Der VII. Amerika-Gipfel, der am Wochenende in Panama-Stadt zu Ende ging, wird als großer Versöhnungsgipfel in die Geschichtsbücher eingehen, auf dem die USA und Kuba ihre mehr als 50 Jahre andauernde Feindschaft begraben haben. Darüber hinaus gab es wenig Konkretes.
Zwar eskalierte die Auseinandersetzung zwischen den USA und Venezuela nicht weiter, die versammelten Staats- und Regierungschefs der Region konnten sich aber auch nicht auf ein gemeinsames Schlussdokument einigen. Doch der Zwist wurde überstrahlt von dem historischen Treffen zwischen Raúl Castro und Barack Obama. Die Präsidenten Kubas und der USA kamen am Samstag zu einem knapp anderthalbstündigen Gespräch unter vier Augen zusammen.
«Wir sind nun in der Lage, den Weg in die Zukunft zu beschreiten», sagte Obama. Raúl Castro wiederholte sein Angebot, über jedes Thema zu diskutieren, inklusive Menschenrechte, forderte aber auch Geduld. Er würdigte die Ankündigung Obamas, in Kürze über Kubas Verbleib auf der US-Terrorliste zu entscheiden als positiv. Kurz vor Gipfelbeginn war bekannt geworden, dass das US-Aussenministerium seine Prüfung abgeschlossen und die Empfehlung ausgesprochen hatte, Kuba von der Liste der Terror unterstützenden Staaten zu streichen. Auf der befinden sich neben der Karibikinsel nur Iran, Syrien und Sudan. Er wolle zunächst die Einschätzung des State Departments in Ruhe lesen, bevor er öffentlich eine Entscheidung bekannt gebe, so Obama.
Beide Seiten bekräftigten erneut, diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen, einen Termin für die angestrebten Botschaftseröffnungen nannten sie aber nicht. Es werde zeitnah eine weitere Verhandlungsrunde dazu geben, kündigte Kubas Aussenminister Bruno Rodríguez gegenüber der Presse an. Man sei übereingekommen, auf Gebieten gemeinsamen Interesses, wie der Bekämpfung von Drogenhandel oder Terrorismus, die Zusammenarbeit zu vertiefen.
Neue Töne zwischen den früheren Erzfeinden
Wirklich neu ist das alles nicht; im Grossen und Ganzen sind das die Ankündigungen, die bereits nach dem 17. Dezember gemacht wurden. Was sich aber geändert hat ist der Ton.
Ein selbstbewusster und gelöster Obama lobte auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Begegnung mit Castro die «offene und fruchtbare» Unterhaltung, ging jedoch nicht auf inhaltliche Details ein. Man sei in der Lage, ehrlich und respektvoll über die jeweiligen Meinungsverschiedenheiten zu sprechen. «Wir arbeiten nicht an einem Regimewechsel», Kuba stelle keine Bedrohung für die Sicherheit der USA dar, so Obama. «Meine Botschaft lautet: Der Kalte Krieg ist vorbei.» Bereits tags zuvor bei einem Auftritt vor dem parallel zum Gipfel ausgetragenen Forum der Zivilgesellschaft hatte Obama gesagt: «Die Zeiten, in denen sich die USA ungestraft in die inneren Angelegenheiten einmischen können, sind vorbei.» Er betonte, dass die Annäherung an den früheren Erzfeind vor allem eine Chance für die kubanische Bevölkerung sei. Er wolle sicherstellen, dass es den Kubanern besser gehe und bekräftigte, die USA würden weiterhin entschieden für Menschenrechte einstehen.
Das Zusammentreffen Obamas und Castros erfolgte nach einer in Teilen emotionalen Rede Raúl Castros vor den versammelten Staats- und Regierungschefs der Region, in der er Obama einen «ehrlichen, bescheidenen Mann» nannte, der keine Schuld habe an der Blockade gegen Kuba.
«Es wurde Zeit, dass ich hier im Namen Kubas spreche», begann Castro seine Rede mit Verweis auf die erstmalige Teilnahme seines Landes an einem OAS-Gipfel, die seit 1994 ausgetragen werden. Kuba war 1962 auf Betreiben der USA aus der OAS ausgeschlossen worden. Er habe acht Minuten Redezeit, aber man schulde ihm sechs Gipfel, weshalb er 48 Minuten in Anspruch nehmen werde.
Gelächter bei den anderen Staatschefs. In einem langen Exkurs verurteilte Castro die mehr als einhundert Jahre andauernde Interventions- und Blockadepolitik der USA gegen Kuba und erinnerte daran, dass die USA mit der Militärbasis in Guantanamo noch immer einen Teil seines Landes besetzt hielten. «Wir lassen es nicht zu, dass man uns ein weiteres Mal täuscht oder kolonisiert», sagte Castro. Kuba werde auch weiterhin jene Ideen verteidigen, für die sein Volk in der Vergangenheit gekämpft habe. «Die Leidenschaft kommt mir aus den Poren, wenn es um die Revolution geht. Ich entschuldige mich bei Präsident Obama, dass ich mich so emotional ausdrücke», so Castro. «Die zehn Präsidenten vor Obama stehen bei Kuba in der Schuld, nicht Präsident Obama.» Er würdigte Obamas «mutigen» Versuch, den US-Kongress von der Aufhebung der Blockade gegen Kuba zu überzeugen. Die Aufhebung der Blockade sei entscheidend für eine Normalisierung der Beziehungen.
Keine Eskalation im Streit USA-Venezuela
Wie fast alle der anwesenden Staats- und Regierungschefs verurteilte auch Castro das Dekret, mit dem Obama Anfang März Venezuela, Kubas engster Verbündeter und wichtigster Handelspartner, zur Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA erklärt und gegen sieben venezolanische Funktionäre Sanktionen verhängt hatte. Kubas Staatschef bat die USA um Aufhebung des Dekrets als Beitrag zu Dialog und Verständigung in der Region. Er würdigte aber, dass Obama anerkannt habe, dass Venezuela keine Bedrohung für die USA darstelle. Kurz vor dem Gipfel hatte Obama das Dekret relativiert; in seiner Rede auf dem Gipfel ging er auf Venezuela jedoch mit keinem Wort ein.
Eine Eskalation der Auseinandersetzung zwischen den USA und Venezuela wurde auf dem Gipfel vermieden. Zwar verurteilte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro in seiner Rede den Schritt der USA mit scharfen Worten, bezeugte dem US-Präsidenten aber auch seinen Respekt machte ein Gesprächsangebot. Maduro erinnerte in seiner Rede an den Staatsstreiche gegen Hugo Chávez auf den Tag genau vor 13 Jahren und daran, dass seine Regierung demokratisch gewählt sei.
Das Dekret müsse aufgehoben werden, forderte er. «Ich möchte eine Zukunft mit den USA. Wir sind nicht Anti-Amerikaner, wir sind Anti-Imperialisten!» und weiter: «Ich strecke Ihnen meinen Hand entgegen, Präsident Obama, damit wir unsere Angelegenheiten friedlich ohne innere Einmischung beilegen.» Der US-Präsident habe seit zwei Jahren auf keines seiner Gesprächsangebote reagiert, beklagte Maduro. US-Vizeaussenministerin Roberta Jacobson erklärte kurz darauf, die Sanktionen gegen die venezolanischen Funktionäre würden nicht aufgehoben.
Treffen zwischen Obama und Maduro
Am Abend trafen Maduro und Obama dann aber doch noch zusammen. Man sei sich «zufällig» in den Gängen des Kongresszentrums Atlapa, wo der Gipfel stattfand, über den Weg gelaufen, und habe sich knapp zehn Minuten unterhalten, hiess es von Seiten der venezolanischen Delegation. Auch das Weisse Haus bestätigte die Begegnung: «Präsident Obama hat die feste Unterstützung der USA für einen friedlichen Dialog zwischen den Parteien in Venezuela bekräftigt. Er wiederholte, dass es nicht unser Interesse ist, Venezuela zu bedrohen, sondern Demokratie, Stabilität und Wohlstand in Venezuela und der Region zu unterstützen», hiess es in einer Erklärung. «Es war ein ernstes, ehrliches Gesprächs. Ich würde sogar fast sagen herzlich», sagte Maduro später gegenüber dem Fernsehsender TeleSur. «Es könnte sich die Möglichkeit eines Dialogs mit der US-Regierung eröffnen, in dem wir den Weg zu respektvollen Beziehungen ausloten.»
Das wäre dann vielleicht sogar die eigentliche Nachricht des Gipfels. Zwar sagte Obama, der Schwenk in der US-Kuba-Politik sei ein Neubeginn für die gesamte Region, und rief dazu auf, die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund zu rücken. «Die Beziehungen der USA zu Lateinamerika sind so gut wie noch nie», sagte Obama. Allerdings hatte sein Vorgänger George W. Bush die Messlatte auch nicht allzu hoch gehangen.
Die symbolträchtige Annäherung zwischen den USA und Kuba kann aber nicht verdecken, wie wenig Übereinkunft zwischen den beiden Amerikas herrscht. Wie schon der vergangenen Gipfel vor drei Jahren im kolumbianischen Cartagena de Indias ging auch der in Panama-Stadt ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung zu Ende. Boliviens Präsident Evo Morales machte dafür die USA und Kanada verantwortlich. Beide Länder wollten kein Abschlussdokument. Obama ermahnte er, es sei an der Zeit, die Diskurse der Doppelmoral hinter sich zu lassen. «Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass es in der Geschichte zwischen den USA und uns mehr Niederlagen als Erfolge gibt.» Die Bilder vom Händedruck zwischen Raúl Castro und Barack Obama haben das für kurze Zeit vergessen lassen.