Seit Anfang Jahr bietet der Bund Arbeitsprogramme für neuangekommene Asylsuchende an. Sie erneuern Waldwege, sammeln Abfall ein oder gärtnern auf dem Friedhof Hörnli. Wir haben eine Gruppe während eines Arbeitseinsatzes begleitet.
Auf überfüllten Schiffen durchfuhren sie das Mittelmeer, überquerten in Lastwagen versteckt Landesgrenzen und erreichten auf verschlungenen Wegen die Schweiz. Jetzt stehen sie auf dem Friedhof am Hörnli in der Morgensonne und zupfen Unkraut aus Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Konzentriert lauschen die acht Migranten den Anweisungen des Einsatzleiters.
Thomas Haug, gelernter Agronom, zeigt ihnen, wie sie in den Mulden Grünabfall vom Rest trennen. «Metal here, plastic there. The green plants are o.k.» Die drei Frauen und fünf Männer kommen aus Eritrea, Pakistan, Syrien, Nigeria und Mazedonien. Schweigend und gewissenhaft folgen sie den Anweisungen, rechen Unkraut zusammen und ziehen in Einerkolonne weiter zur nächsten Sammelstelle.
Sie sind die Antwort des Bundes auf das Klischee des arbeitsunwilligen und faulen Asylbewerbers. Und wer hier auf dem Friedhof steht, hatte Glück. Die Anfang Jahr eingeführten Beschäftigungsprogramme sind begehrt.
Das Geld kommt ganz am Schluss
Drei Stunden früher drängen im Bundesempfangszentrum beim Zoll Otterbach knapp vierhundert Migranten durch die Korridore. Über den angrenzenden Feldern geht gerade die Sonne auf. Im Esssaal sitzen Schulter an Schulter Frauen, Männer und Kinder an langen Tischen beim Frühstück. Unter ihnen auch Ali*. Der 24-jährige Pakistaner hat sich an diesem Morgen warm angezogen. Er hofft wie viele andere auf einen Platz in einer der drei Arbeitsgruppen.
Dutzende stürzen sich auf Thomas Haug, als er den Aufenthaltsraum betritt. Der Betreuer sammelt mit einer Kartonbox die Ausweise all jener ein, die mit ihm auf dem Friedhof Hörnli arbeiten möchten. Im Personalraum sortiert er die Ausweise, mitnehmen kann er nur acht Personen. In einer halben Stunde werden Mitarbeiter zwei weitere Gruppen zusammenstellen. Wer in den vergangenen Wochen bereits öfter dabei war oder seine Pflichten im Empfangszentrum nicht erledigt hat, muss hier bleiben.
Geld spielt keine Rolle: Pro Arbeitstag erhalten die Asylsuchenden 30 Franken.
Die Schlechten ins Kistchen, die Guten aufs Tischchen. «Wir könnten jeden Tag 60 Personen mitnehmen anstelle von 24», sagt Haug. «Die Nachfrage ist sehr gross.» Nach fünf Minuten betritt er den Aufenthaltsraum und verkündet das Resultat der Arbeitslotterie. Die Glücklichen erhalten eine orange Leuchtweste, die anderen ihren Ausweis zurück. Ohne Diskussionen geht das nicht.
Die Ausgewählten verschwinden im Keller des Gebäudes. Als sie wieder erscheinen, tragen die drei Frauen und fünf Männer Arbeitskleider, in der Hand Spitzhacken und Rechen. Thomas Haug setzt sich ans Steuer eines Kleinbusses und gemeinsam fahren sie los in Richtung Hörnli. Auch Ali fährt mit, bereits zum zweiten Mal in dieser Woche. «Im Camp», sagt er auf Englisch, «ist das Leben sehr eintönig. Ich bin froh um diese Möglichkeit.»
Das Geld spielt dabei keine grosse Rolle. Pro Arbeitstag erhält der 24-Jährige 30 Franken. Ausbezahlt wird es ihm erst, wenn sein Asylgesuch entschieden ist und er das Bundesempfangszentrum nach rund drei Monaten wieder verlässt.
In Einerkolonne an den Gräbern vorbei
Die Gruppe sortiert den Abfall, zupft etwas Unkraut und zieht weiter zur nächsten Sammelstelle, einer hinter dem anderen. Zuhinterst geht Sipan*, der seine Schirmkappe weit ins Gesicht gezogen hat. Von wo kommt er, seit wann ist er hier? Zögerlich erzählt der 28-jährige Syrer von seiner Reise nach Europa.
Er flog von Istanbul nach Algerien, reiste zu Fuss und per Bus via Tunesien weiter nach Libyen. Zusammen mit 200 weiteren Personen bestieg er ein überfülltes Boot in Richtung Italien und geriet in einen Sturm. Die Küstenwache griff die Flüchtlinge auf und brachte sie nach Sizilien.
Von dort reiste Sipan über Rom und Mailand nach Bern zu seiner Freundin, blieb für zwei Stunden und reiste weiter nach Basel ins Empfangszentrum. Jetzt steht er auf dem Friedhof am Hörnli zwischen Grabsteinen und zupft Unkraut. In seiner Heimat arbeitete er in einem Restaurant und als Fahrer eines Geschäftsmanns. Zurück will er nicht mehr. «Es ist schön hier», sagt er in gebrochenem Englisch und zeigt über den Friedhof, «die Schweiz ist schön.»
Die Migranten setzen ihre Runde zwischen den Grabsteinen fort. Es spricht kaum jemand. Auf einem Gräberfeld steht eine Gruppe von Gärtnern. Sie sind froh um die Unterstützung und wollen wissen, woher diese Leute kommen. «Die werden zu dieser Arbeit gezwungen, stimmts?», fragt einer mit leichter Empörung. Thomas Haug klärt ihn geduldig auf.
Aber nicht alle Kantonsangestellten reagieren positiv auf die Gruppe. «Ich habe den Eindruck», sagt Haug anschliessend, «einige Gärtner reagieren misstrauisch. Vielleicht empfinden sie die Migranten als Konkurrenz.»
Nach 12 Uhr trifft sich die Gruppe zum Mittagessen. Haug lädt eine Warmhaltebox mit Teigwaren, Gemüse und Frikadellen aus dem Bus. Eine halbe Stunde Pause. Und dann packen sie noch einmal an. Jäten, Abfall sortieren, den eigenen Gedanken nachgehen, sich nützlich fühlen. Bis sie kurz vor 16 Uhr zurück ins Empfangszentrum fahren. Es bleibt ihnen dann noch eine Stunde, bis sie für die Nacht zurück im Zentrum sein müssen. Wer heute dabei war, wird die nächsten Tage kaum zu einem weiteren Arbeitseinsatz kommen. Dann sitzen sie wieder herum und warten. Es werden lange Tage.
*Alle Namen wurden geändert.