Musik für verhaltene Hip Hop-Aficionados

Oddisee spielte am Mittwochabend vor einer nicht einmal halbvollen Kaserne. Der Rapper aus Washington, DC, und seine Band gaben ein Konzert, wie es sie in diesem Genre nur noch selten gibt.

(Bild: Thierry Bruder)

Oddisee spielte am Mittwochabend vor einer nicht einmal halbvollen Kaserne. Der Rapper aus Washington, DC, und seine Band gaben ein Konzert, wie es sie in diesem Genre nur noch selten gibt.

«Is this a hip hop-party or a wine tasting?»

fragt Oddisee zu recht. Die Zuschauer in der Kaserne sind am Mittwochabend am Konzert des Rappers aus Washington, DC, noch etwas reserviert. Es ist ja auch kalt draussen. Er nimmt die gutschweizerische Zurückhaltung mit Humor, «take a few more sips».

Oddisee befindet sich in Begleitung einer Live-Band. «Good Company», das sind fünf Musiker mit grossen Bärten und grossem Können. Der Keyboarder gibt Tanzeinlagen mit beeindruckender körperlicher Elastizität zum Besten. Der Schlagzeuger versetzt mit seinen Soli noch den hartgesottensten Poser in Schwingung, und der Gitarrist hat eine Stimme wie frisch aus dem Soul-Archiv.

«Let’s do this, Boys!»

Gleich mit dem ersten Lied stellen Band und Rapper klar, dass heute nicht mit einem konventionellen Rapkonzert zu rechnen ist: «I march to the beat of a different drum.» Und tatsächlich sind Auftritte dieser Qualität im Genre selten geworden. Oddisees Rapkönnen ist aussergewöhnlich. Er kann leise, er kann laut. Er kann smooth, er kann doubletime. Er trifft den Takt, und seine Stimme schmiegt sich an die Melodie wie die Skinny-Jeans an seine Beine. Vergleichen könnte man ihn mit Mos Def, mit Talib Kweli und Common.

Oddisee ist nicht nur Rapper, er ist auch Produzent. Das merkt man. Zum Beispiel wenn er sich sichtbar über einzelne Samples freut oder einen Basslauf bejubelt. Die Musik ist Hip Hop bei den Bässen, ist Jazz, Soul und Blues bei den Melodien. Das passt zum Publikum, es sind die Connaisseure, die sich eingefunden haben. Ihre Begeisterung über Oddisee bringen sie mit einem distinguierten Kopfnicken zum Ausdruck. Ausgelassen getanzt wird kaum, schliesslich drohte sonst der Wein auszuschütten.

Die kultiviert gelassene Atmosphäre hängt aber wohl auch damit zusammen, dass Hip Hop live gespielt fast nie so richtig pumpt. Rap ist Präzision in Reimform, die unmittelbare Wucht eines Livesets korrespondiert selten dazu. Hinzu kommt, dass die Musik schlecht abgemischt ist. Je nachdem, wo im Raum man steht, hört man mal die Gitarre nicht und gehen mal die Textzeilen im Gewummer unter. Fast nach jedem Lied verständigt sich die Band mit dem Mann am Mischpult. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass Oddisee und seine Kumpane wohl Musiknerds und ausgesprochen pedantisch sind.

Apropos Nerd: Oddisee ist wohl am einfachsten als solcher zu beschreiben. Fast scheu rappt er zu Beginn seine Zeilen, taut dann aber auf. Scheu ist schliesslich auch das Publikum. Fern von Macho-Rethorik sind seine Texte, oft politisch, etwa in «American Greed». Während seine Genre-Kollegen gerne rumposen oder sich mit grosser Entourage aus Backup-Rappern umgeben, rückt Oddisee höchstens die Brille zurecht und feiert seine Band.

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