Mittendrin: Das Klima wird rauer in Basel

Zeigt Basel tatsächlich Haltung? Und wo gibt es noch Nachholbedarf? Über solche Fragen ging es am Dienstagabend beim «Mittendrin»-Anlass zur Antirassismus-Kampagne im Rossstall der Kaserne Basel.

(Bild: Nils Fisch)

Zeigt Basel tatsächlich Haltung? Und wo gibt es noch Nachholbedarf? Über solche Fragen ging es am Dienstagabend beim «Mittendrin»-Anlass zur Antirassismus-Kampagne im Rossstall der Kaserne Basel.

Der Rossstall der Kaserne Basel füllte sich rasch am Dienstagabend. Auch bekannte Gesichter waren unter den über 60 Gästen zu sehen, so etwa die Basler Religionsbeauftragte Lilo Roost Vischer, und ganze zwei Sitzreihen waren mit Jugendlichen des «Imagine»-Komitees besetzt. All diese Menschen kamen wegen eines Themas, das Politik, Medien und vor allem die Betroffenen derzeit auf Trab hält: Fremdenfeindlichkeit.

Dieses Jahr war wie kaum ein anderes von Migrationsthemen geprägt. In diesem Kontext, aber auch im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen im Nahen Osten, nahmen fremdenfeindliche Äusserungen zu, «Wutbürger» übten sich auf anonymen Internetplattformen in antisemitischen Äusserungen. Dies hat den Kanton Ende August dazu veranlasst, eine Kampagne mit dem Titel «Basel zeigt Haltung» zum Thema Fremdenfeindlichkeit zu lancieren.

Drei Monate später – der Gaza-Krieg ist vorläufig vorbei, in wenigen Tagen wird über die Integrationsinitiative und die Ecopop-Initiative abgestimmt – wollte die TagesWoche wissen: Was bewirkt die Kampagne unter dem Strich wirklich? Und was für Bedürfnisse und Baustellen gibt es in Basel in Bezug auf Rassismusthemen?

Diese und andere Fragen wurden am Mittendrin-Event diskutiert von Paola Gallo, Geschäftsleiterin des Vereins Surprise, Thomas Kessler, Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung, Cem Lütfi Karatekin, Präsident des Dachverbandes Basler Muslimkommission, und Ronald Fried, Vizepräsident der Israelitischen Gemeinde Basel.



Vom Plakat zur Praxis: Laut Thomas Kessler sollen nächstes Jahr Politiker an die «Stammtische» sitzen, um über Rassismus zu diskutieren.

Vom Plakat zur Praxis: Laut Thomas Kessler sollen nächstes Jahr Politiker an die «Stammtische» sitzen, um über Rassismus zu diskutieren. (Bild: Nils Fisch)

Auf die konkrete Wirkung der Kampagne angesprochen, reagierte Thomas Kessler eher ausweichend: «Diese Kampagne war von Anfang an nicht als Strohfeuer gedacht, sondern als Plattform. Es geht nicht um Behördenaktivismus, die eigentliche Verbreitung der Inhalte findet dank den über 25 Allianzpartnern statt.» Er verwies wiederholt darauf, dass die Behörden des Kantons in erster Linie Dienstleister seien und nicht Interessenslobby oder politische Instanz.

Zudem sei für das kommende Jahr eine praktischere Weiterführung der Kampagne geplant, bei der Politiker sich in die «Stammkneipen» begeben würden, zu all jenen Menschen, die sich ausgeschlossen fühlen und Fremdenhass empfinden. «Diese nehmen an einem solchen Podium für gewöhnlich nicht teil und sind leider schwer erreichbar», sagte Kessler. «Genau dies wollen wir ändern. Es geht darum, dass wir wieder an einen Tisch sitzen und über diese schwierigen Themen streiten, anstatt hinterlistig und im Schutz der Halbanonymität von Internetforen zu polarisieren.»

Juden und Muslime haben ähnliche Probleme



«Plakate reichen natürlich nicht, um Vorurteilen gegenüber Muslimen zu begegnen» – Cem Lütfi Karatekin.

«Plakate reichen natürlich nicht, um Vorurteilen gegenüber Muslimen zu begegnen» – Cem Lütfi Karatekin. (Bild: Nils Fisch)

Mit polarisierenden Meinungen hat auch Cem Lütfi Karatekin als Präsident des Dachverbandes Basler Muslimkommission zu kämpfen. «Die meisten Muslime in Basel distanzieren sich von den Terroranschlägen der IS-Milizen. Trotzdem werden wir oft in eine ideologische Ecke gedrängt, das ist für uns sehr bedrückend.» Karatekin betonte, dass die Muslime in Basel einen friedlichen Teil der Gesellschaft ausmachen würden. Über die Plakataktion des Kantons würde man sich freuen, aber: «Plakate reichen natürlich nicht, um Vorurteilen gegenüber Muslimen zu begegnen.» 

Ronald Fried, Vizepräsident der Israelitischen Gemeinde Basel, kennt ähnliche Probleme. Über den Hass, der seiner Gemeinde im Kontext des Gaza-Kriegs entgegenflammte, sei er schockiert gewesen, sagte Fried. «Antisemitismus ist ein altes Thema, das bei aktuellen Gelegenheiten gerne wieder hervorgeholt wird – aber mit solch einer Aggressivität und Undifferenziertheit wie im Sommer in den Social Media waren Juden in Basel schon lange nicht mehr konfrontiert.» Diese Welle habe sich mittlerweile zum Glück weitgehend gelegt, trotzdem sei Sicherheit und Ausgrenzung ein gegenwärtiges Thema. So werde etwa die Synagoge seit mehreren Jahren professionell bewacht, um sie vor Angriffen zu schützen. Dieses Sicherheitssystem wird von der Religionsgemeinde bezahlt: «Die Behörden nehmen unser Bedürfnis nach Sicherheit zu wenig zur Kenntnis.»

Paola Gallo wünscht sich seitens Behörden und Politiker eine geschlossene Haltung auch dann, wenn keine wirtschaftlichen Interessen im Spiel sind.

Gallo fügte an, dass es zwar schön sei, wenn der Kanton bei dieser Kampagne so geschlossen gegen Fremdenfeindlichkeit auftrete – doch sei das Thema auch nicht besonders kontrovers, daher sei es einfach, eine eindeutige Haltung einzunehmen. «In diesem Fall, oder wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, ist die Haltung der Behörden und der Politik immer schön einheitlich. Die Ecopop-Initiative wurde zum Beispiel geschlossen abgelehnt, da sie die Wirtschaft gefährdet. Sobald aber wirtschaftliche Interessen nicht mehr im Vordergrund stehen, vermisse ich diese geschlossene Haltung sehr.» Als Beispiel nannte Gallo die Abstimmung über das Stimm- und Wahlrecht von Ausländern im Jahr 2010, bei der sich die Hälfte des grossen Rates dagegen aussprach.



Das Publikum zeigte sich nach wie vor enttäuscht darüber, dass Kasernen-Moschee nicht bestehen bleibt.

Das Publikum zeigte sich nach wie vor enttäuscht darüber, dass Kasernen-Moschee nicht bestehen bleibt. (Bild: Nils Fisch)

Laut Gallo ist der Mechanismus, weshalb man andere diskriminiert, immer der Gleiche, es gehe stets darum, andere zu erniedrigen, um sich selbst höher zu stellen, also Macht auszuüben. Lediglich die Zielscheibe dieser Machtausübung würde sich historisch wandeln – «mal sind es die Italiener, dann die Muslime oder die Expats.» TagesWoche-Redaktionsleiter und Moderator Dani Winter betonte abschliessend: «Egal, gegen welche Bevölkerungsgruppe sich Hass richtet, ob es die Armen oder die Reichen sind, es ist immer gleich bescheuert.»

Die Wortmeldungen aus dem Publikum im Anschluss an das Podium machten einmal mehr deutlich, wie gross die Enttäuschung in der muslimischen Gemeinde darüber ist, dass die Kasernen-Moschee nicht bestehen bleibt. Zahlreiche Zuschauer fragten nach den Gründen für diese Entscheidung und versuchten, Thomas Kessler zur Verantwortung zu ziehen. Eine neue Räumlichkeit für die Moschee sei noch nicht gefunden, sagte Kessler, der Kanton würde die Suche unterstützen, aber es sei ihm nicht erlaubt, aktiv einzugreifen, da dies einer Bevorzugung einer bestimmten Religionsgruppe gleichkäme. 

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