Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gehört zum Mittelstand. Deshalb stünde eine Partei, die ihn nicht anspricht, auf verlorenem Posten.
Irgendein Rezept zur Stärkung des Mittelstands haben alle Parteien in ihrem politischen Programm. Das ergab denn auch unsere kleine Umfrage bei den fünf «grossen» Parteien des Landes – bei der SP, den Grünen, der SVP, CVP und FDP. Wir baten sie, uns ganz kurz ihr Engagement für den Mittelstand zu beschreiben. Die Antworten zeigen die wenig überraschende Einigkeit, dass der Mittelstand dringend entlastet werden müsse.
Unterschiedlich sind aber selbstverständlich die Vorstellungen über das Wie: «Die FDP setzt sich dank guter Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze ein – unsere rekordtiefe Arbeitslosigkeit gibt uns recht. Dank tiefer Steuern und Abgaben soll der Arbeitnehmer Ende Monat möglichst viel Geld im Portemonnaie zur freien Verfügung haben.»
Die SVP sieht den Mittelstand «durch staatliche Eingriffe immer stärker bevormundet» und will hier ansetzen: dem Mittelstand den «nötigen Spielraum geben und den Leistungswillen stärken». Letzterer werde durch «falsche Anreizsysteme» gebremst. Dazu weist die SVP auf ihre Familieninitiative hin, die Steuerabzüge auch für Eltern fordert, die ihre Kinder selber betreuen.
Die Grünen wiederum betonen, dass sie sich für eine intakte Umwelt und eine gerechte Gesellschaft einsetzen – und damit für eine bessere Lebensqualität. «Bezahlbare Mieten und Krankenkassenprämien sind dazu aus Sicht der Grünen genauso wichtig wie die intakte Landschaft und gesunde Lebensmittel. Von dieser Politik profitiert auf alle Fälle der Mittelstand.»
Kämpferischer gibt sich die SP, indem sie direkt auf die neuste Studie von Avenir Suisse eingeht und sie als «Pamphlet» bezeichnet. Um echte Antworten auf die Sorgen des Mittelstands zu finden, wird Parteipräsident Christian Levrat zitiert, müssten die Konzepte der Politik und nicht jene der Wirtschaft umgesetzt werden. Die SP streicht drei Forderungen heraus: erstens die «Stärkung der Kaufkraft» durch die Mindestlohninitiative und durch steuerliche Entlastungen mittelständischer Familien. Zweitens die «Bekämpfung der steigenden Wohnkosten» mit einer Wohn- und Bodenpolitik, die nicht bloss dem Immobilienmarkt diene, und drittens will die Partei die «Kosten im Gesundheitswesen bremsen», die den Mittelstand überdurchschnittlich belasteten. Durch kostenlose Kinderver-sicherungen oder die von der SP mit-initiierte Einheitskrankenkasse.
Die CVP schliesslich, die sich als «Familien- und Mittelstandspartei» definiert, setzt «auf Steuerentlastungen und eine Preispolitik, die zu einer Preissenkung der alltäglichen Konsumgüter und zu Investitionen in verschiedenen Bereichen führt». Und wie die SP will auch die CVP zeigen, dass sie es nicht bei schönen Worten belässt und hat deshalb diesen Herbst zwei Volksinitiativen eingereicht. Die eine verlangt die Abschaffung der Heiratsstrafe (Gleichstellung mit unverheirateten Paaren bei Steuern und AHV), die andere die Steuerbefreiung der Kinder- und Ausbildungszulagen.
Einig sind sich alle, dass der Mittelstand zu entlasten sei.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.12.12