Keine Mehrheit für Erdogan in der Schweiz, titelten Schweizer Zeitungen nach den türkischen Wahlen Ende Juni – es klang erleichtert. 38 Prozent der Stimmen gingen an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, 32 Prozent an seine Partei, die AKP.
Erdogan wurde trotzdem schon im ersten Wahlgang als Präsident bestätigt und die AKP bleibt stärkste Partei. In der Schweiz konnte die Regierungspartei im Vergleich zu den letzten Wahlen 2015 sogar leicht zulegen, immerhin um 5 Prozent.
Die Steigerung in der Schweiz kommt nicht von ungefähr. Erdogan konnte sich in der Schweiz auf ein wirkungsvolles Netzwerk von einheimischen Helfern verlassen. Auch Basler Türken wurden mit einigem Eifer dazu angehalten, an die Urne zu gehen und für Erdogan zu stimmen. Für die Wahl organisierte die AKP-Lobbyorganisation UETD mehrere Bustransporte nach Zürich, wo nebst Genf und Bern die Wahlurnen standen. Das zeigen Recherchen der TagesWoche.
Bezahlt wurden die Busse von der UETD. Das bestätigt der auf dem Flyer angeführte Kontaktmann für die Carreise Mesut Ö.: «Ich habe keine Ahnung, weshalb mein Name dort angeführt ist, ich habe damit nichts zu tun. Das kommt alles von der UETD.»
Die Schweizer UETD wird präsidiert von Murat Sahin, einem umtriebigen Netzwerker und eingefleischten AKP-Anhänger. Dessen Bruder Suat Sahin steht dem World Turkish Business Council vor, einer AKP-nahen Unternehmervereinigung. Suat Sahin gilt als einflussreicher Strippenzieher mit besten Beziehungen nach Ankara. Während den türkischen Wahlen half er mit bei der Koordination der Stimmabgaben.
Bilder zeigen Suat Sahin in den AKP-Bussen und in offizieller Funktion in der Zürcher Messehalle, wo die Wahlurnen aufgestellt waren. Später bedankt er sich mit einer Grussbotschaft auf Facebook bei all seinen Helfern:
«Für die am 24. Juni stattfindenden Wahlen gab es zwischen dem 15.–19. Juni in der Schweiz in den drei Zentren Zürich, Bern und Genf eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Vertreter der AKP und SKM-Präsidenten Zeki Yildirim und dem UID-Präsidenten Murat Sahin sowie den an den Urnen arbeitenden UID-Vorstandsmitgliedern.»
SKM ist eine AKP-Vereinigung, UID nennt sich die UETD nach einer aktuellen Reorganisation.
Tatsächlich, das zeigen der TagesWoche vorliegende Bilder, arbeiteten zahlreiche UETD-Kaderleute als Wahlhelfer in Zürich. Ein Bild zeigt eine UETD-Gruppe beim Darstellen des islamischen Rabia-Grusses. Kann man unter diesen Voraussetzungen davon ausgehen, dass bei der Stimmabgabe alles regulär zu und her ging? Suat Sahin liess eine entsprechende Anfrage der TagesWoche unbeantwortet.
Aber nicht nur Erdogans AKP-Zuarbeiter in der Schweiz beaufsichtigten die Stimmabgabe. In der türkischen Botschaft in Bern amteten auch Graue Wölfe als offizielle Wahlhelfer, darunter Abdurrahman Sayar. Sayar ist Präsident der Basler Filiale der Grauen Wölfe. Die rechtsextreme Gruppierung wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Ihre politische Vertretung in der Türkei, die MHP, bildet mit der AKP eine Koalition.
In Basel organisieren sich die Grauen Wölfe im Türkischen Kultur Verein mit der zugehörigen Mevlana-Moschee. Die zur Schau gestellte, extremistische Symbolik des Basler Ablegers sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Kontroversen. Auch Sayar pflegt entsprechende Gesten.
Vor dem Transport der Urnen in die Türkei zeigt ihn ein Bild mit Gefährten auf dem Rollfeld von Bern – beim Zeigen des Wolfsgrusses, dem Erkennungssymbol der türkischen Ultranationalisten. Sayar reagierte nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme.