Im Fricktal gehen Pilzsammler gegen Asiatinnen vor, die ihren besten Pilzwald systematisch leerräumen. Die Behörden gehen auf Tauchstation.
Früh am Morgen fahren Autos an den Waldrand in Rheinfelden. Asiatinnen steigen aus, ausgerüstet mit Taschen und Stecken, um den Wald nach Pilzen abzusuchen. Fahrer und Frauen würden stetig wechseln, das Prozedere aber bleibe gleich, schreibt der Verein für Pilzkunde Fricktal in einer Anzeige wegen gewerbsmässigen Sammelns von Pilzen. Denn das ist verboten.
Das Waldstück «Berg» direkt oberhalb der Autobahn bei Rheinfelden gilt unter Kennern als einer der besten Pilzwälder der Region. Doch darüber mag sich der Fricktaler Pilzverein nicht mehr so recht freuen, seit eine Gruppe Asiatinnen, vorwiegend Frauen thailändischer Herkunft, in ihrem Wald auftauchte.
Pilze werden in Mengen gesammelt, die eine einzige Familie gar nicht essen kann.
Sie sammeln nicht, sie durchkämmen den Wald wie ein Suchtrupp mit Schweizer Gründlichkeit. Wenn sie fündig werden, rufen sie einander zu. Und sie rufen oft. «Sie sind eine harte Konkurrenz für uns gewöhnliche Sammler, allerdings wird dieser Wald sowieso schon überrannt», sagt der ExWirt des «Rollerhofs» am Münsterplatz und Sammler, Christoph Giertz.Tatsächlich tragen die Frauen oft bis zum Rand gefüllte Einkaufstaschen aus dem Wald. Das bestätigen verschiedene Zeugen. Auch Reto Sauter, ehemaliger Stadtoberförster der Bürgergemeinde Liestal, begegnete auf einem Ausflug einer Frau, die an einer Stange über der Schulter zwei Körbe mit «deutlich mehr als zehn Kilo Steinpilzen» aus dem Wald schleppte. Und Pilzkontrolleure melden, dass bei ihnen thailändische Frauen Pilze in Mengen überprüfen lassen, die eine einzelne Familie gar nicht vertilgen kann.So viel zu sammeln ist grundsätzlich nicht verboten. Denn während in einem Grossteil der Kantone eine Obergrenze von meist zwei Kilogramm pro Person gilt, kennt der Aargau keine Beschränkung. Doch auch im Aargau ist es nicht erlaubt, gewerbsmässig Pilze zu sammeln. Dies hieb- und stichfest nachzuweisen, sodass eine Anklage vor Gericht bestehen könnte, ist aber sehr aufwändig.
Die Untersuchungsbehörde stellte denn auch sämtliche Verfahren ein. Zwar gaben die angeschuldigten Frauen zu, dass sie Pilze gesammelt hätten, aber nie, um diese zu verkaufen, sondern nur für den eigenen Bedarf. «Eine strafbare Handlung kann den Beschuldigten nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden», begründete die Staatsanwaltschaft ihren Entscheid.
Um dem Treiben doch noch ein Ende zu setzen, schaltete der Fricktaler Pilzverein die kantonale Verwaltung ein. Doch in Aarau mochten sich die Beamten nicht für den Vorschlag der Fricktaler erwärmen, die gesammelte Menge auf zwei Kilo Pilz pro Person zu beschränken. Die Abteilung Wald antwortete, eine Langzeitstudie über dreissig Jahre der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft habe gezeigt, dass das Sammeln von Pilzen diesen nicht schade. Die Sammelmenge zu beschränken, wäre deshalb unverhältnismässig, die entsprechende Kontrolle zu aufwendig.
Doch das will der Verein für Pilzkunde Fricktal nicht auf sich sitzen lassen. Er schickt jetzt einen Hilferuf nach Aarau: «Was sich hier im Gebiet um Rheinfelden abspielt, ist unverhältnismässig.» Der Pilztourismus habe noch einmal zugenommen, an den Pilzen würde gefrevelt. Doch vorerst können die Pilzler nur auf frostige Tage hoffen, dann würden die Suchtrupps verschwinden, mit ihnen allerdings auch die Pilze.
Pilzsammeln: Das ist erlaubt
Die Kantone Baselland, Basel-Stadt, Aargau und Solothurn kennen keine Mengenbeschränkungen für Pilzsammler. Die meisten anderen Kantone hingegen haben eine Obergrenze festgelegt, meist zwei Kilogramm pro Person. Im Schwarzwald dürfen Sammler maximal ein Kilogramm mit nach Hause nehmen. Jedes weitere Kilo kostet hundert Euro Busse. Die Pilze werden beschlagnahmt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28/10/11