Wegen der verknorzten Entwicklung auf dem Kasernenareal gibt es grosse Vorbehalte gegenüber den Basler Behörden. Und scharfe Kritik am prominenten Tattoo-Chef Erik Juillard, wie unsere Wochendebatte zeigt. Regierungspräsident Guy Morin wiegelt ab.
In Basel fehlt der Regierung und den Behörden der Mut. Zu diesem Schluss kamen wir in unserer Titelgeschichte über das Kasernenareal, diesem Kleinbasler Platz mit dem grossen Potenzial. Offensichtlich sehen das einige Baslerinnen und Basler gleich, wie unsere Wochendebatte zum Thema zeigt. «Einfach mal gross denken!», verlangt zum Beispiel Kuno Bachmann, der vom Areal aus einen «freien Blick auf den Rhein» möchte.
Dieser Aussicht steht aber der Hauptbau der Kaserne im Weg. Darum wurde auch schon mal gefordert, dass der «Klotz» gesprengt oder zumindest verschoben werden müsse. Mit einer Versetzung wäre in den 1950er-Jahren auch die Denkmalpflege noch einverstanden gewesen. Heute wehrt sie sich dagegen – weil der Hauptbau ein schützenswerter Bau sei. Noch sehr viel wortkräftiger kämpft Erik Juillard, Chef des Basel Tattoo, für den Erhalt, weil der Kasernenhauptbau eine ideale Kulisse für sein Militärspielfestival ist. Und ein guter Lärmschutz.
Kulissen anstatt Kaserne
Der Kampf für den Kasernenhauptbau trägt Juillard in der Wochendebatte nun einige Kritik ein. Theaterfachmann Christoph Meury bezeichnet ihn als typischen Vertreter von Partikularinteressen, der sich nicht fürs Ganze interessiere. Und Christoph Cornelius kritisiert, dass «eine einzige Veranstaltung wie das Tattoo die Entwicklung rund um die Kaserne diktiert.» Das passt auch Claudia Pleuss nicht. «Beweisen Sie bitte den selben Mut den Sie hatten, als Sie das Tattoo ins Leben riefen und geben Sie etwas Neuem eine Chance», schreibt sie an die Adresse von Juillard und gibt ihm gleich noch einen Tipp: «Im Theater klappt’s zum Beispiel auch mit Kulissen.»
Daneben gibt es allerdings auch Stimmen, welche die Kaserne vehement verteidigen. «Immerhin gibt es viele Kleinbasler, die den Kopfbau als Wahrzeichen ihres Stadtteils anschauen. Das sollte man respektieren», schreibt Michael Trachsel, der Präsident des Vereins zur Unterstützung des Basel Tattoo, ebenfalls in der Wochendebatte. Bei der damit verbundenen Abstimmung zeigt sich allerdings, dass eine fast schon überwältigende Mehrheit unzufrieden ist mit der Entwicklung auf dem Kasernenareal und die Stadtentwicklung generell für zu mutlos hält.
Selbstzufriedene Basler
Eine Einschätzung, die «Guschti Goldknopf» auf ein tieferliegendes Problem zurückführt: die Basler Selbstzufriedenheit. «Viele Basler in hohen Positionen (…) haben die unerträgliche Gewohnheit, ihre Stadt und deren Institutionen selbstverherrlichend in den Himmel zu loben. Basel findet sich einfach ein bisschen zu toll.» Darum frage man sich gar nicht erst, was man besser machen könnte. «Das ist auch der Grund, warum sich (…) nie gross etwas verändert», schreibt «Goldknopf».
Ob er recht hat, wird sich bald zeigen. Denn die Weiterentwicklung des Kasernenareals kommt nun in die entscheidende Phase. Der Grosse Rat behandelt morgen Mittwoch den Ratschlag zur Gesamtsanierung des Kasernenhauptbaus. Die Bau- und Raumplanungskommission ist nur bedingt zufrieden mit der regierungsrätlichen Vorlage. Ihrer Meinung nach müsste eine grosszügige Öffnung des Kasernenhauptbaus im Architekturwettbewerb unbedingt geprüft werden. Aller Voraussicht nach wird das Kantonsparlament diese Forderung übernehmen und den Kredit von 2,3 Millionen Franken für die Projektierung verabschieden.
Bei der Auswahl der Projekte werden dann auch die Bewahrer ein wichtiges Wort mitreden, allen voran die Denkmalpflege. In unserer Debatte wurde darum bereits die Befürchtung geäussert, dass es keine Öffnung in der Kaserne geben wird – oder höchstens eine «Angsthasenöffnung».
Guy Morin setzt auf einen guten Kompromiss
Der Grüne Regierungspräsident Guy Morin verspricht ein «tolles Projekt»: «Nach 40 Jahren der Vorplanung kommt nun endlich etwas in Gang.» Was nicht selbstverständlich sei, wie Morin betont, weil bei diesem Projekt immer wieder zwei gegensätzliche Interessen aufeinander prallen würden:«Die einen wollen die Kaserne abreissen, wohl weil sie mit der militärischen Vergangenheit nichts anfangen können. Die anderen möchten die Kaserne unter Schutz stellen. Zusammen verhindern sie jegliche Entwicklung.» Das werde sich nun ändern. Mit dem Umbau solle eine Kulturstätte und ein Treffpunkt entstehen, der wichtig sei für Kleinbasel wie für die ganze Stadt, sagt er. Dabei denkt er an Ateliers, Proberäume, Produktionsstätten für Kulturschaffende, Gastro-Unternehmen, Quartierzentren oder Veranstaltungsräume.
Sehr viel konkreter wird Morin nicht. Die Kritiker werfen der Regierung und den Stadtentwicklern darum vor, sie gäben den Auftrag für die Umgestaltung eines Areals, ohne zu wissen, was genau sie damit anstellen möchten: «Gelegentlich müsste man öffentlich Klarheit herstellen, worüber man genau redet und wofür die Investitionen gedacht sind», schreibt Christoph Meury. Und für den ehemaligen Anwohner Rudi Buchmann ist klar: «Das Kleinbasel braucht die Kasernenwiese als Grünfläche, den grosszügigugen Pausenplatz oder die Einrichtungen für die Kleinkinder. Damit werden existentielle Bedürfnisse erfüllt. Was mit den Gebäuden geschieht, ist eher zweitrangig.»
Morin dagegen sagt: «Ich bin überzeugt, dass die Architekten im Rahmen des Wettbewerbsverfahrens ein überzeugendes Projekt entwerfen werden, welches die verschiedenen Bedürfnisse und Vorgaben wie etwa auch die grosszügige Öffnung zum Rhein berücksichtigt.»
Diskutieren Sie mit und stimmen Sie ab in der Wochendebatte zu diesem Thema.