Griechenlands Premier Alexis Tsipras steht vor Riesenproblemen: Er muss zwischen den Wünschen des Volkes und den Sparforderungen der EU lavieren. Scheitert er, dann droht der Aufstieg der Neofaschisten der «Goldenen Morgenröte».
Vor den Parlamentswahlen war in Griechenland viel davon die Rede, dass das Volk sein Schicksal selbst bestimmen und je nach Wahl das Land in den Abgrund oder in eine bessere Zukunft führen könne. Jetzt, da die Resultate vorliegen und die ersten Schritte der Sieger bekannt sind, kann man sich fragen: Hat das Volk richtig entschieden?
Die Bürgerinnen und Bürger haben erwartungsgemäss unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Sitzzahlen ausgestattet. Dabei ist das Linksbündnis Syriza als stärkste Kraft (36,3 Prozent) hervorgegangen. Die alten Regierungsparteien Nea Demokratia und Pasok dagegen hat das Volk in die Wüste geschickt.
Dass diesem Klüngel die Unterstützung entzogen und damit eine Abkehr von der traditionellen Vetterliwirtschaft eingeleitet wurde, ist das Erfreuliche dieser Wahl. Erfreulich ist auch, dass damit ebenfalls eine klare Absage an die reaktionäre Kirche verbunden ist.
Diese Wende hätte eigentlich schon bei den letzten Wahlen vom Mai/Juni 2012 eingeläutet werden müssen – wurde aber knapp verfehlt. Mussten die Dinge zuerst reifen?
Gefährliche Partner
Nach den ersten politischen Schritten des Siegers kann man noch nicht sagen, ob die Absage an die alte Machtelite und die Hinwendung zu neuen Kräften zusammen ein gutes Ja ergeben. Das eher lockere Linksbündnis vereinigt unterschiedliche Tendenzen und ist ausgerechnet auf eine rechtspopulistische und ausländerfeindliche Kleinpartei – die «Unabhängigen Griechen» (4,8 Prozent) – als Regierungspartner angewiesen.
Die moderate linksliberale und europafreundliche «Potami»-Partei (6,1 Prozent) liess sich leider nicht ins Boot holen. Die abgeschlossene Koalition hat neben Differenzen die antieuropäische Rhetorik und den Populismus als gemeinsame Basis.
Der neue Mächtige im Land, Alexis Tsipras, steht zwischen Hammer und Amboss. Er muss nun geschickt zwischen Volkswille und Finanzzwängen lavieren. Mit dem Volksvotum gegen den europäischen Spar- und Reformkurs ist die harte Tatsache, dass das Land finanziell total von den EU-Geberländern abhängig ist, nicht vom Tisch. Und gegen die Verweigerung, Zinsen für alte Schulden zu bezahlen, spricht schon der einfache Umstand, dass Griechenland bald auf neue Kredite angewiesen ist.
Auch die anderen EU-Länder haben das «Volk» im Nacken – und dieses könnte sich gegen die Finanzierung Griechenlands wehren.
Die Troika-Geldgeber (Europäische Zentralbank, EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds) haben sich zwar gesprächsbereit gezeigt, halten aber an den bisherigen Vereinbarungen fest. Zum einen will man nicht andere Schuldner – man denkt da zuerst an Spanien – ermuntern, es Griechenland gleich zu tun.
Zum anderen haben auch die anderen EU-Länder das «Volk» im Nacken, das der Meinung sein könnte, dass schon genug für Griechenlands weitgehend selbstverschuldete Misere getan worden ist. Am ehesten wird man über Fristerstreckungen und Zinssätze eine Einigung finden können. Zudem ist man hüben wie drüben der Meinung, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll.
Ohne Kompromisse gehts nicht
Angesichts der Kräfteverhältnisse wird die griechische Seite den längeren Weg für einen allfälligen Kompromiss zurücklegen müssen. Der begabte und charismatische Alexis Tsipras muss nun auf Worte rasch Taten folgen lassen, und wie in einem antiken Drama wird er von übermenschlichen Aufgaben geprüft werden und sein Schicksal meistern müssen.
Denn Tsipras hat sich mit seinen hohen Versprechungen ein Mandat geben lassen, das nur schwer zu erfüllen ist. Und wenn er die geweckten Erwartungen nicht erfüllen kann? Meist führt soziales Elend zu einer Stärkung der Rechten. Dieses Mal ist es anders – nach links – gelaufen. Im Hintergrund warten aber bereits die Neofaschisten unter dem Namen «Goldene Morgenröte». Sie haben in dieser Wahl immerhin 6,3 Prozent der Stimmen erhalten.