Italiens Premier Matteo Renzi steckt bei seinen Reformen fest, jetzt steht er vor einer entscheidenden Herausforderung: Er will den Kündigungsschutz lockern.
Als der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi im vergangenen Februar sein Amt antrat, da geizte er nicht mit waghalsigen Versprechen. Eine Reform pro Monat kündigte der 39-Jährige damals an. Er behauptete, «im März den Arbeitsmarkt, im April die öffentliche Verwaltung, im Mai die Steuern» zu reformieren.
Doch was hat der Dynamiker aus der Toskana in sieben Monaten Regierungszeit effektiv bewirkt?
Er hat eine Verfassungsreform auf den Weg gebracht, in der sich der bislang einflussreiche Senat mehr oder weniger selbst entmachtet hat. Die Gesetzgebung, die im Wesentlichen künftig nur noch vom Abgeordnetenhaus vorgenommen wird, soll so beschleunigt werden, politische Entscheidungen sollen schneller umgesetzt werden.
Viel Stückwerk
Diese Veränderung ist wichtig, da Gesetze in Italien bislang oft monatelang zwischen den Kammern hin und her pendelten.
Abgesehen davon hat Renzi vor allem Stückwerk geliefert. Er hat die Chefs wichtiger Staatsunternehmen ausgetauscht, zeitlich befristete Arbeitsverträge flexibler gemacht, Geringverdienern einen Steuerbonus von 80 Euro gewährt – doch das alles hat die Wirtschaft nicht beflügelt.
Italien schiebt mit über 2100 Milliarden Euro (mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandprodukts) einen immer grösser werdenden Schuldenberg vor sich her. Das Land steckt nach wie vor in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit ist mit rund 13 Prozent hoch, bei Jugendlichen (43 Prozent) sogar gefährlich hoch.
Die Realität hat Renzi eingeholt. Heute wirkt er nicht mehr wie der tatkräftige Macher, sondern nur noch wie einer jener vielen Funktionäre, die sich in den vergangenen Jahren vor den schweren italienischen Staatskarren haben spannen lassen.
Matteo Renzi: Gelingt ihm die wirtschaftliche Wende nicht, dann wird er als «Ankündigungsminister» in Italiens Geschichte eingehen. (Bild: sda)
Trotz seines Schlingerkurses hat Renzi jedoch noch immer eine Mehrheit der Italienerinnen und Italiener hinter sich. In Umfragen geniesst der Premier weiterhin Zustimmungswerte von über 50 Prozent. Viele lasten es nicht dem Ministerpräsidenten an, dass er nur häppchenweise Reformschritte vorlegt.
Politisches Schmarotzertum
Schuld daran, dass der unerträgliche Status quo in Italien nur ganz langsam verändert wird, seien Mächte, die Italien seit Jahrzehnten im Griff hätten: ein verkrustetes und auf Privilegien ausgerichtetes System politischen Schmarotzertums, eine linke Elite, die sich allen notwendigen Änderungen auf dem Weg zu einem modernen und wettbewerbsfähigen Staatswesen entgegenstelle – sowie die Gewerkschaften.
Diese und den linken Flügel in seiner Demokratischen Partei (PD) nimmt Renzi nun als Nächste ins Visier. Anlass ist die Reform des Arbeitsmarktes und die Lockerung des Kündigungsschutzes, die auch in Gerhard Schröders «Agenda 2010» zu den umstrittensten Themen gehörte.
Renzi riskiert den Fortbestand seiner eigenen Partei, wenn er jetzt unter dem Applaus von Unternehmern und Arbeitgebern die Lockerung des in Italien rigiden Kündigungsschutzes anpeilt. Der Streit darum, den rechten Weg zwischen Wahrung von Arbeitnehmerrechten und Anreiz für Investitionen zu finden, ist für Renzi auch eine symbolische Etappe. Bleibt er auf seinem Kurs, wäre er seit Langem der erste Premier, dem es gelänge, in Italien nachhaltige Reformen durchzusetzen.