Maurer weiss, was er will – und macht es

Ueli Maurer (SVP) will seine Armee nicht für die ganze Welt – sondern für eine neutrale Schweiz. Damit unterscheidet er sich von seinen Vorgängern.

Liebt das überschaubare Daheim: Militärminister Ueli Maurer, hier bei einem Truppenbesuch im Waadtland, hält nichts von internationalen militärischen Kooperationen. (Bild: Fabian Biasio / Keystone)

Ueli Maurer (SVP) will seine Armee nicht für die ganze Welt – sondern für eine neutrale Schweiz. Damit unterscheidet er sich von seinen Vorgängern.

Ich wünschte mir, die Schweiz würde sich international mehr einmischen.» Das sagte zu Beginn dieses Monats Stan McChrystal in Zürich. Er meinte damit: militärisch mehr einmischen. Und darin kennt er sich aus. Als früherer Viersternegeneral der US-Armee hat er viele gewalttätige «Einmischungen» seines Landes weltweit mitgemacht. Zuletzt als oberster Kommandant der internationalen Besatzungstruppen in Afghanistan.

«Einmischungen» sind tabu

Was der US-General a. D. wohl nicht wusste: Der Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer hatte solchen «Einmischungen» nur wenige Wochen zuvor in Thun vor Schweizer Milizoffizieren eine klare Absage erteilt. «Die Nähe zu einem wirtschaftlichen oder militärischen Block ist für ein kleines Land gefährlich», hatte Maurer da gewarnt.

 

Er machte klar, dass McChrystal und seine US Army immer mehr als Verlierer dastehen: Einheimische Widerstandsgruppen hätten in Afghanistan mit einfachsten Waffen den modernsten Armeen der Welt grosse Verluste an Menschenleben zugefügt, sagte Maurer. Militärisch verliere der Westen so an Gewicht. Das würden die Niederlagen in Afghanistan und im Irak deutlich zeigen.

Der Schweizer Wehrminister ist ganz offenbar froh, dass sich sein Land da nicht einmischt. In Thun nannte er als Leitlinien seiner Politik: Neutralität verbunden mit dem Milizprinzip. Er warnte vor Terrorgruppen, die irgendwo und irgendwann zuschlagen können. Aber auch vor modernen Armeen der Grossmächte: Mit ihren ferngelenkten Drohnen führten sie «einen anonymen Krieg auf Distanz, wo sie gezielt und unberechenbar zuschlagen, aktuell in Jemen oder in Pakistan». Es wachse die Gefahr, «dass rechtsfreie Räume entstehen».

Maurer will bleiben, bis seine Armee «repariert» ist.

Den Offizieren machte Maurer klar, was in dieser Weltordnung ihr Auftrag sei: «Als Verteidigungsarmee müssen wir die Sicherheit der Bevölkerung sowie die Unabhängigkeit des Landes jederzeit garantieren können.» Er hielt fest: «Es ist keine Armee denkbar, die über mehr Kompetenz verfügt und sich besser in unser ziviles Leben einfügen kann, als eine Milizarmee.»

Adolf Ogis Irrweg

Das sind neue Töne: Nur etwas mehr als zehn Jahre ist es her, dass US-Generäle mit ihren Wünschen nach weltweiter Einmischung der Schweiz in Bern auf offene Ohren stiessen. Adolf Ogi konzipierte ab 1998 seine «Armee XXI» unter dem Schlagwort «Sicherheit durch Kooperation» mit der Nato. Sie sollte eine international operierende Einsatzarmee werden.

Ogi meinte zwar damals noch, ein Nato-Beitritt der Schweiz käme frühestens in zehn Jahren in Betracht. Doch «Interoperabilität» und «Standards» der Nato waren fortan bei allen strukturellen und rüstungstechnischen Weiterentwicklungen seiner Armee XXI die Messlatte. Welsche Zeitungen freuten sich: «Adieu Miliz, jetzt kommen die Profis.»

Ogis Generäle meinten, innert zehn Jahren sei die Schweiz ohnehin Mitglied der EU – und bald auch in der Nato. Die Bundesräte Ogi und Cotti pilgerten im Frühling 1999 zu einer grossen Nato-Tagung nach Washington. Sie unterzeichneten einen «Partnerschaftsvertrag» mit dem Nordatlantikpakt als Vorstufe zum Beitritt. Dem Schweizer Volk wurde er nie zur Abstimmung vorgelegt. Und die Schweizer Neutralität, die dem allem im Weg stand, wurde im Bundeshaus bald nur noch als «Problem» behandelt.

Das Volk sagt Nein

Doch Ogis Armee-Umbauer hatten ihre Rechnung ohne die Schweizer Bevölkerung gemacht. Sie stimmte zwar der Bewaffnung von Schweizer Truppen im Ausland zum Selbstschutz 2001 noch ganz knapp zu. Doch die ETH-Studien zur Sicherheitspolitik zeigen seither, dass es in der Schweiz für weltweite Einmischung und Kooperation immer weniger Zustimmung gibt: Letztes Jahr waren nicht einmal mehr 20 Prozent der Befragten für einen Beitritt zur EU (17) oder zur Nato (19).

Umgekehrt verbucht die in Bundesbern schon oft tot gesagte Neutralität neue Rekordwerte. 95 Prozent der Leute im Land sind überzeugt: Die Schweiz sollte ihre Neutralität beibehalten. Die weltweite Entwicklung gibt ihnen recht: Die als «Friedens-Operationen» getarnten, neuen Kriege um Rohstoffe enden meist im Chaos. Maurer stellte in Thun trocken fest: «Das teure Nato-Engagement in Afghanistan liess die meisten westlichen Partnerstaaten der USA kriegsmüde werden.»

Maurer folgt grossen Linien

Teuer kam für die Schweizer Steuerzahler auch Ogis Abenteuer mit der «Partnerschaft für den Frieden», der militärischen Zusammenarbeit der Nato mit Nicht-Nato-Mitgliedern: Satte 1,7 Milliarden Franken sollte schon nur ein futuristisches «Führungsinformationssystem (FIS)» kosten. Als es Maurer nach seinem Amtsantritt 2009 stoppte, waren schon 700 Millionen ausgegeben.

Funktionieren tun die bereits beschafften Geräte bis heute nicht recht. Noch übler war die unüberlegte Umstellung der bewährten Logistik auf das Nato-kompatible, aber untaugliche «Bring-System». Erst im letzten November konnte die «Basler Zeitung» vermelden: «Die Zeughäuser der Armee funktionieren wieder.» Maurer sei es gelungen, «in einem zentralen Bereich der Armee aufzuräumen».

Erst etwa 2020 würden die gröbsten Fehler der missratenen Armee XXI einigermassen aufgeräumt sein, sagt Maurer selber. Dabei folgt er den Leitlinien, die er in Thun dargelegt hat:

• Die Schweizer Armee soll enger mit den Kantonen zusammenarbeiten.
• Er will die Führung der Truppen wieder mehr den Milizoffizieren anvertrauen.
• Die Mobilmachungsorganisation, die in der Armee XXI versandet war, wird wieder aufgebaut: Ein «differenziertes Bereitschaftssystem» soll innert drei Wochen 20 000 Mann mobilisieren können.
• Landesverteidigung wird wieder die zentrale Kompetenz der Armee. Doch in Friedenszeiten sollen die Diensttage für Milizsoldaten massiv reduziert werden.

Gar nicht erwähnt hat Maurer in seiner Thuner Grundsatzrede die unter Ogi und Schmid forcierten Auslandeinsätze. Hier heisst sein Konzept: Möglichst unbewaffnet mit einzelnen Spezialisten für Minenräumung oder Beobachtung etwa – nicht aber in bewaffneten Kampfverbänden. Den ersten und einzigen Schweizer Militärstützpunkt im Ausland, das «Camp Casablanca» im Kosovo hat er darum räumen lassen. Die vom Aussenministerium (EDA) angestrebte Entsendung von Schweizer Truppen auf Piratenjagd vor Ostafrika konnte er mit viel politischem Geschick schon 2009 verhindern.

Jetzt möchte das EDA Schweizer als Instruktoren zur Bürgerkriegsarmee in Mali schicken. Doch Maurer warnt vor einer Einmischung. Entschieden ist noch nichts. Maurer hat aber schon durchgesetzt, dass höchstens «unbewaffnete» Berater infrage kommen.

Detail Gripen

Die Gesamtsicht gelte es trotz tausend Details nicht zu verlieren, sagt Maurer. Und: «Ein solch wichtiges Detail ist der Gripen.» Er hat längst klargemacht, dass er notfalls auch ohne den neuen Flieger leben könnte.

Kein Detail ist hingegen seine Amtszeit: Jenen Funktionären und Generälen, die nach den letzten Wahlen auf einen Wechsel und auf den freisinnigen Didier Burkhalter als neuen VBS-Chef gehofften haben, hat Maurer inzwischen klar gemacht, dass er auf seinem Posten bleibt, bis die Schweizer Armee in seinem Sinne «repariert» ist. Und das kann Jahre dauern.

Derlei Durchhaltewille beeindruckt inzwischen auch die NZZ: Sie attestiert Maurer, er lasse sich trotz «garstigen politischen Windböen nicht vom eingeschlagenen Kurs abbringen».

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.05.13

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