Neuer Wirbel um die Kampfjet-Beschaffung: Längst bekannte «Geheimdokumente» sollen zeigen, dass der vom Bundesrat gewählte Typ untauglich sei. Sie zeigen jedoch vor allem, wie die Piloten einen luxuriösen Wunschflieger partout durchsetzen wollen.
«Der Gripen hat in den Tests versagt», titelt das Westschweizer Blatt «Le Matin Dimanche» heute Sonntag gross. Und die «SonntagsZeitung», die eine Übersetzung der Geschichte brachte, meinte gar: Der Schwedische Gripen, den der Bundesrat als neuen Kampfjet für die Schweizer Luftwaffe ausgewählt hat, sei «unfähig Luftpolizeimassnahmen mit Erfolg durchzuführen». Sie kommt zum Schluss: «Dieses Testurteil der Luftwaffe ist gravierend.»
Unter dem Titel «Ce qu’ Ueli Maurer a caché» (Was Ueli Maurer versteckt hat) zeigt der Matin tatsächlich faksimile einen englischen Satz aus einem «Bericht der Luftwaffe», der über den Gripen urteilt: «Er erreicht nie die minimal erwarteten Leistungen in allen Arten von Aufträgen.» Also auch nicht im Auftrag «Luftpolizei», der im Frieden der Hauptauftrag der Schweizer Luftwaffe ist – während dem WEF im Luftraum über Davos zum Beispiel (siehe Kasten).
Pech hat das Westschweizer Blatt allerdings insofern, als die «SonntagsZeitung» ihre Übersetzung des Matin-Artikels mit einem etwas grösseren Ausschnitt aus dem dubiosen «Luftwaffen-Dokument» illustriert. Und der zeigt, was «Le Matin» selber versteckt: «Der Eurofighter ist fähig alle Arten von Aufträgen auszuführen», steht da nämlich. «Aber er erfüllt die minimal erwarteten Leistungen nur im Gebiet Luftkampf.» War somit auch er Eurofighter «durchgefallen»?
Dubiose «Minimal-Anforderungen»
Der deutsche Eurofighter ist einer der drei Kampfjets, welche die Schweiz eingehend geprüft hat. Die beiden anderen sind eben der Gripen aus Schweden und der Rafale des französischen Herstellers Dassault, den sich die Piloten von Anfang an wünschten. Die konkreten Zahlen in dem nun aufgewärmten Luftwaffen-Papier, das die «Basler Zeitung» schon im November publiziert hatte, zeigen: So gross sind die Unterschiede zwischen den drei Modellen gar nicht. Und dass die Luxus-Varianten Eurofighter und Rafale klar besser abschlossen als der wesentlich kostengünstigere Gripen, ist seit Jahren bekannt. Dass der Gripen für Luftpolizei-Einsätze «untauglich» sei, ist hingegen schlicht Unsinn.
Interessant ist aber, dass die oft zitierten «Minimum Expected Capabilities (Minimal erwartete Leistungen)» der Luftwaffe offenbar so waren, dass sie auch der Eurofighter «only in the Air to Air domain fulfils» – also «nur im Luftkampf erfüllen» konnte. Das lässt nur einen Schluss zu: Diese «Minimal-Leistungen» wurden von den Piloten so berechnet und angesetzt, dass ihr Wunschjet Rafale von Anfang an gewinnen musste.
Piloten kämpfen um Liga-Erhalt
Für die Luftwaffe gilt offenbar immer noch, das nur «das Allerbeste gut genug» sei. Nicht aber für den Bundesrat: Angesichts der drohenden Sparmassnahmen schloss sich die Landesregierung Bundesrat Maurers Beurteilung an, dass der neue Kampfjet «nicht vordringlich» sei. Und wenn es denn doch sein müsse, «dass für die Schweiz noch lange ausreicht, was für Schweden gut genug ist».
Das wollen die Piloten nicht akzeptieren: Sie fliegen jetzt mit ihrem mehrmals nachgerüsteten US-Kampfjet F/A 18 bei internationalen Nato-Übungen zusammen mit Amerikanern, Deutschen und Briten noch in der allerobersten Liga mit. Kauft die Schweiz ihnen den Gripen, wären sie dann nur noch «secondbest» – zusammen mit Schweden, Ungaren und Südafrikanern.
Luftpolizei am WEF mit Propellerflugzeug
Für die Verteidigung der Schweiz wäre der Gripen zweifellos gut genug. Für den Luftpolizeidienst ist der Luftkrieg-taugliche Allwetter-Jäger sogar stark überbewaffnet. Bei gutem Wetter versahen diesen Dienst am diesjährigen WEF in Davos Ende Januar meist einmotorige Propellermaschinen vom Typ Pilatus PC-7. Sie wurden von Milizpiloten geflogen. Von Fliegeroberst Alex Miescher beispielsweise, der zivil als Generalsekretär des Fussballverbandes SFV arbeitet. Mit seiner Pilatus konnte Miescher vom Flugplatz Samedan aus starten und Stundenlang den Luftraum im Unterengadin überwachen. Weil «die Radarstation nicht ins Tal hinein sieht», wie er dem «Sonntagsblick» zu Protokoll gab. Und wenn ein Flugzeug in den gesperrten Luftraum eindringt? «Dann markieren wir in der Luft erst mal Präsenz», sagt Miescher: «Fragen, ob sich der Pilot verflogen habe. Und erst in letzter Konsequenz rufen wir dann die F/A-18.» Oder künftig halt einen Gripen.