In einem Punkt sind sich fast alle einig: Der konsequente Ausbau von Tagesstruktur-Plätzen in Schulen und Kindergärten wird als vorbildlich taxiert. Zumindest, was die Anzahl der Plätze und die Qualität des Angebots angeht.
Gar nicht einig ist man sich in der Frage, ob das Angebot während der Schulferienzeit ausreicht. Regierung und Parlament mussten sich in den vergangenen fünf Jahren wiederholt mit dem Problem vieler erwerbstätiger Eltern auseinandersetzen, die nicht wissen, wo und wie sie ihre Kinder in den früher 13 und heute 14 Ferienwochen unterbringen und betreuen lassen können.
Die Regierung findet, dass das heutige Angebot im Prinzip ausreicht. Zumindest fand sie das in ihren Schreiben zu nicht weniger als vier Vorstössen und einer Petition in den vergangenen sieben Jahren. Das magistrale Zauberwort lautete zuletzt «Binggis-Tagesferien» – dies als Zusatzangebot zum Tagesferienprogramm für ältere Kinder. Das Erziehungsdepartement hat die «Binggis-Tagesferien» im Sommer 2015 als Pilotprojekt getestet und für gut befunden.
Nur wenige Kinder nahmen das Angebot in Anspruch
Gemeint ist damit das Tagesferienangebot für Kindergartenkinder während fünf der sechs Sommerferienwochen an zwei Tagesstruktur-Standorten. Ein durchschlagender Erfolg war dieses Angebot allerdings nicht: Nur gerade 24 Kinder liessen sich betreuen. Gründe für die marginale Nachfrage wurden einige genannt: Einige bemängelten, dass kleine Kinder durch die aktionsgeladenen Angebote in ungewohnter Umgebung überfordert sein könnten, andere stiessen sich an der Mindestanwesenheitszeit von vier Tagen pro Woche.
Der Grosse Rat und die Petitionskommission blieben also skeptisch. Das zeigt sich in der Tatsache, dass sich der Rat auf Antrag seiner Kommission zum Beispiel zweimal weigerte, eine entsprechende Petition mit dem Titel «Für mehr Qualität, Transparenz und Bedarfsgerechtigkeit in der Basler Kinderbetreuung» als erledigt zu erklären, wie dies die Regierung beantragt hatte.
Aber dennoch höhlte der stete Tropfen den Stein schliesslich. Drei der vier Vorstösse, je einer von der SP, vom Grünen Bündnis und von der CVP, wurden nach mehreren Anläufen schliesslich als erledigt abgeschrieben. Ebenso die oben erwähnte Petition.
Die Basler Regierung wird sich aber nicht zurücklehnen können:
- Der 2015 eingereichte Anzug von SP-Grossrätin Franziska Roth «betreffend bedarfsgerechten Tagesferien und bedarfsgerechten Tagesstrukturen für die jüngsten Kinder» ist noch nicht abgeschrieben worden.
- Im Juni 2017 doppelte ihr Fraktionskollege Kaspar Sutter mit einer Motion «betreffend familiengerechte Ferienbetreuung in den Tagesstrukturen» nach. Sie steht auf der Traktandenliste der Grossratssitzungen vom 13. und 20. September.
- Heute Dienstag, 12. September, wird im Rathaus eine Petition mit dem Titel «Ferienbetreuung durch die Tagesstrukturen» eingereicht – auf den Tag genau fünf Jahre nach der inzwischen abgeschriebenen Vorgängerpetition.
Alle drei erwähnten Vorstösse bemängeln, dass das heutige Angebot von Tagesferien «vollkommen ungenügend» (Zitat Motion Sutter) sei. Tatsächlich hat sich die Situation für arbeitstätige Eltern seit der Behandlung der vergangenen und inzwischen abgeschriebenen Vorstössen zugespitzt. Dies, weil die Anzahl der Schulferienwochen wegen der zusätzlichen Woche nach Weihnachten inzwischen von 13 auf 14 angestiegen ist.
Angebot in den bestehenden Tagesstrukturen
Sowohl die neue Petition als auch die Motion fordern ein «bezahlbares» und «flexibles» Betreuungsangebot in den vorhandenen Tagesstrukturen in den Schulhäusern und Kindergärten. In der Petition ist davon die Rede, dass «zumindest eine Tagesstruktur pro Quartier» geöffnet sein soll. Die Motion geht nicht ganz so weit: Ab Schuljahr 2019/20 sollen in jedem der drei Basler Schulkreise mindestens ein Angebot, ab 2021/22 zwei Tagesstruktur-Standorte ganztätig zur Verfügung stehen.
Das Angebot soll mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertagen während der gesamten Ferienzeit gelten. Heute beschränken sich die als unausgegoren empfundenen Tagesferienangebote auf elf Ferienwochen für Schulkinder und auf fünf für Kindergartenkinder.
Neuauflage einer alten Diskussion
Die Chancen, dass der Grosse Rat die Motion Sutter an die Regierung überweisen wird, stehen gut. Denn sein Vorstoss wurde nicht nur von Vertretern aus dem links-grünen Spektrum unterzeichnet, sondern auch von Grossräten der FDP, CVP und den Grünliberalen.
Die Regierung hat zur Motion Sutter noch nicht Stellung genommen. Bei ihren Antworten auf die vergangenen Vorstösse hatte sich die Exekutive jeweils auf den Standpunkt gestellt, dass der Aufwand für ein ausgedehntes Angebot in den Tagesstrukturen zu gross wäre. «Das Angebot wäre auf jeden Fall viel teurer als Tagesferien», schrieb die Regierung 2014 in ihrem Bericht zur Petition aus dem Jahr 2012. Die Begründung: Weil in den Ferien keine Schulstunden stattfinden, müssten zusätzliche Betreuungspersonen aufgeboten werden, um die gesamte schulfreie Zeit auszufüllen.
Damals war Christoph Eymann der verantwortliche Vorsteher des Erziehungsdepartements. Mit den neuen Vorstössen wird sich sein Nachfolger und Parteikollege Conradin Cramer befassen müssen. Man darf gespannt sein, ob der neue, allerdings noch kinderlose Departementsvorsteher mehr Verständnis für die Ferienprobleme arbeitstätiger Eltern aufbringen wird.