Das bedingungslose Grundeinkommen will für alle Landesbewohner ein garantiertes Einkommen vom Staat. Die Politik hat die Vorlage vom 5. Juni bereits abgeschrieben. Doch die Kampagne geht unbeirrt weiter.
Jetzt haben sie sich sogar einen Tesla angeschafft. Einen Tesla! Ausgerechnet, und erst noch einen goldenen. Das modernste der modernen Autos, die elektronische Wunderkiste des Elon Musk aus Silicon Valley, der flotte Schlitten aller Internetreichen und technikverliebten Geeks mit gut gefüllter Kasse. Kostenpunkt: ab 80’000 Franken.
Und wofür kämpfen die noch mal? Für ein bedingungsloses Grundeinkommen? Mit einem Tesla?
Damit fahren die Denker und Lenker der Volksinitiative durch die Schweiz und argumentieren für die kleine sozialpolitische Revolution. Denn jede und jeder in der Schweiz soll ein garantiertes, bedingungsloses Einkommen erhalten.
Ein Einkommen also ohne sich irgendwo bewerben zu müssen, ohne Auflagen zu erfüllen, ohne in einer öffentlichen Pflicht zu stehen. Einfach so. Für Kinder, Erwachsene, Pensionierte. Konkrete Zahlen nennt der Initiativtext nicht, die Initianten sprechen aber von rund 2500 Franken pro Monat für Erwachsene.
Politisch verrupft und abgeschrieben
Politisch ist das bedingungslose Grundeinkommen praktisch erledigt. Der Nationalrat stellte sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Initiative, die Wirtschaftsverbände lehnen sie bedingungslos ab, selbst die Linke ist teils scharf dagegen. Und spricht man mit Kollegen aus dem politischen Journalismus in Basel, Bern und Zürich heisst es: «Achtungserfolg. Höchstens!» Achtungserfolg, das heisst im allerbesten Fall zwischen 20 und 30 Prozent Ja-Stimmen, wenn die Vorlage am 5. Juni zur Abstimmung kommt.
Immerhin. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, was man wahlweise Mut, Arroganz, Träumerei oder Vision nennen kann. Den Mut, eine Vorlage für eine Verfassungsänderung voranzutreiben, die aussichtslos ist. Die Arroganz, das mit einem goldgespritzten Tesla zu tun, mit Kunstaktionen, acht Millionen Fünfräpplern und mit Fragenkatalogen.
Daniel Häni hat gerade Erfolg. Die Kampagne erlangt Medienpräsenz, am WEF in Davos waren seine Mitstreiter im Roboterkostüm vor Ort, die Botschaft: «Bald arbeitet die Automatisierung für uns.» Eine Meldung über die Aktion schaffte es via nationale Nachrichtenagentur in die Medien.
Ebenfalls im Januar publizierten Häni und sein Team die Teilergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu den Argumenten seiner Initiative. Der «Blick» widmete darauf dem Grundeinkommen einen Artikel, weitere Medien wie die TagesWoche und der «Tages-Anzeiger» vermeldeten das ebenso, auch der «Spiegel» nahm das Thema dankbar auf. Die deutsche Zeitschrift begleitet das Thema Grundeinkommen nun schon seit einiger Zeit.
Kein Interesse an einer Steuerdebatte
Die Umfrage des Initiativkomitees ergab unter anderem, dass lediglich zwei Prozent der Befragten bei einem bedingungslosen Grundeinkommen definitiv aufhören würden zu arbeiten. Die Umfrage ergab aber auch, dass der grosse Teil der Befragten noch kaum eine Vorstellung hat, was das Grundeinkommen eigentlich bedeuten würde.
Wegweisend für Häni und das Kampagnen-Team ist das erste Ergebnis: Denn der populärste Vorwurf an die Initiative besagt, dass die Unwilligkeit gegenüber der Arbeit gefördert würde. «Dieses Argument zieht nicht», sagt Häni: «Im Gegenteil. Das bedingungslose Grundeinkommen fördert die intrinsische Motivation, den Einzelnen frei entscheiden zu lassen, wofür er sich engagiert.»
Dahingehend war die Umfrage also ein Erfolg: Sie belegt für die Auftraggeber, dass das gesellschaftlich gewichtigste Gegenargument – nämlich Förderung der Faulheit – so nicht zutrifft. Zumindest gemäss diesem Studienresultat.
«Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht es um den gesellschaftlichen Brennpunkt zwischen Arbeit, Macht und Freiheit.»
Dabei vermeidet es die Kampagne, dezidiert auf einschlägige Gruppierungen zu setzen. So zielt sie nicht speziell auf die Bedürftigen, was das bedingungslose Grundeinkommen als einfache Alternative zu den Sozialwerken positionieren würde.
Ebenso lässt sich Häni nicht auf eine Steuerdebatte zur Finanzierung ein. «Wir lassen bewusst offen, wie das bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden soll», sagt er. «Diese Frage muss nach der Annahme des bedingungslosen Grundeinkommens erst im Detail geklärt werden.»
Rechenbeispiele gibt es mittlerweile einige. Der «Spiegel» hat im Rahmen seiner Berichterstattung das seines Erachtens «humanistische» Schweizer Modell mit dem «neoliberalen» finnischen Modell verglichen, der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Initiative eine Modellrechnung präsentiert, und auch das Initiativkomitee hat seine Vorstellung geäussert.
Aber woher nehmen?
Die für das Grundeinkommen nötigen Staatseinnahmen würden bei heutigem Stand etwa 200 Milliarden Franken ausmachen. Ein Teil der Aufwände könnte via Sozialwerke wie der Arbeitslosenversicherung oder der Sozialhilfe gedeckt werden. Je nach Quelle wären das 60 bis 70 Milliarden. Wobei Häni betont, dass die Sozialwerke damit nicht hinfällig würden. Das bedingungslose Grundeinkommen würde «nur» den existenzsichernden Teil der Sozialleistungen bedingungslos machen.
Woher allerdings die übrigen 140 Milliarden aus den Erwerbseinkommen stammen sollen, darüber herrscht grössere Uneinigkeit: Etwa über eine massive Erhöhung der Mehrwertsteuer?
Daniel Häni bei der Eingabe der Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Initianten schütteten einen Berg bestehend aus Fünfrappen-Stücken auf. (Bild: STEFAN BOHRER)
«Es braucht kein zusätzliches Geld», sagt Häni schlicht. Woher es komme, also wie es transferiert werde: Das sei Sache der Gesetzgebung und damit des politischen Prozesses, wenn die Initiative angenommen sei – womit die Initianten der Fiskus-Debatte entwischen.
Ihre Position sei eben eine Grundsatzposition, um die sich auch die Kampagne drehe, sagt Daniel Häni: «Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht es um den gesellschaftlichen Brennpunkt zwischen Arbeit, Macht und Freiheit.» Eine Verzettelung der Debatte auf einzelne Felder wie die Steuerdebatte oder einen Streit um Sinn und Unsinn der Sozialwerke sei «nicht Gegenstand des jetzigen Richtungsentscheides».
Das klassische Problem ist die neue Chance
Und das ist Problem und Chance der Vorlage gleichzeitig. Denn noch ist dieses bedingungslose Grundeinkommen vielleicht als Grundsatz denkbar, nicht aber in der Umsetzung. Auch Daniel Häni sagt: Es brauche Geduld, er rechne damit, dass es sogar erst in zehn bis zwanzig Jahren «in der einen oder anderen Form» wirklich umgesetzt wird, vielleicht zuerst in den USA, möglicherweise in kleinem Rahmen (Link auf Englisch).
Somit bewirtschaftet die Kampagne zur Volksinitiative vor allem Gedankengut. Oder wie Häni sagt: «Die humanistische Antwort auf den technischen Fortschritt.» Humanistisch deshalb, weil sie den Menschen in einer sich voll automatisierenden Wirtschaftswelt vom Diktat der Erwerbstätigkeit befreien könnte.
Die realen Aussichten für die Volksabstimmung bleiben bescheiden, gemessen an den Widerständen aus Politik und Wirtschaft. Die Initianten verzichteten darauf, die Umfrage-Resultate zu einem allfälligen Abstimmungsresultat zu publizieren. So läuft die Kampagne eben auch: Die Medien erhalten, was man ihnen geben mag. Die Show mit dem goldenen Wagen, die acht Millionen Fünfräppler, die vors Bundeshaus gekippt wurden, und die zentralen Fragen in Buchform – all das wirft letztlich mehr Fragen nach der konkreten Umsetzung auf, als es beantwortet.
Chancen jenseits des Establishments
Die Schöpfer der Initiative treffen mit ihrem Beharren auf dem Grundsätzlichen einen Nerv der Zeit. Dass das politische und mediale Establishment ob ihrer als krud wahrgenommenen Initiative nur die Köpfe schütteln mag, war absehbar. Nicht absehbar allerdings ist, was das bedingungslose Grundeinkommen ausserhalb dieser Sphäre zu mobilisieren vermag.
Bei jenen, die sich in der Entwicklung ihrer täglichen Arbeit bedroht fühlen. Bei jenen, die sich durch schlecht bezahlte Praktika anstatt einer Festanstellung arbeiten müssen, und bei jenen Arbeitnehmern einer stark technologisierten Generation, die nun auf den Arbeitsmarkt strömt und nur noch bedingt mit dem Wertesystem des 20. Jahrhunderts aufwächst.
Die eigentliche Überzeugungsarbeit findet damit in der Lebenswelt jener Klientel statt, die sich nur noch bedingt an Kommentarspalten und gedrucktem Papier orientiert. Das mag man arrogant nennen oder träumerisch oder naiv. Aber es ist ein Weg.
Ob der Tesla, der dem Kampagnenbüro laut Häni zur Verfügung gestellt worden ist, das richtige Fahrzeug ist oder nicht: Zumindest ist das goldene Auto leise, umweltschonend und darüber hinaus einfach noch wahnsinnig schick.