Nährboden für Basels Kultur trocknet aus

Als erstes trifft es die, die am wenigsten damit zu tun haben. Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative bringt der Schweiz erste Nachteile. Kulturinstitutionen Basels werden von den Fördertöpfen Europas ausgeschlossen. Erste Projekte wurden bereits gestrichen.

Erste Benachteiligte der Masseneinwanderungsinitiative. Verschiedenen Kulturinstitutionen und der Uni werden wichtige Vernetzungen gekappt. (Bild: Nils Fisch)

Die Annahme der Zuwanderungsinitiative bringt Forscher und Kulturschaffende in Bedrängnis. Einige EU-Förderprogramme fallen flach.

«Creative Europe»: Kultur braucht Vernetzung

Internationale Zusammenarbeit ist im Kulturbereich sehr wichtig. Heimische Kultur bleibt durch ausländische Einflüsse lebhaft. Kultureller Austausch fördert die Kreativität, kostet aber auch eine Menge Geld. Dafür wurde auf europäischer Ebene das Kulturförderungsprogramm «Creative Europe» geschaffen.

Dieses Programm vereint die Förderung von Kino, Fernsehen, Musik, Literatur, Theater und weiteren Bereichen. Es verfügt über ein Budget von 146 Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre. Die Schweiz war bisher nicht Mitglied dieses Programms, Kulturförderer bemühten sich aber um den Beitritt. Die Hoffnungen auf die Gelder und Kooperationen, die dadurch ermöglicht worden wären, starben abrupt. Mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative rissen die bereits vorangeschrittenen Verhandlungen zum Beitritt ab. Schweizer Kulturschaffende sind deshalb in Zukunft nicht nur vom pauschalen Kulturfördertopf der EU ausgeschlossen, auch die Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden Europas erschwert sich. Dies sei fatal, weil kooperative Projekte, die schwer zu fördern sind, praktisch nur gemeinsam, grenzüberschreitend finanzierbar sind, sagt Philippe Bischof, Leiter Abteilung Kultur Basel-Stadt.

Immerhin bleiben etablierte Kulturinstitutionen wie die grossen Museen oder das Theater verschont, zumindest was Fördergelder aus Europa angeht. Doch es sind die kleinen, selbstständigen Unternehmen, die nun bangen müssen. «Es ist auch einfach von der Mentalität her schrecklich, wenn man die Schweiz am liebsten von der Aussenwelt abschneidet und sich dabei vom Ausland isoliert», findet Bischof.

Kaserne: Klotz am Bein der Partner



Die Kaserne wollte «funktionierendes Rädchen am Wagen» von Europas Kulturschaffenden sein, kein «Klotz am Bein». (Foto: Nils Fisch)

Die Kaserne wollte «funktionierendes Rädchen am Wagen» von Europas Kulturschaffenden sein, kein «Klotz am Bein». (Foto: Nils Fisch) (Bild: Nils Fisch)

Konzerte, Theater, Tanz und Performances – der frühere militärische Ausbildungsort gehört heute zu den grössten Basler Kulturinstitutionen. Das breite Veranstaltungsangebot stellt die Kaserne über diverse Förderprogramme und Drittmittel auf die Beine. Sie wird von den Kantonen Basel-Stadt und Baselland unterstützt und ist Mitglied beim europäischen mulitlatera-len Förderungsprojekt «Second Cities – Performing Cities», das diesen Juni mit einer Abschlusswoche in Basel auslaufen wird.

Die Kaserne ist hier als Drittlandinstitution abhängig von mehreren vollwertigen Partnern. Sie muss alle Gelder über den Leading Partner «Hellerau– Europäisches Zentrum der Künste» abrechnen, was für beide Partner einen enormen bürokratischen Aufwand bedeutet. Eine Mitgliedschaft bei «Creative Europe» wäre deshalb für die Kaserne und für die anderen Partner von grosser Bedeutung gewesen. Gegenüber dem deutschen Onlinemagazin «nachtkritik.de» erklärt Carena Schlewitt, künstlerische Leiterin der Kaserne Basel, man habe sich erhofft, im Rahmen von «Creative Europe» künftig als vollwertiges Mitglied in ein Netzwerk eintreten zu können. Schlewitt findet den aktuellen Zustand unbefriedigend. Man fühle sich ein bisschen wie ein «Klotz am Bein» seiner EU- Partner. Sie wäre lieber ein «funktionierendes Rad am Wagen».

Weil eine vollwertige Mitgliedschaft der Kaserne bei «Creative Europe» vorerst flachfällt, wird dieZusammenarbeit weiterhin als Drittlandinstitution erfolgen und schwierig bleiben. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Kaserne weiterhin informelle Verbindungen mit europäischen Kulturschaffenden aufbaut, Kooperationen fest-legt und den internationalen Austausch pflegt.

Kultkino: Ist der Ausbau gefährdet?



Das kult.kino will an der Theaterpassage ausbauen. Ob das mit dem Wegfall der EU-Gelder noch geht?

Das kult.kino will an der Theaterpassage ausbauen. Ob das mit dem Wegfall der EU-Gelder noch geht?

Das Kino, in dem man sich Filme abseits des Hollywood-Mainstreams anschauen kann, finanzierte sich bisher zum Teil über das EU-Filmförderprogramm «Media». Das Programm zur Unterstützung von europäischen Filmschaffenden und Filmverleihern unterstützt deren Vernetzung und trägt dazu bei, dass Filme ausserhalb ihres Herstellungslandes gezeigt werden können.

Europäische Independentfilme und Autorenproduktionen bringen weniger Besucher in die Kinos als Hollywood-Blockbuster. Doch Kinoenthusiasten schätzen das Kultkino gerade dafür, dass es solche Filme zeigt und eine Alternative zu den Multiplexkinos bietet. Das Kultkino ist mit drei Ablegern über ganz Basel verteilt. Die Präsenz der Kultkinos am Standort des «Atelier» in der Theaterpassage soll bald grösser werden. Die Basler Regierung wünscht sich ein «Kino-Miniplex mit fünf Sälen». Das Kultkino übernimmt dort den Barbetrieb und erhält zwei neue Kinosäle. Die Kosten für die Bauarbeiten übernimmt teilweise der Kanton Basel-Stadt. Die kult.kino AG beteiligt sich mit 1,2 Millionen Franken am Bau.

Happige Kosten für den kleinen Betreiber: Der Wegfall der «Media»-Gelder könnte auch deswegen schlecht zu verkraften sein. Denn «Media» wird nun ein Bestandteil des Pauschalförderprogramms «Creative Europe». Institutionen wie das Kultkino werden nicht mehr ausschliesslich daran teilnehmen können, sondern müssen sich dem Pauschalprogramm anschliessen. Deshalb wäre es für das Kultkino unabdingbar gewesen, dem EU-Förderprogramm «Creative Europe» beitreten zu können. Nun muss das Kultkino ohne Gelder aus Europa auskommen. 30 000 bis 50 000 Franken werden jährlich fehlen. Wie sich der Wegfall an Geldern aus Europa in der Bandbreite der aufgeführten Filme zeigen wird, weiss Roman Weiss vom Kultkino Basel noch nicht. Auch ob eine andere Förderinstitution einspringen wird, blieb bis zum Redaktionsschluss unklar.

Haus für elektronische Künste: Nun fehlt der Austausch



Musste schon erste Projekte streichen: Das Haus der Elektronischen Künste

Musste schon erste Projekte streichen: Das Haus der Elektronischen Künste (Bild: Nils Fisch)

Das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) hatte eine grosse Forschungskollaboration mit der Bauhaus-Universität Weimar geplant. Länderübergreifend sollte über neue Öffentlichkeiten für Medienkunst in der postmedialen Zeit geforscht werden. Das HeK bietet als zentrale Institution für Medienkunst in der Schweiz auf dem Dreispitzareal Einblicke in mediale Kunstproduktionen und setzt sich mit Kunst im Spannungsfeld von Medien und Technologie auseinander.

Die 2011 gegründete Institution veranstaltet Ausstellungen, Performances und Festivals. Das HeK ist ausgesprochen international orientiert und geht seit Bestehen sehr viele Kooperationen mit ausländischen Partnern ein. Doch die aktuell geplanten Forschungszusammenarbeiten mit den Partnern aus Deutschland und Osteuropa kommen nun nicht zustande. Grund dafür ist, dass das HeK und die Schweizer Medienkunstszene nicht am Förderprogramm «Creative Europe» teilnehmen können. Mit dem Geld, das nun fehlt, fällt auch die Kooperation mit Weimar weg.

«Dies ist für das HeK und die Schweizer Medienkunstszene ein grosser Verlust, denn jedes Land hat spezifische Strukturen und Szenen. Der internationale Vergleich wäre für die eigene Arbeit vor Ort sehr interessant gewesen. Jetzt fehlt dieser Austausch», hadert Direktorin Sabine Himmelsbach. Auch die Bauhaus-Universität Weimar bedauert die entfallende Zusammenarbeit und wird nun mit anderen Partnern ohne Restriktionen kollaborieren.

Erasmus+ und Horizon 2020: «Wir schliessen uns selber ein»



Die Universität Basel will weiterhin mit ihren Partneruniversitäten Europas vernetzt bleiben. Forschung und Studentenaustausch hängen davon ab.

Die Universität Basel will weiterhin mit ihren Partneruniversitäten Europas vernetzt bleiben. Forschung und Studentenaustausch hängen davon ab. (Bild: Christian Flierl)

Die erste Hiobsbotschaft traf die Unis. Seit der Abstimmung ist unklar, ob Schweizer Studenten auch in Zukunft noch im Ausland Gastsemester absolvieren können. «In den meisten Fällen wird es am Schluss schon irgendwie klappen», hofft Gérald Zimmermann, Mobilitätsleiter der Universität Basel. Doch mühsamer und bürokratischer wird es auf jeden Fall.

Es ist irgendwie ironisch: «Durch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative schliessen wir nicht nur andere aus, sondern in erster Linie uns ein», bemerkte Corina Leibundgut von der Fachhochschule Nordwestschweiz kürzlich in einer Umfrage der TagesWoche über das Erasmus-Debakel. Auch als Forschungsstandort büsst die Schweiz wohl an Bedeutung ein. Horizon 2020, das Forschungsförderungsprogramm der EU, bleibt für Schweizer Forschungsinstitute versiegelt, dadurch müssen rund 42 Millionen Schweizer Franken (für die Jahre 2013 und 2014) andernorts gefunden werden.

Der Bund und Stiftungen sollen dabei helfen. Die Reputation der Schweizer Unis als Durchführungsstandort von internationalen Forschungsprojekten geht in den meisten Fällen verloren. «Diese Kriterien fliessen längst in die Beurteilung der Qualität einer Hochschule ein. Wenn diese nun eingeschränkt werden, fliessen Investitionen woanders hin.»

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