Mit diesen Themen wollen die Parteien punkten

Mit welchen Themen gehen die Parteien in den Wahlkampf – und wie relevant sind diese für die Bevölkerung? Fakten und Einschätzungen zu den kommenden National- und Ständeratswahlen.

Welche Partei fliegt im kommenden Wahl-Herbst am höchsten ? Viel hängt davon ab, mit welchen Themen die Parteien politisieren.

(Bild: CHRISTIAN BEUTLER)

Mit welchen Themen gehen die Parteien in den Wahlkampf – und wie relevant sind diese für die Bevölkerung? Fakten und Einschätzungen zu den kommenden National- und Ständeratswahlen.

In drei Monaten ist es so weit: Am 18. Oktober wählen die Schweizerinnen und Schweizer ihre Volksvertreter, die National- und Ständeräte. Bereits jetzt buhlen die Parteien um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und präsentieren Lösungen für vermeintliche Probleme.

Welche Themen laufen im anlaufenden Wahlkampf am besten, und wie wichtig sind sie für die Wählerinnen und Wähler wirklich?

1. Die Schweiz und die EU

(Bild: Nils Fisch)

Die EU-Frage hatte das Potenzial, Wahlkampfthema Nummer eins zu werden. Die verkorkste Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative stand im Frühjahr lange Zeit im Fokus. Inzwischen ist die Empörung über die Zuwanderung aus der EU jedoch abgeflacht.

Für die FDP steht das Verhältnis der Schweiz zur EU trotzdem noch ganz oben auf der Traktandenliste. Die Freisinnigen fordern eine Beschränkung der Zuwanderung, die mit dem Erhalt der bilateralen Verträgen vereinbar ist. Auch die übrigen Parteien – ausser die SVP – wollen die Bilateralen erhalten, sie treiben das Thema im Wahlkampf jedoch nicht aktiv voran.

Die SVP dagegen zielt mit ihren Forderungen auf eine Kündigung der Bilateralen. Ihre «Selbstbestimmungsinitiative» fordert eine Höhergewichtung von schweizerischem Recht vor EU-Recht. Es ist jedoch denkbar leise geworden um die Initiative – möglicherweise vermag das Anliegen nicht die Emotionen der Wähler zu wecken.

Die SP hält sich beim Thema Europa nach wie vor zurück. Ihre vage Richtung heisst: den bilateralen Weg vorantreiben, einen EU-Beitritt als mögliche Option prüfen. Bei der Griechenland-Politik der EU ist die SP jedoch gespalten. Einzelne Nationalräte wie Cédric Wermuth üben heftige Kritik am Vorgehen der EU – doch für die SP gibt es mit dem Thema EU momentan nichts zu gewinnen.

Auf unserem Wahlkampfbarometer erhält das Thema «Europa» 7 von 10 Punkten.

2. Die Altersvorsorge

(Bild: Nils Fisch)

Rund 2,1 Millionen Menschen beziehen in der Schweiz eine Altersrente, das Gesamtvolumen der AHV-Beiträge liegt bei 40 Milliarden Franken. Bis im Jahr 2030 soll ein Loch von 8 Milliarden Franken im AHV-Fonds klaffen – die Altersvorsorge wird uns in den nächsten Jahrzehnten intensiv beschäftigen.

Im laufenden Wahlkampf ist sie jedoch kein dringendes Thema. Vermutlich deshalb, weil es ein Thema ist, mit dem Politiker nicht einfach punkten können: zu komplex, zu wenig emotional.

Als eine von wenigen Parteien schreibt die FDP das Thema gross auf ihre Fahnen. Die Partei setzt sich für «eine sichere und nachhaltig finanzierte Altersvorsorge» ein. Die SP treibt die «AHVplus»-Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) voran, auf der Liste ihrer Wahlkampfthemen nimmt die AHV jedoch einen der unteren Plätze ein.

Unser Wahlkampfbarometer zeigt 2 von 10 Punkten an.

3. Das Asylwesen

(Bild: Nils Fisch)

Mit Trompeten und Posaunen bespielt die SVP ihr Wahlkampfthema Nummer eins. Im Fokus der Partei stehen derzeit die Eritreer, die angeblich als «Wirtschaftsflüchtlinge» in die Schweiz kommen.

Die SVP kündigte im Herbst 2014 eine Volksinitiative an, die eine konsequente Umsetzung der die Dublin-Verträge fordert – so konsequent, dass das Recht auf Asyl de facto abgeschafft würde. Die Initiative wurde bis heute nicht lanciert, die Partei fordert nun stattdessen, das Asylgesetz mittels Notrecht mindestens ein Jahr lang ausser Kraft zu setzen.

Mit der radikalen Forderung grenzt sich die Partei von den übrigen Bürgerlichen deutlich ab. Einzelne Exponenten der FDP (Philipp Müller) und CVP (Gerhard Pfister) gebärden sich zwar als Asyl-Kritiker, ihre Forderungen sind jedoch weitaus weniger radikal als jene der SVP.

In der Presse stossen die SVP-Begehren – insbesondere auch der Aufruf zu aktivem Widerstand gegen Asylzentren – auf heftige Kritik. Das Thema findet deswegen in der Presselandschaft, rechtsbürgerliche Blätter ausgenommen, nicht die Wirkung, die sich die SVP-Führung wohl versprach.

Das Thema ist im bisherigen Wahlkampf am stärksten präsent, deswegen erhält es 10 von 10 Punkten auf unserem Wahlbarometer.

4. Die Familie

(Bild: Nils Fisch)

Familien sind für Politiker ein ein beliebtes Zielpublikum. Etwa 2,2 Millionen Haushalte in der Schweiz leben in familienähnlichen Strukturen mit mindestens einem Kind. Laut Schätzungen des Bundesamts für Sozialversicherungen fliessen jedes Jahr etwa 800 Millionen Franken in externe Familienbetreuung (Bund, Kantone und Gemeinden).

Kinderzulagen und steuerliche Vorteile für Familien standen in den letzten Jahren im Vordergrund der Familienpolitik. Nun läuft die Debatte in Richtung Vaterschaftsurlaub.

Bis ins bürgerliche Lager werden Forderungen nach Vaterschaftsurlaub laut. Der CVP-Nationalrat Martin Candinas fordert in einem aktuellen Vorstoss zwei Wochen Vaterschaftsurlaub, die SP fordert seit Jahren einen Urlaub für Väter und begrüsst Candinas Vorstoss. Auch bei den Grünen steht die Forderung nach einem Vaterschaftsurlaub ganz oben auf der Dringlichkeitsliste.

Das Thema birgt emotionales Potenzial und wird im Wahlkampf eine Rolle spielen – wenn auch eine untergeordnete. In unserem Barometer erhält die Familienpolitik 4 von 10 Punkten.

5. Die Energiewende

(Bild: Nils Fisch)

Vor vier Jahren war die Umweltpolitik matchentscheidend. Nur wenige Monate vor den nationalen Wahlen ereignete sich das Reaktorunglück in Fukushima. Die Katastrophe führte die Gefahren der Atomkraft vor Augen und verhalf den Grünen zu ihrem zweitgrössten Erfolg auf nationaler Ebene – nur 2007 erreichten die Grünen einen höheren Wählerstimmen-Anteil.

Dieses Jahr spricht vieles dafür, dass die Energiewende kein zentrales Thema sein wird. Zwar stehen wichtige Entscheidungen zur Energiestrategie 2050 an, diese entfalten im Wahlkampf bisher jedoch keine Wirkung, wie es das Atom-Unglück 2011 tat.

Die Grünen, die das Thema bewirtschafteten, können nicht mehr exklusiv davon profitieren. Den Atomausstieg befürworten heute abgesehen von FDP und SVP beinahe alle Parlamentarier in Bern.

Die kantonalen Wahlen im laufenden Jahr haben einen Einbruch der Grünen Partei vor Augen geführt. Politologen deuteten daraus auch, dass das Thema Klimawandel eine untergeordnete Rolle bei der Bevölkerung spielt.

Wie Fukushima gezeigt hat, kann sich dies jedoch rasch verändern. Bislang gelang es den Energiewende-Politikern nicht, das Thema im Wahlkampf zu  platzieren. Deshalb gibt es von uns 3 von 10 Punkten.

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