Privat-Spitex wird von Gewerkschaft scharf kritisiert

Mit einer Protestaktion äusserte am Freitag der VPOD seinen Unmut über die Home Instead Seniorenbetreuung. Die Gewerkschaft kritisierte dabei die mangelhaften Arbeitsverträge und Entlöhnungen der Angestellten. Die Geschäftsleitung weist die Vorwürfe als haltlos zurück.

Die Baselbieter Gemeinden müssen mehr Geld aufbringen, um die Kosten von privaten Spitex-Organisationen zu decken.

(Bild: KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Mit einer Protestaktion äusserte am Freitag der VPOD seinen Unmut über die Home Instead Seniorenbetreuung. Die Gewerkschaft kritisierte dabei die mangelhaften Arbeitsverträge und Entlöhnungen der Angestellten. Die Geschäftsleitung weist die Vorwürfe als haltlos zurück.

Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) protestierte heute in Möhlin vor dem Hauptsitz der Home Instead Schweiz AG. In Form eines Strassentheaters kritisierten die rund 20 Anwesenden die Geschäftsmethoden dieser privaten Spitex, welche nach dem Franchising-System funktioniert. Die Betreuungsunternehmen arbeiten in einem von Home Instead zugewiesenen Gebiet unter der Marke Home Instead und bezahlen dafür eine Franchisegebühr.

Die Gewerkschaft kritisiert, dass Home Instead damit sichere Gewinne kassieren könne, die Risiken jedoch auf die Franchising-Nehmer abwälze, wie dies momentan im Fricktal der Fall sei. Da der vereinbarte Umsatz dort nicht erreicht wurde, überträgt Home Instead den Vertrag auf einen anderen Franchise-Nehmer. «Lange Zeit war offen, ob das Franchise-Unternehmen auch das Personal übernimmt, wie dies der Artikel 333 des Obligationenrechts vorschreibt», sagt Marianne Meyer, Gewerkschaftssekretärin des VPOD Region Basel. Zwar habe inzwischen Home Instead die Personal-Übernahme angekündigt, doch noch nicht mit einer Unterschrift zugesichert. Ferner seien die Betroffenen noch nicht darüber informiert.

Geschäftsleiter weist Vorwürfe zurück

Paul Fritz, Geschäftsleiter von Home Instead, berief am Freitag Nachmittag sogleich eine Pressekonferenz ein. Er zeigt sich verwundert über die Vorwürfe des VPOD und weist sie als haltlos zurück. «Die Verträge wurden vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) bewilligt und weisen keine Vorstösse gegen das Arbeitsgesetz auf», betont er. Von Anfang an sei beim Kaufangebot immer klar kommuniziert worden, dass dies auch alle Mitarbeitenden betrifft. «Ob der Eigentümer seine Mitarbeitenden darüber informiert hat, entzieht sich unserer Kenntnis», meint Fritz.

In einem Medienschreiben am Freitagabend konnte der VPOD allerdings Dokumente vorweisen, welche die Vorwürfe belegen. So steht im Anstellungsreglement (siehe Rückseite dieses Artikels) auf Seite sieben, dass Home Instead keine Mindestanzahl von Einsätzen garantiert, die Angestellten allerdings nicht mehr als drei Einsätze pro Monat ablehnen dürfen, ansonsten wird das Anstellungsverhältnis beendet. Laut dem VPOD beweise dies, «wie die Home Instead Schweiz AG jegliche Verantwortung als Arbeitgeber von sich weist».

Der VPOD kritisiert noch weitere Ungereimtheiten bei den Geschäftsmethoden des Unternehmens. Die Vorwürfe sind happig: Während das Unternehmen gegen aussen ein einheitliches Erscheinungsbild pflege, herrsche drinnen ein «Wildwuchs» von prekären oder gar gesetzeswidrigen Anstellungsbedingungen, für die Paul Fritz keine Verantwortung übernehme, wie die Gewerkschaft festhält. So stehe etwa in den Arbeitsverträgen von rund 20 Betreuern, dass sie «freiwillig» auf die Anmeldung bei einer Pensionskasse verzichten würden. Marianne Meyer ist erstaunt über diese Verträge, die ihr von den Angestellten gezeigt wurden. «So einen freiwilligen Verzicht auf eine BVG-Anmeldung habe ich noch nie in einem Arbeitsvertrag gesehen, das ist gesetzeswidrig» hält sie fest. Paul Fritz bestreitet dies: «Keiner der Verträge, die derzeit von Home Instead für die Franchisepartner zur Verfügung gestellt werden, beinhaltet diese oder ähnliche Formulierungen», sagt der Geschäftsleiter. Der VPOD verschickte allerdings am Freitagabend als Beleg einen Arbeitsvertrag von Home Instead für eine 24-Stunden Betreuung, in dem als Bestimmung festgehalten ist, dass die Mitarbeiter freiwillig auf die BVG-Anmeldung verzichten. 

Spesen und Arbeitsstunden werden unzureichend ausbezahlt

Laut Angaben des VPOD werden auch die Spesen und Fahrzeiten für die Betreuerinnen nicht ausbezahlt. Auch bei der 24-Stunden-Betreuung sei der Lohn ungenügend: «Ein betroffener Mitarbeiter wird für siebeneinhalb Stunden bezahlt, sagt aber, dass er wesentlich mehr gearbeitet hätte», sagt Meyer. Der reinen Präsenzzeit werde in der 24-Stunden-Betreuung ebenfalls zu wenig Rechnung getragen. «Die effektive Arbeitszeit wird nicht voll bezahlt und schon gar nicht die Präsenzzeit», betont die Gewerkschaftssekretärin. Paul Fritz weist auch diese Vorwürfe entschieden zurück: «Wir zahlen korrekt aus», betont er. Womöglich gebe es bei den landesweit 1600 Mitarbeitern einzelne Fälle von zusätzlicher Arbeitszeit, doch diese sei stets ausbezahlt worden, wie er festhält. Auch diese Vorwürfe betreffend der mangelhaften Spesen- und Lohnauszahlung belegte der VPOD mit Lohnabrechnungen und dem Anstellungsreglement der Home Instead Basel GmbH.

Der VPOD will es nicht bei der Kritik an einzelnen Löhnen belassen, sondern möchte grundsätzliche Fragen zur Politik der privaten Spitex-Unternehmen aufwerfen. «Wir kritisieren generell das Franchising-System: Wenn Gebühren kassiert werden und unter der Marke von Home Instead gearbeitet wird, soll Paul Fritz auch die Verantwortung dafür tragen», sagt Marianne Meyer. «Franchising-Unternehmen werden unter Druck gesetzt, ihre Angestellten auszubeuten», betont die VPOD-Regionalsekretärin. Gespräche zwischen Paul Fritz und der VPOD zu all den geäusserten Punkten konnten heute noch nicht stattfinden, sind aber nach Aussagen der beiden Parteien geplant.

Artikelgeschichte

Zur Belegung der erhobenen Vorwürfe verschickte der VPOD mit einem Medienschreiben einen Arbeitsvertrag zur 24-Stunden Betreuung, das Anstellungsreglement von Home Instead Basel, und eine Lohnabrechnung von Home Instead Basel

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