Die Not nach dem Erdbeben verschärft bestehende Probleme: Neben Kinderheirat boomt in Nepal auch der Handel mit Menschen und Organen.
Im Distrikt Sindhulpalchok sind Mädchen einer Gefahr ausgeliefert, die sie um kostbare Schuljahre bringen kann: die Kinderheirat. Obschon verboten, werden im Land schätzungsweise zwei von fünf Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. «Viele Eltern sind sich der Wichtigkeit von Bildung nicht bewusst», erzählt Laya Prasain, Vorsteher der Sekundarschule in Talamarang.
Er berichtet auch, dass die Lehrer seiner Schule jeweils zu Kinderhochzeiten eingeladen werden. Manche Mädchen würden bereits mit 13, 14 Jahren verheiratet. Verblüfft fragt der Westler: Und die Lehrer gehen hin?! «Ja. Wir leben in dieser Gesellschaft. Würden wir die Einladung ausschlagen, gäbe es Ärger.»
Ein Dorf voller Nierenverkäufer
Die materielle Not lockt manche Familie in verbrecherische Fallen. So stieg nach dem Erdbeben die Zahl der Opfer von Menschenhändlern um einige Hundert an. Dies sagt Benu Gurung, die in Kathmandu das Netzwerk AATWIN leitet, das gegen Frauen- und Kinderhandel kämpft. «Die Menschenhändler geben sich als Helfer aus und versprechen den Familien einen guten Job für ihr Kind oder eine gute Ausbildung», erzählt Benu Gurung. Am Ende landen sie in Bordellen oder als Arbeitssklaven in Haushalten oder in der Landwirtschaft. 80 Prozent der Opfer seien Frauen und Kinder.
Zugenommen nach dem Beben habe auch der Organhandel. «Kürzlich wurden in einem einzigen Dorf im Distrikt Kabhre, unweit von Kathmandu, rund 200 Menschen entdeckt, die eine Niere verkauft hatten», erzählt Benu Gurung. «Sie können sich vorstellen, was da landesweit läuft und wie hoch die Dunkelziffer sein muss.»