Eine kleine Irritation, mehr waren die Mohammed-Proteste für das amerikanisch-ägyptische Verhältnis nicht. Beide Seiten hatten ein grosses Interesse, dass der Brand schnell gelöscht wird.
Ein ägyptischer Karikaturist mahnte Mohammed Morsi, er solle nicht vergessen, auch Ägypten zu besuchen. Erst zehn Wochen im Amt, hat der neue ägyptische Präsident ein dicht gedrängtes Reiseprogramm. Am Wochenende macht er sich zum ersten Mal in die USA auf. Es ist zwar kein offizieller Staatsbesuch. Ob am Rande der UN-Generalversammlung in New York auch Gelegenheit für ein informelles Treffen mit US-Präsident Barack Obama sein wird, ist noch offen.
Die Angriffe auf die US-Botschaft in Kairo im Umfeld der Demonstrationen gegen den Mohammed-Schmähfilm kamen Washington und Kairo äusserst ungelegen. Beide Seiten versuchten, das Feuer so schnell wie möglich zu löschen, nachdem Obama aus seiner ersten Verärgerung keinen Hehl gemacht hatte, als er sagte, Ägypten sei weder ein Alliierter noch ein Feind. Die ägyptischen Behörden spielten die Bemerkung herunter, verstärkten den Schutz der US-Botschaft und liessen keine Demonstranten mehr in die Nähe.
Khairat al-Shater, der wichtigste Stratege der Muslimbrüder, schrieb einen offenen Brief an die «New York Times» in dem er betonte, dass man die amerikanische Regierung nicht für den Missbrauch der Meinungsfreiheit ihrer Bürger verantwortlich mache. Im Gegenzug dementierte die amerikanische Administration alle Berichte, die Verhandlungen über Wirtschaftshilfe seien auf Eis gelegt worden.
Grosse Wirtschaftsdelegation in Kairo
Erst vor wenigen Tagen hatte eine grosse amerikanische Wirtschaftsdelegation Kairo besucht. Die USA gehören zu den wichtigsten Investoren am Nil. Man betrachte Investitionen als Schlüsselfaktor, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, erklärte ein Delegationsmitglied den Zweck des Besuches. Die ägyptische Regierung hatte insbesondere Werbung für jene Infrastrukturprojekte gemacht, die in öffentlicher und privater Partnerschaft entstehen sollen. Washington verhandelt auch über einen Schuldenerlass in Höhe von einer Milliarde Dollar. Ganz normal ausbezahlt werden soll auch die US-Wirtschafts- und Militärhilfe, die seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Israel nach Kairo fliesst. Von der jährlichen Militärhilfe in der Höhe von 1,3 Milliarden Dollar kauft die ägyptische Armee in den USA vor allem Waffen und militärische Ausrüstung.
Wie das Verhältnis zwischen der demokratisch gewählten Führung in Kairo und den USA künftig genau aussehen wird, wird sich noch zeigen müssen. Ägypten sei kein Alliierter der USA gewesen sondern ein Anhänger, beschrieb ein Morsi-Berater das Verhältnis zu Mubaraks Zeiten. Einige Institutionen hätten den Eindruck zementiert, Ägypten sei den USA unterstellt, gestand kürzlich sogar der ehemalige ägyptische Botschafter in Washington Sameh Shukri ein. Neben mehr Augenhöhe ist ein neuer Aspekt ganz offensichtlich. In Zukunft wird die öffentliche ägyptische Meinung ein wichtiger Faktor sein, den die Regierung bei der Formulierung ihrer Amerika-Politik berücksichtigen muss. Und da bleibt der wunde Punkt die amerikanische Israel-Politik mit dem ungelösten Problem der Palästinenser. Er sorgt für ein Glaubwürdigkeitsproblem der USA in der Region.
Gegenseitiges Geben und Nehmen
Überraschend schnell hat sich die amerikanische Administration nach dem Sturz Mubaraks mit den Muslimbrüder arrangiert. Ägyptische Kommentatoren sprechen von einer eigentlichen Liebesaffäre. Washington hat sofort realisiert, dass die moderaten Islamisten auf absehbare Zeit die einzige politische Kraft sein werden, die für Stabilität im Land und in der Region sorgen kann.
Ägypten ist und bleibt ein wichtiger Pfeiler der amerikanischen Nahost-Strategie. Bis jetzt hat der ägyptische Präsident den wichtigsten amerikanischen Interessen auch nachgelebt. Einmal hält er sich an den Friedensvertrag mit Israel, auch wenn er Änderungen verlangt und hat sogar die Militäraktion auf dem Sinai mit Israel abgestimmt. Dass er die Generäle aus der Politik verdrängt hat, ist auch ein amerikanisches Credo. Dann verfolgen die Muslim-Brüder eine liberale Wirtschaftspolitik, etwa durch ihren Strategen al-Shater, dem Geschäftsmann, vom dem die Zeitschrift «Businessweek» sagt, er würde auch gut zum Wall Street Volk passen und sie arbeiten mit dem Internationalen Währungsfonds zusammen.
Die USA unterstützen die Muslimbrüder im Gegenzug weiterhin mit Wirtschafts- und Militärhilfe und sorgen damit dafür, dass die Voraussetzungen für einen Machterhalt der Islamisten gelegt werden. Dazu braucht es wirtschaftliche Erfolge und eine zufriedene Armee. Washington hat nicht einmal dagegen protestiert, dass Morsi, nachdem er die Generäle ausgebootet hat, sämtliche Macht in seinen Händen hält, was den amerikanischen Vorstellungen von Gewaltentrennung so gar nicht entspricht.