen wollen. Der freisinnige Verteidigungsminister Paul Chaudet nahm dann Ende 1966 erbost den Hut. Derlei droht VBS-Chef Ueli Maurer derzeit nicht. Die Umtriebe in den Kommissionen könnten höchsten zu einer Verschiebung des Flieger-Geschäfts führen. Das aber wollten Maurer und der Bundesrat ja so oder so.