Die Resultate der Wahlumfrage von TagesWoche und «bz Basel» lassen Stimmengewinne der Bürgerlichen erwarten, die nächste Regierung könnte sogar bürgerlich dominiert sein. Der Politologe Michael Hermann erklärt, was die Resultate bedeuten und was sich bis am 23. Oktober noch ändern könnte.
Herr Hermann, wie wahrscheinlich ist ein Machtwechsel in Basel?
Das Rennen zwischen Rot-Grün und den Bürgerlichen ist viel offener, als manche gedacht haben – Lorenz Nägelin und Elisabeth Ackermann liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Es kommt nun darauf an, wer stärker mobilisieren kann. Denn während Lorenz Nägelin relativ gut von LDP, FDP und CVP unterstützt wird, kann Elisabeth Ackermann nicht auf die volle Unterstützung von Rot-Grün zählen.
Woran liegt das?
Offenbar ist es Frau Ackermann noch nicht restlos gelungen, sich bei der rot-grünen Basis bekannt zu machen, und womöglich überzeugt sie mit ihrer Kandidatur noch nicht ganz.
Das bürgerliche Viererticket funktioniert also besser?
Das bürgerliche Ticket in Basel funktioniert erstaunlich gut, was auch dem schweizweiten Trend entspricht. Lange war ein bürgerlicher Schulterschluss in Basel ja nicht vorstellbar.
Dennoch haben vor allem CVP-Wähler ihre Vorbehalte gegenüber dem SVP-Kandidaten Lorenz Nägelin.
Das ist so. Aber im Gegensatz zu früher ist der Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit der SVP heute viel kleiner.
«Es ist eine gewisse Sättigung bei Rot-Grün spürbar. Die Linken betreiben Machtverwaltung statt wirklichen Wettbewerb.»
Rot-Grün tritt mit einem Fünferticket an. Ist das ein Nachteil für Ackermann, da ihr Heidi Mück von der BastA! Stimmen wegnimmt?
Das Fünferticket ist kein Nachteil für Rot-Grün, da man auf dem Wahlzettel ja insgesamt sieben Personen auswählen kann. Vom Grünen Bündnis hat Elisabeth Ackermann sowieso eine bessere Ausgangslage als Heidi Mück. Zudem schneiden sich Heidi-Mück-Wähler selber ins Fleisch, wenn sie Ackermann nicht wählen. Denn dadurch gerät die rot-grüne Mehrheit in Gefahr.
Wie erklären Sie sich das Spitzenresultat von Conradin Cramer (LDP), der auf Anhieb den zweitbesten Platz macht?
Das ist ein sehr bemerkenswertes Resultat. Er schafft es bis weit in die Mitte und ins linke Lager hinein, Stimmen zu holen. Er wäre aber nicht der Erste, der gleich so ein gutes Resultat erzielt. 2011 machte Mario Fehr von der SP bei den Zürcher Regierungsratswahlen auf Anhieb sogar den ersten Platz.
Was wird sich noch verändern an den Resultaten bis zum Wahlsonntag?
Elisabeth Ackermann hat sicher noch Potenzial, ihre Bekanntheit zu steigern. Es wird jetzt garantiert auch noch eine grössere Debatte um die Mehrheitsverhältnisse geben. Der Wahlkampf wird lebendiger.
Gehen wir mal davon aus, dass Hans-Peter Wessels, Lorenz Nägelin und Elisabeth Ackermann am 27. November tatsächlich in den zweiten Wahlgang müssen: Kann Lorenz Nägelin dann noch auf die Stimmen von FDP, LDP und CVP zählen, wenn deren Regierungsräte ihre Sitze auf sicher haben?
Ich gehe davon aus, dass die Wählenden von FDP, LDP und CVP auch beim zweiten Wahlgang für Nägelin stimmen werden. Denn immerhin geht es um einen Machtwechsel, das mobilisiert.
Würde Elisabeth Ackermann davon profitieren, wenn Hans-Peter Wessels in den zweiten Wahlgang muss, weil dadurch auch die SP-Wähler verstärkt mobilisiert würden?
Ob Wessels in den zweiten Wahlgang muss, macht sicher keinen grossen Unterschied. Denn wenn die rot-grüne Mehrheit auf dem Spiel steht, wird links genügend Grund haben, wählen zu gehen. Wenn es auf Messers Schneide steht, kann aber auch Wessels etwas ausmachen.
Wie fest muss Wessels um die Wiederwahl zittern?
Es kann sein, dass es Wessels bereits im ersten Wahlgang schafft, da der Anteil derjenigen, die «Andere» wählen, bis zum Wahltag noch erheblich abnimmt. Das kommt den Bisherigen zugute. Von Ackermann und Nägelin wird er aber so oder so kaum überholt.
«Womöglich überzeugt Elisabeth Ackermann mit ihrer Kandidatur noch nicht ganz bei Rot-Grün.»
Was muss Ackermann tun, um gegen Nägelin gewinnen zu können?
Sie muss bei der eigenen Basis zulegen – dort hat sie noch Potenzial. Sie muss einen aktiven und überzeugenden Wahlkampf führen – und offensiver werden. Auch die SP könnte sich noch stärker für Ackermann einsetzen. Rot-Grün mangelt es in diesem Wahlkampf an Biss. Es ist eine gewisse Sättigung spürbar. Die Linken betreiben Machtverwaltung statt wirklichen Wettbewerb. Der Spirit, um jeden Preis gewinnen zu wollen, scheint momentan nicht vorhanden zu sein.
Der Wandel (bürgerliche Wende) lässt sich wohl auch besser verkaufen als die Kontinuität (weiter mit Rot-Grün)?
Gerade auf der progressiven und linken Seite führt Macht schnell zu Ernüchterung. Keine linke Mehrheit hat bisher ewig gehalten. Aber es gibt Gemeinden, die schon immer bürgerlich waren.
Ihre Prognose für den zweiten Wahlgang?
Unsere Umfrage kann dazu nichts sagen. Womöglich hilft der drohende Machtverlust Rot-Grün, ihre Wählerschaft noch einmal ausreichend zu mobilisieren. Wir werden es sehen.