Rechnen mit Ueli

Bundesrat Ueli Maurer spricht oft über Zahlen. Im Abstimmungskampf um die USR III noch öfter als sonst. Womit ist zu rechnen, wenn der Schweizer Finanzminister rechnet?

Rechnen mit Ueli Maurer: Gut aufpassen, von diesem Zahlen-Zauberer können Sie viel lernen!

(Bild: Montage: Nils Fisch)

Bundesrat Ueli Maurer spricht oft über Zahlen. Im Abstimmungskampf um die USR III noch öfter als sonst. Womit ist zu rechnen, wenn der Schweizer Finanzminister rechnet?

Als Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements hat Ueli Maurer viel mit Zahlen zu tun. Derzeit erhalten wir im Abstimmungskampf zur Unternehmenssteuerreform III fast täglich Einblick in die Arbeit des höchsten Zahlen-Zauberers.

Seit er Bundesrat ist, darf der eidg. dipl. Buchhalter Zahlen nicht einfach nur in Tabellen einsetzen. Nein, jetzt hat Maurer auch Exekutivgewalt und damit einigen Einfluss auf die Zahlen, die er in seine Tabellen schreibt. 

Rechnen heisst den Gürtel enger schnallen

Mit Ueli rechnen bedeutet meistens: Zahlen klein machen. Sprich: sparen. Das wurde schon früh deutlich. Wir schreiben das Jahr 2005, drei Jahre vor der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform II, Maurer ist Präsident der Zürcher SVP. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des «Beobachters» stellt fest, was die Bevölkerung den ärmsten Mitgliedern der Gesellschaft bezahlen will – und was nicht.

Zweimal pro Woche eine Mahlzeit mit Fleisch für Sozialhilfebezüger? Ja, das muss drinliegen, finden 89,7 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer. Sollte die Gesellschaft dafür sorgen, dass die Zähne von Sozialhilfebezügern nicht verrotten, wenn sie sich den Zahnarzt nicht mehr leisten können? Ja, finden 82 Prozent. Ueli Maurer, damals Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbands (1994–2008), sagte «Nein» – zu diesen wie auch sämtlichen anderen Posten in der Umfrage. Sie gehörten für ihn «nicht zum minimalen Grundbedarf».

Dieser unbedingte Wille zum Gürtel-enger-Schnallen ist die Maurersche Konstante, wenn es um Zahlen geht. Löblich: Konsequent ausgespart braucht der fleisch- und am Ende zahnlose Sozialhilfebezüger über kurz oder lang nicht einmal mehr einen Gürtel, geschweige denn Kleider. Problem gelöst – und schon wieder gespart.

Die beste Armee der Welt

Richtig austoben konnte sich Rechenmeister Ueli dann ab 2009 als Bundesrat. Sofort versprach er, die Schweizer Armee zur besten der Welt zu machen. Es sollte ihm auch rechnerisch gelingen.

Maurers Vierfrucht-Zahlensalat: ein einziger Geniestreich. Zwar musste er sparen, wie alle anderen Departementsvorsteher auch – anfangs rund 50 Millionen Franken pro Jahr –, sprach aber schon 2010 davon, dass das Militär bald 500 Millionen mehr brauche als bisher, weshalb «der Sparauftrag zu verkraften» sei.

Gleichzeitig brachte Maurer VBS-Projektkredite jeweils erfolgreich beim Parlament durch – doch auf wundersame Weise scheint das beantragte Geld die Bilanz zum Glänzen gebracht zu haben. Schon 2012 stellte die NZZ fest: «Allein aus den Jahren 2010 und 2011 belaufen sich diese Kreditreste auf 900 Millionen Franken.» Zitiert wird ein Insider: «Das VBS führt ein rein buchhalterisches Sparkässeli: Dieses Geld ist gar nicht mehr vorhanden.»

Virtuelles Geld! Und das im VBS.

Maurer versprach denn auch, endlich bei der Informatik im VBS zu sparen – ab 2011 gebe es «Einsparungen in doppelter Millionenhöhe». 2012 informierte Maurer dann die Sicherheitspolitische Kommission erstmals über weitere Informatikprobleme – diesmal mit dem «Informatiksystem Heer». Der Sparer habe darauf «einige Investitionen» gestoppt, sagte der neue VBS-Chef Guy Parmelin Mitte Januar 2017. Mittlerweile weiss man: Beim Informatiksystem Heer müssen 125 Millionen Franken definitiv abgeschrieben werden. Dreistellig.

Kä Luscht

Manchmal hat auch der grösste Profi kein Glück beim Sparen. Und vielleicht hat manchmal auch ein Bundesrat schlicht «kä Luscht».

Etwa bei den Duros, den 2200 Geländefahrzeugen der Armee, die für 550 Millionen gepimpt werden sollen. Kosten der Erneuerung: rund 250’000 Franken pro Stück. Neupreis der Fahrzeuge beim Kauf: rund 140’000 Franken. Bei dieser Rechnung kannte auch Maurers Parteikollege Ulrich Giezendanner kein Pardon mehr: «Das stinkt zum Himmel

Aus 27’000 mach 100’000

Ueli Maurer ist auch ein grosser Zahlen-Prognostiker. So prophezeite er 2015, es würden im Jahr 2016 100’000 Flüchtlinge in die Schweiz kommen. Deshalb brauche das Grenzwachtkorps allenfalls Verstärkung von der Armee.

Damit hatte Maurer die Zahlen des Staatssekretariats für Migration (offizielle SEM-Prognose für 2016: 34’000 Flüchtlinge) mal kurz verdreifacht. Merke: Auch bei ungeliebten Themen rechnet Ueli Maurer mit möglichst hohen Zahlen. Als seine Prognosen immer unwahrscheinlicher wurden – das SEM registrierte von Januar bis und mit Juli 2016 insgesamt 16’754 eingegangene Asylgesuche –, änderte Ueli seine Taktik. Mitte Jahr sprach er von 45’000 zu erwartenden Flüchtlingen – wiederum eine Prognose, die nur er verbreitete, nicht das SEM.  

Vor einigen Tagen wurde bekannt: 27’207 Menschen haben 2016 in der Schweiz um Asyl ersucht, fast ein Drittel weniger als im Vorjahr. Für 2017 rechnet das SEM mit einer erneut leicht tieferen Zahl. Ueli Maurer rechnet für das Jahr 2017 mit 33’000 (Stand: Juni 2016).

Sparen mit Ueli

Taktisch rechnen will gelernt sein. Während Maurer bei der ihm lieben Armee vor allem rhetorisch sparte, sieht die Sache bei seinem neuen Amt als Finanzminister anders aus.

Man rechnete mit einem knappen Plus im Bundeshaushalt – doch Anfang 2016 konnte Finanzminister Ueli Maurer entgegen der bescheidenen Prognosen nach der Übernahme des EDF verkünden: 2,3 Milliarden Franken Überschuss für das Jahr 2015.

Das Geld sollte aber, obwohl es rundherum gut gebraucht werden könnte, nicht ausgegeben werden. Maurers Botschaft im Februar 2016: «Wenn das Parlament überbordet, kommt die Quittung postwendend in Form eines Sparprogramms.»

Maurer verbreitete darauf diese düstere Prognose für das Jahr 2016: Ein Minus von 500 Millionen Franken werde es geben. Ein Sparprogramm kam somit auch ohne Überborden. Obwohl bald bekannt wurde: In Wirklichkeit gibt es wohl 2016 einen Überschuss von rund 1,7 Milliarden Franken.

Trotzdem heisst die Devise: sparen. Nichts ist heilig, auch nicht Sozialversicherungen, Prämienverbilligungen, Ergänzungsleistungen sowie Einlagen in den Verkehrsfonds. Und das, obwohl die Schweiz, jedenfalls im Vergleich mit den anderen OECD-Ländern, kaum verschuldet ist.

Um jeden Preis

Rechnen mit Finanzminister Ueli Maurer bedeutet demnach, zumindest wenn es nicht um die Armee oder um Flüchtlingszahlen geht: sparen um jeden Preis. Mit volkswirtschaftlich förderlichen staatlichen Impulsen ist jedenfalls – ausser, man ist im Duro-Reparatur-Business – derzeit kaum zu rechnen. Bereits angedroht: Sollte das Stimmvolk die USR III ablehnen, werde der Bund massiv sparen müssen.

Dabei ist längst angekündigt: Massiv gespart wird auch bei einer Annahme der USR III. Neben dem schon schmerzlichen Stabilisierungsprogramm hat Maurer schon letztes Jahr angekündigt, in den nächsten zwei Jahren noch zusätzlich drei Milliarden sparen zu wollen. Mit Einbussen rechnen müssen Entwicklungshilfe, Bildung und Forschung, Armee, soziale Wohlfahrt, Landwirtschaft, Verwaltung, Prämienverbilligungen und die IV.

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