76 Verletzte hat der Sturm vom Donnerstag am Eidgenössischen Turnfest in Biel gefordert. Es bleibt die Frage, ob das Festgelände nicht hätte frühzeitig evakuiert werden sollen. Die Kantonspolizei hat Ermittlungen aufgenommen. Währenddessen versuchen die Organisatoren, den Betrieb so gut als möglich weiterlaufen zu lassen.
Der junge Mann schläft tief und fest auf der Sitzbank am Bieler Bahnhof – in dreckigen Schuhen und der Uniform des Zivilschutzes. Er hat den Kampf gegen die Müdigkeit aufgegeben. Die ganze Nacht von Donnerstag auf Freitag hat er zusammen mit 500 anderen Helfern die Schäden an den Wettkampfstätten des Eidgenössischen Turnfestes in Biel (ETF) repariert. Es sind die Folgen des Sturms vom frühen Donnerstagabend.
Doch das Turnfest, das bereits am Eröffnungstag von einem Sturm heimgesucht worden war, hat bei Weitem nicht nur Sachschäden zu beklagen. Gemäss der Kantonspolizei Bern mussten 76 Personen in medizinische Behandlung, 15 sind noch immer im Spital und zwei von ihnen, ein Mann und eine Frau, sind schwer verletzt worden.
Verletzt durch herumfliegende Infrastruktur
Verletzt wurden die Personen wohl grösstenteils von herumfliegender Infrastruktur: Zelte, Toilettenanlagen und ähnliches. Die temporären Bauten seien korrekt aufgestellt und von der Sicherheitsinspektion gutgeheissen worden, sagt Franklin Cooper, Verantwortlicher für Sicherheitsfragen beim Turnfest. Dass aber bei einem derart heftigen Sturm Gegenstände vom Winde verweht werden, sei klar: «Wir können nicht jede Toitoi-Toilette einbetonieren.»
Der Moment, in dem das grosse Zelt weggeblasen wird (Video: SRF).
Die Verantwortlichen um ETF-Direktor Fränk Hofer wussten bereits seit Mittwoch, dass an der Wetterfront Ungemach drohen könnte: Meteoschweiz hatte die Gefahrenstufe 3 ausgerufen, was «erhebliche Gefahr» bedeutet. Konkret lautete die Prognose, dass am Donnerstag ein Unwetter in der Region auftreten könnte.
Die Verantwortlichen wollten nicht präventiv evakuieren
«Wir hätten also bereits dann ein erstes Mal evakuieren können», sagt Hofer. Aufgrund einer Prognose allerdings das ganze Gelände mit 15’000 Personen zu evakuieren, erachteten die Verantwortlichen nicht als angebracht – zumal während des ganzen Tages schönstes Wetter herrschte.
«Wir konnten die Leute bei der herrschenden Wetterlage nicht aufs Blaue hinaus evakuieren. Kommt hinzu, dass der Raum Biel dabei aufgrund der Personenmassen wohl explodiert wäre. Damit wären wir allenfalls gar ein grösseres Risiko eingegangen», erklärt Hofer.
Wurde zu spät evakuiert?
Im Nachhinein stellt sich trotzdem die Frage, ob der Befehl zur Evakuierung nicht zu spät erfolgt ist. Für Hofer nicht einfach zu beantworten: «Mit dem jetzigen Wissensstand würde ich früher evakuieren lassen, ja. Beim gestrigen Stand des Wissens erfolgte die Evakuierung jedoch zum richtigen Zeitpunkt.»
Der Direktor sagt dies im Wissen, dass «Haftungsfragen auf uns zukommen werden». Die Kantonspolizei Bern hat inzwischen «Ermittlungen aufgenommen, um die genauen Umstände der Ereignisse zu klären», wie es in der Medienmitteilung der Polizei heisst.
Warum wurde weiter gefeiert?
Weiter stellt sich die Frage, warum die festlichen Aktivitäten später am Abend nicht unterbrochen wurden, obschon bekannt war, dass es viele Verletzte gegeben hatte. Hofer sagt dazu, alle Anwesenden seien zum Turnen und Festen nach Biel gekommen: «Was anderes als das hätten die Leute denn tun sollen an diesem Abend? Wichtig erschien uns, dass diese positive Energie erhalten bleibt.» So entschieden sich die Verantwortlichen, das Abendgeschehen so planmässig wie möglich durchzuführen.
Während die Gäste feierten, sei die Stimmung unter den Helfern während der nächtlichen Aufräumarbeiten unglaublich solidarisch gewesen, sagt Hofer: «Alle haben sich kooperativ verhalten und in ihren Bemühungen eine Einheit gebildet.»
Die sportlichen Wettkämpfe, die wegen des Sturms ausgefallen sind, sollen am Sonntag nachgeholt werden.