Das Geheimnis, was Dudelsack-Spielerinnen unter ihren Schottenröcken tragen, wird am Basel Tattoo 2016 nicht gelüftet. Sehr wohl wird aber die Tatsache bestätigt, dass Militär nicht nur aus Musik und Tanz besteht.
«Mit einer packenden Show von 110 Minuten, vor der historischen Kulisse der Basler Kaserne, überzeugten die rund 800 Mitwirkenden auf der ganzen Ebene. Musikalische Spitzenformationen aus vier Kontinenten, traditionelle Dudelsackklänge, Trommelkunst auf höchstem Niveau und faszinierende Choreographien begeisterten das Premierenpublikum. Das Basel Tattoo 2016 ist lanciert und macht definitiv Lust auf mehr.»
Soweit die Selbsteinschätzung der Tattoo-Macher, per Medienmitteilung verbreitet nach der Premiere vom Donnerstag. Ich war an der Vorpremiere am Mittwoch zugegen. Vielleicht liegt es daran, dass sich meine Einschätzungen mit denen der Veranstalter nicht ganz decken.
Gleich vorneweg gesagt: Das Spektakulärste an diesem Abend war das wuchtige Gewitter, das vor Vorstellungsbeginn auf die auf Einlass wartenden Zuschauer prasselte. Aber das Gewitter war ja wirklich ausgesprochen heftig, so dass es in Sachen Einschlagskraft nur sehr schwer überboten werden konnte.
«Dudelsack, Dudelsack»
Das eigentliche Spektakel auf der Arena (das ohne weitere regnerische Störung stattfinden kann) ist dann so spektakulär nicht. Ausser vielleicht die Massed Pipes and Drums – zwei Hundertschaften an Dudelsackspielern und Drummern, die den Platz beschallen. Sie werden mit einer Einspielung des Jubiläumssongs zum 25. Geburtstag des Top Secret Drum Corps angekündigt, dessen oft wiederholter Refrain in diesem Fall stimmigerweise aus den Zeilen «Dudelsack, Dudelsack – Top Secret» besteht.
Apropos Top Secret: Es marschiert auch eine stattliche Anzahl Frauen mit. Aber wie bei den männlichen Kollegen bleibt das Geheimnis, was sich unter den Schottenröcken verbirgt, auch bei den Frauen ungelüftet.
Militärische Musikdisziplin
Der Rest ist eigentlich schnell erzählt: Militärmusikformationen aus Japan, Finnland, Frankreich und Grossbritannien erfreuen die Gemüter von Liebhabern militärischer Musikdisziplin. Hier vermag allen voran die Band of Her Majesty’s Royal Marine Commando Training Centre zu überzeugen, die vom Brexit offensichtlich keinerlei Schaden davongetragen hat.
Am meisten Applaus heimsen die Formations-Schnellgeher des Nippon Sport Science University «Shudo-kodo» Marching Teams ein. Aber auch hier sticht vor allem die Präzision des Dargebotenen hervor – vor allem, wenn sich zwei Formationen im Schnellschritt im 90-Grad-Winkel kreuzen.
Ihre Schlägel kreuzen die Lokalmatadoren, die zu ihrem 25. Geburtstag in einer 40-köpfigen Grossformation aufmarschieren. Sie stellen einmal mehr unter Beweis, dass sie zurecht zu den Stars der internationalen Tattoo-Szene gehören. Auch mit der guten alten Basler Trommel, die die Musiker als Referenz auf ihre Anfangszeit wieder einmal umgeschnallt haben.
Kriegspathos im Finale
Einen eher bitteren Beigeschmack hinterlässt indes der Schluss der Premiere-Veranstaltung – namentlich der Versuch der Veranstalter, auf die aktuellen kriegerischen Konflikte und Flüchtlingsdramen einzugehen.
Angesagt ist die Uraufführung der Komposition «Feel the Beat» von Major Christoph Walter. Eingeleitet wird sie von einer sonoren Stimme aus dem Off, die die Zuschauer aus dem «wohltuenden Wir-Gefühl», das die erlebten Darbietungen offenbar ausgelöst haben sollen, rausrütteln möchte. Und während auf der Front des Kasernenhauptbaus riesige Bilder von Panzern, U-Booten, Kampfjets und Flüchtlingen erscheinen, erklärt die Stimme, dass die bewaffneten Kameraden der Musiker ihr Leben im Krieg und im Einsatz gegen den Terror aufs Spiel setzten.
Unter «Feel the Beat» habe ich eigentlich etwas anderes erwartet. Aber es stimmt ja: Militär besteht letztlich nicht nur aus Musik und Tanz.