Rechtsradikale marschieren zum Unabhängigkeitstag in Warschau auf

Am polnischen Unabhängigkeitstag kam es auch dieses Jahr wieder zu einem «Marsch der Unabhängigkeit» in Warschau – organisiert von rechtsradikalen Gruppen und Parteien wie der Nationalbewegung (RN). Anders als befürchtet, gab es dabei jedoch bis zum späten Mittwoch-Nachmittag keine Ausschreitungen.

Ein Meer von polnischen Flaggen beim Zug der nationalistischen Gruppen in Warschau. 

(Bild: KACPER PEMPEL)

Am polnischen Unabhängigkeitstag kam es auch dieses Jahr wieder zu einem «Marsch der Unabhängigkeit» in Warschau – organisiert von rechtsradikalen Gruppen und Parteien wie der Nationalbewegung (RN). Anders als befürchtet, gab es dabei jedoch bis zum späten Mittwoch-Nachmittag keine Ausschreitungen.

Rund 25’000 Menschen zogen vom Stadtzentrum zum zwei Kilometer entfernten Vorfeld des Nationalstadions. Die Demonstranten zündeten Feuerwerkskörper und skandierten Parolen. «Polen ohne Islam» und «Weg mit der Europäischen Union» war immer wieder zu hören. Zahlreiche vermummte junge Männer mischten sich in die Spitze des Zuges. Die Organisatoren peitschten die Stimmung weiter hoch.

Der Unabhängigkeitstag erinnert an die Gründung der Zweiten Republik im Jahr 1918, nachdem das Land zuvor 123 Jahre unter Russland, Österreich und dem Deutschen Reich aufgeteilt war. Das diesjährige Motto des Aufmarsches lautete «Polen den Polen». Die Rhetorik der Organisatoren war vor allem gegen Flüchtlinge und Muslime gerichtet. «Ich bin überzeugt, dass es einer der ruhigsten Märsche wird», hatte Robert Winnicki, Chef der rechtsradikalen RN, im Vorfeld gesagt. In den vergangenen Jahren war es zu teils schweren Ausschreitungen gekommen, beim Marsch im letzten Jahr wurden mehrere Dutzend Polizisten und Teilnehmer verletzt.

Noch vor Beginn des Marsches verlasen die Organisatoren einen Brief, den Präsident Andrzej Duda an die Teilnehmer gerichtet hatte. «Ich hoffe darauf, dass es ein wunderschönes Fest der Jugend sein wird», hiess es darin.

Rund 1000 Veranstaltungen im ganzen Land 

Es waren denn auch meist junge Menschen, die am Mittwoch mitmarschierten – aber nicht nur. «Ich bin Monarchist und für radikale Veränderungen», sagte ein älterer Demonstrant im Gespräch. «Wir müssen uns um das eigene Land kümmern, wie die Deutschen es tun. Bislang betreiben Politiker in Polen einen Ausverkauf unserer Heimat», so der 62-Jährige.



Auf dem Weg vom Stadtzentrum zum Nationalstadion zündeten die Rechtsradikalen auch Feuerwerk.

Auf dem Weg vom Stadtzentrum zum Nationalstadion zündeten die Rechtsradikalen auch Feuerwerk. (Bild: AGENCJA GAZETA)

Ein 36-jähriger Teilnehmer wiederum sagte, ihm gehe es vor allem um echte Souveränität. «Wir müssen raus aus der EU, denn die zwingt uns ihre Politik auf, zum Beispiel die Aufnahme von Flüchtlingen», so der Krankenpfleger.

Wie schon in den Jahren zuvor überschattete der Marsch der Rechten die vielen anderen Veranstaltungen in der Hauptstadt. Es gab Konzerte, einen Lauf der Unabhängigkeit oder das historische Defilee am zentralen Pilsudski-Platz, das sich rund 10’000 Menschen in friedlicher Atmosphäre anschauten. Im ganzen Land wurden rund 1000 Veranstaltungen organisiert – meist von den lokalen Behörden, aber auch von rechten Gruppen.

Präsident Andrzej Duda und Polens künftige Premierministerin Beata Szydlo von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) absolvierten das offizielle Programm, etwa die feierliche Wachablösung am Grab des unbekannten Soldaten im Zentrum der Hauptstadt. «Nicht nur wir Polen müssen uns an die Geschichte erinnern, sie betrifft auch andere, die sich in einer ähnlichen geografischen und geopolitischen Lage befinden», sagte Duda, offenbar mit Bezug auf die Ukraine und die baltischen Staaten.



Das offizielle Polen feierte den Tag der Unabhängigkeit mit einem Defilee in Warschau. 

Das offizielle Polen feierte den Tag der Unabhängigkeit mit einem Defilee in Warschau. (Bild: AGENCJA GAZETA)

Vor allem Junge wählen rechte Gruppierungen

Rechte Kreise nutzen den 11. November seit einigen Jahren, um Dampf abzulassen – gegen liberale Tendenzen und die EU, für eine nationalistische Lesart der polnischen Geschichte. Und in diesem Jahr gegen Flüchtlinge, die es in Polen nach wie vor kaum gibt.

Rechtsradikale Parteien haben zwar auch bei der Wahl am 25. Oktober den Sprung in den Sejm, die grosse Kammer des Parlaments, nicht geschafft – auch wegen der scharfen Anti-Flüchtlingsrhetorik der PiS, die rechts von sich keine Parteien sehen möchte. Doch etwa ein Dutzend Mitglieder der rechtsradikalen RN sind über die Listen des Rechtspopulisten Pawel Kukiz in den Sejm gelangt.

Dort wollen sie ihre Schlagkraft ausbauen. Vorbild ist die ungarische Jobbik, von der einige Vertreter am Mittwoch in Warschau mitmarschierten. Beobachter mutmassen, die Kukiz-Gruppierung könnte sich künftig radikalisieren. Es waren vor allem Jungwähler, die Kukiz und anderen rechten Parteien ihre Zustimmung gaben. Die Jungen sind es auch, die das Gros der Demonstranten beim Marsch in Warschau bildeten.

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