Oranje, wohin man auch schaut

Am Tag der Krönung war ganz Amsterdam aus dem Häuschen, wie die Schweizer Slampoetin Hazel Brugger vor Ort feststellte.

(Bild: Hazel Brugger)

Am Tag der Krönung war ganz Amsterdam aus dem Häuschen, wie die Schweizer Slampoetin Hazel Brugger vor Ort feststellen konnte.

Erzählt man jemandem, dass man zur Thron-Umbesetzungs-Zeremonie des Prinzen von Oranien-Nassau direkt vor Ort sei, also die gleiche Luft atmet und vom selben wild geschmückten Balkon eine Nackenstarre davonträgt wie zig Tausend wirklich eingefleischte Holland-Fans, dann kriegt man eine von zwei Reaktionen mit: entweder das positive, fast schon neidisch wirkende Lächeln oder das ungläubige, grimassiert-verzerrte Ekelgesicht. In beiden Fällen ist das Verhalten so, als hätte man soeben eine äusserst eigenartige private Sexualvorliebe kundgetan. Eine, die zwar niemandem wehtut, die man aber so noch nie am eigenen Leibe miterlebt, geschweige denn an anderen Leiben ausprobiert hat und von der man gefälligst höchstens in Foren und Selbsthilfegruppen sprechen sollte.

Königlicher Karneval

Es gleicht schon einer Mischung aus globaler Fussballmeisterschaft, Kölner Karneval und Zürcher Street Parade, was während des Queen’s Day mit dem Amsterdamer Volk so abgeht. Vergleichbar mit dem Unsinn eines Marathonevents gegen das Aussterben von Schimpansen, Zitrusfrüchten und Beta-Carotin-geschädigten Kleinkindern gepaart mit dem Irrsinn eines Demonstrationszugs zur Erhaltung der Farbe Orange im Alltag. (Mal ganz ehrlich, wann haben Sie denn das letzte Mal etwas Orangenes getragen und sich nicht mindestens zweimal überlegt, ob das nicht zu gewagt und angriffslustig sei?)

So viel Feiertagskultur: Zum Glück ist man noch restbetrunken und das Kiffen hier legal.

Sogar der Hotelmanager pochte in einem Brief an alle Gäste in der Nacht zuvor darauf: «To really blend in, try to wear something orange», schrieb er, in kindlich-träumerische Beschreibungen der Grossartigkeit des vor uns liegenden Tages und seiner Wichtigkeit für die Nation gebettet.

Zum Glück ist man noch restbetrunken und das Kiffen hier legal, wohl geradezu unvermeidlich bei solch einer Feiertagskultur. Aus den Boxen und Kehlen dröhnen Melodien, die man kennen sollte, sogar die Vuvuzela wird wiederentdeckt, in tiefem Orange und ohne Scham gespielt von Männern, die man so sonst nur an Junggesellenpartys aus dem Weg zu gehen versucht.

Euphoriewellen und Apfelkuchen

Vom eigentlichen Anlass ist im Ernstfall nur wenig mitzubekommen, der Public-Viewing Bildschirm zu weit weg, die verständlichen Sprachfetzen zu undeutlich, der Balkon des Geschehens von Menschenmassen verdeckt. Ab und zu zucken verzögerte Euphoriewellen durchs Publikum und ein, zwei weit Gereiste schreien spanische Grüsse zur frischgebackenen argentinischen First Lady.

«Hallo Willem-Alexander», «Dag Beatrix» – abertausende von gelben Papierflaggen werden geschwungen, man ist sichtlich zufrieden und nach einem letzten Restgrölen, wie dem Seufzen eines Motors vor dem Aus, kehren alle um, stapfen über Müllreste zu Bett und Bier. Aus Prinz Pilsje wurde Koning Koel und Beatrix metamorphosiert zurück zur Prinses der Nederlanden, auf Glas und Keramik zu servieren ist für den Tag nicht erlaubt, im Café verkauft man Apfelkuchen heute nur im und aus dem Pappbecher.

Vielleicht schneidet sich die Schweiz ja mal bei einer Bundesratswahl ein Stück von dieser Orange ab.

Ein bisschen schade ist es schon, dass das Fest nun schon vorbei ist – aber wer weiss, bei so einer Bundesratswahl schneidet man sich ja vielleicht demnächst einen Schnitz ab von der monarchischen Orange, bittet um rot-weiss gekreuztes, direkt-demokratisches Massenerscheinen und trinkt Röteli-Schnaps für die gute Stimmung.

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