Die Regierung säubert die Stadt. Auf der Strecke bleiben Kulturveranstalter, die kaum noch für ihre Anlässe werben können.
Basel putzt sich heraus. Sprayschäden an Hausfassaden entfernt der Kanton im Rahmen des Projekts «Welcome» zu einem kleinen Selbstbehalt, Kleber an Schildern und Regenablaufrohren lässt er mühsam wegkratzen. Seit knapp zwei Jahren toleriert die Verwaltung auch keine wilden Plakate mehr. Veranstalter, die ihre Plakate trotzdem an unerlaubten Standorten anbringen, können seither mit bis zu 10 000 Franken gebüsst werden. Massnahmen, damit der Ersteindruck Basels bei Neuzuzügern und Touristen stimmt.
Die Rechnung der Regierung geht auf: Das Stadtbild ist ordentlicher geworden. Dies jedoch auf Kosten der Kulturveranstalter. Ihnen fehlt es an Werbeflächen, um auf ihre Anlässe aufmerksam zu machen. Zwar hat die Regierung im selben Atemzug das Plakatieren an öffentlichen Baustellen ermöglicht, doch diese paar Orte befinden sich oft abseits der Fussgängerströme.
Verschärft wird die Situation jetzt auch noch durch das Bau- und Gastgewerbeinspektorat. Das Amt verlangt, dass für Plakatrahmen an privaten Fassaden in der Innenstadt nachträglich eine Baubewilligung eingeholt wird. Es schrieb jene Hausbesitzer an, die ihre Fassaden der Werbefirma Kulturbox vermietet haben. Viele von ihnen haben inzwischen kalte Füsse bekommen und die Erlaubnis zum Plakatieren wieder zurückgezogen.
Mehr Anfragen als Plakatstellen
Mike Beuttner, Geschäftsführer von Kulturbox, ist denn auch alles andere als zufrieden mit dem jetzigen Angebot an Plakatstellen. «Wir haben mehr Anfragen von Kulturveranstaltern als Plakatstellen zur Verfügung. Wenn jemand an 100 Stellen präsent sein möchte, können wir nur 20 anbieten. Wir müssen regelmässig Absagen erteilen.» Zudem habe die BVB Anfang Jahr ihren Preis für Plakate an den Verteilkästen von 120 auf 225 Franken fast verdoppelt. Der Schweizer Durchschnitt beträgt gemäss Beuttner 28 bis 45 Franken pro Verteilkasten und Jahr.
Zu schaffen macht der Zustand auch Thomas Keller, Geschäftsführer der Kaserne Basel: «Wir spüren seit anderthalb Jahren, dass wir an gewissen Veranstaltungen deshalb weniger Gäste haben. Weniger Passanten werden auf diverse Veranstaltungen aufmerksam.» Zum Glück sei die Kaserne ein grosser Veranstalter und deswegen in den Medien präsent. Doch für kleinere Betriebe sei die Situation schwierig geworden, sie seien stärker auf kleine Plakatflächen angewiesen, sagt Keller.
Die Mitglieder des Vereins Kultur & Gastronomie, dem auch die Kaserne angehört, haben sich gemeinsam mit Kulturstadt Jetzt organisiert. Sie fordern, dass es in Basel-Stadt für Kulturveranstaltungen genügend sichtbare Plakatstellen in der Innenstadt gibt. Geht es nach Patrik Aellig von Kulturstadt Jetzt, sollen es rund 1500 A2-Plakatstellen sein. Vorbild ist Zürich. Dort werden den Veranstaltern zahlreiche Säulen zur Verfügung gestellt. «Zürich ist uns weit voraus», sagt Aellig, «in Basel ist das Kulturleben leider kaum mehr sichtbar.» Und es sei nun mal nicht so, dass heute alles übers Internet laufe.
Ein Wahlkampfthema
Seit Anfang 2011 verhandeln die Veranstalter und Kulturstadt Jetzt mit der Verwaltung, um den akuten Mangel zu beheben. Geschehen ist allerdings nichts. «Wir warten seit Langem auf ein Grundsatzbekenntnis der Regierung. Wir befinden uns aber offensichtlich weit unten in der Prioritätenliste», sagt Aellig. Sauberkeit und Ordnung seien der Regierung wohl wichtiger.
Dass Handlungsbedarf besteht, findet auch Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement von Guy Morin: «Wir sind uns seitens der Verwaltung bewusst, dass im Bereich des Plakatierens für die Kulturveranstalter ein Engpass besteht.» Man bemühe sich ernsthaft, die Lage zu verbessern, sagt er.
Laut Niklaus Hofmann, Leiter der Allmendverwaltung, ist ein Konzept für die Kleinplakatierung in Bearbeitung. Details will er nicht verraten, nur so viel: «Wir wollen der Regierung diesen Herbst einen entsprechenden Vorschlag dazu unterbreiten. Weil es nicht einfach ist, so viele zusätzliche Plakatstellen zur Verfügung zu stellen, braucht es zuerst einen Grundsatzentscheid der Regierung.»
Kulturstadt Jetzt reichen diese Bekenntnisse nicht. «Goodwill alleine bringt uns nicht weiter», sagt Aellig. Und deshalb erstaunt es nicht, dass der Verein die fehlenden Plakatstellen einfordert und diese jetzt zum Wahlkampfthema macht.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.09.12