Pariser Treppensturz

Im Rennen um die französische Präsidentschaft machen die Grünen mit ihrer Kandidatin Eva Joly keine sonderlich gute Figur. Nachdem sie in den Umfragen immer tiefer gefallen ist, ist sie jetzt auch noch auf einer Kinotreppe gestürzt.

Die grüne Präsidentschaftskandidatin Eva Joly fällt in den Umfragen immer tiefer – jetzt ist sie auf einer Kinotreppe gestürzt.

Sie war eine ausgezeichnete Untersuchungsrichterin. Unerschrocken und unbestechlich verfolgte Eva Joly (68) die Exponenten grosser Wirtschafts- und Politskandale. Viele Mächtige zitterten vor der hartnäckigen, aus Norwegen stammenden Magistratin, die vor fünfzig Jahren als Aupair-Mädchen nach Paris gekommen war.

Ohne Gro Eva Farseth, wie sie in ihrem früheren Leben hiess, hätte es rund um die Schmiergeldzahlungen des Elf-Aquitaine-Konzerns – einer der grössten Affären der französischen Nachkriegszeit – wohl keine Verurteilungen abgesetzt. Nach den Schuldsprüchen musste sich Joly sogar nach Norwegen absetzen, um möglichen Rachakten zu entgehen.

Zurück in Frankreich, stieg sie in die Politik ein. Ende 2011 wurde sie eher überraschend Spitzenkandidatin der Grünen für die Präsidentschaftswahlen. In der internen Wahl gewann sie gegen den agilen und medienversierten Umweltreporter Nicolas Hulot. Rückblickend erweist sich ihre Nominierung aber als ein gewaltiger Casting-Fehler.

Ihre Fernsehauftritte vermitteln Hühnerhaut. Sie spricht zwar ein grammatikalisch korrektes Französisch, bringt es aber mit einem so starken Akzent, dass die Franzosen genau hinhören müssen, um sie überhaupt zu verstehen.

Dümpeln bei 2 Prozent

Sie trotzdem ins Rennen zu schicken, war ein mutiger Entscheid einer Partei, die sich wenig um die Regeln des Polit- und Medienbetriebs schert. Anders als etwa die deutschen Grünen gehen «les Verts» mit einem Amateurismus zu Werke, der fast schon wieder sympathisch wirkt. Bloss kommen sie damit auf keinen grünen Zweig: Joly dümpelt bei 2 Prozent Umfragestimmen. Zum Vergleich: Bei den Europawahlen 2009 hatte «Europe Ecologie-les Verts» (EELV) über 16 Prozent der Stimmen erhalten.

Von aussen betrachtet, macht Joly die originellsten Vorschläge des Wahlkampfs.

  • Damit alle Religion gleich behandelt werden, sollen auch Juden und Moslems je einen jährlichen Feiertag erhalten.
  • Die Truppenparade am Nationalfeiertag, dem Quatorze Juillet, will sie durch ein „Bürgerumzug“ ersetzen.
  • Den permanenten Sitz Frankreichs im Uno-Sicherheitsrat und das damit verbundene Vetorecht will sie zugunsten einer Europastimme in New York aufgeben.

Bei den Franzosen kommen solche Vorschläge schlecht an. Viele Kandidaten und Politkonkurrenten reagieren nur mit Spott, andere machen Wortspiele mit «étranger» (ausländisch) und «étrange» (seltsam). Auch Karl Lagerfeld mockierte sich mit seinem Teutonenakzent über Jolys Ausdrucksschwierigkeit in der Sprache Molières und Voltaires:

Video-Direktlink: http://www.youtube.com/watch?v=idk0jZhQTxY

Wie in diesem Video der Grünen ersichtlich, versucht ihre Partei das Blatt umzudrehen und Jolys Akzent als einen Beitrag zur Reichhaltigkeit des Immigrationslandes Frankreich darzustellen.

Die Kandidatin reagiert aber zunehmend gereizt. Auf eine Journalistenfrage, was sie zum Kommentar der (inzwischen aus dem Rennen geschiedenen) Umweltkandidatin Corinne Lepage meine, sie vernachlässige ökologische Themen, erwiderte sie nur: «Je l’emmerde.» 

Video-Direktlink: http://www.youtube.com/watch?v=8stOSdH9uXo

Mit diesem Fluch, der hier nicht übersetzt sein soll, bewies sie zwar gutfranzösische Sprachkenntnis. Später, als auch bestandene Parteiexponenten wie José Bové, Daniel Cohn-Bendit oder Noël Mamère auf Distanz gingen, musste sie aber zugeben, dass ihr gesamter Wahlkampf «schlecht» sei.

Am Wochenende stürzte Eva Joly in einem Pariser Kino eine Treppe hinunter und verletzte sich am Kopf. Den Montag verbrachte sie im Spital. Zäh und mutig wie sie ist, will sie ihren Wahlkampf aber auch mit einem Kopfverband weiterführen.

Video-Direktlink: http://www.youtube.com/watch?v=wHssbkeacfw

Vielleicht wird sie am 22. April einen Mitleidsbonus erhalten. Mehr liegt nicht mehr drin. Originell, widerspenstig, schräg und ziemlich «anders», sind die französischen Grünen noch wirkliche Blumenkinder. Bloss nimmt sie niemand ernst. Dabei hätten sie mit Fukushima eine grossartige Chance gehabt, sich in diesem Wahlkampf als starke politische Kraft zu etablieren.

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