Reiche dieses Landes, verteilt Euer Geld!

Rudolf Wehrli, neuer Präsident von Economiesuisse, bringt ein interessantes Argument in die Debatte um die Abzocker-Initiative ein: Er fordert seine reichen Mitbürger zum öffentlichen Mäzenatentum auf.

Rudolf Wehrli, Präsident economiesuisse, erklärt, was man mit Abzocker-Löhnen Gutes tun könnte. (Bild: Keystone/Steffen Schmidt)

Rudolf Wehrli, neuer Präsident von Economiesuisse, bringt ein interessantes Argument in die Debatte um die Abzocker-Initiative ein: Er fordert seine reichen Mitbürger zum öffentlichen Mäzenatentum auf.

Auf die Jusos ist Verlass. Pünktlich zur ersten Medienkonferenz von Rudolf Wehrli, seit Oktober 2012 Nachfolger von Gerold Bührer an der Spitze des Wirtschaftverbands Economiesuisse, standen die Jungsozialisten mit Anti-Abzocker-Transparent und ad hoc Märlitheater vor dem Hauptsitz von Economiesuisse an der Hegibachstrasse 47 in Zürich.

Das Überraschende am Auftritt der Jungsozialisten zu Ehren ihres erklärten Lieblingsfeindes war die Reaktion von Economiesuisse: sanft, mit einem leichten Hang zum Kuscheln. Eine Vertreterin der Jusos durfte die Jahresmedienkonferenz bei Kaffee und Gipfeli drinnen im Warmen beobachten, nach der Konferenz traf man sich zum lockeren Austausch.

Wehrli, ein studierter Philosoph und Theologe, eröffnete sein Referat folgerichtig mit einer kleinen Beichte, die man so noch selten bis nie von einem Schweizer Wirtschaftsführer gehört hat. «Schon Hegel und Fichte wussten, dass es durchaus sinnvoll ist, dann und wann die Gegenseite anzuhören. Ich lese auch die WOZ – darin ist häufig Interessantes und gut Gemachtes zu finden.» Der WOZ-Kollege, am gleichen Pult wie die TagesWoche situiert, musste leicht kichern und widmete sich dann wieder seinen Notizen.

Nicht Schiss

Und er hielt dort wahrscheinlich auch die Argumente des neuen Economiesuisse-Präsidenten gegen die Abzocker-Initiative fest. Wehrli äusserte sich zum ersten Mal zur Initiative, die ein nicht ganz einfaches Geschäft für den Wirtschaftsverband ist (hier ein paar Beispiele). Wehrlis Vorgänger Bührer beispielsweise hatte sich standhaft geweigert, im direkten Duell gegen den Initianten Thomas Minder anzutreten. Was dieser im «Blick» mit der Bemerkung: «Der hat Schiss!» kommentierte (online nicht verfügbar).

«Schiss» war dem neuen Präsidenten nicht anzumerken. Natürlich wiederholte Wehrli all die bereits bekannten Argumente von Economiesuisse: die Angst um den Wirtschaftsstandort Schweiz, die enge Verknüpfung und Abhängigkeit von tausenden von KMU von börsenkotierten Grossunternehmen («Die KMU sind in Gefahr!»), die Förderung von kurzfristigen Investitionen beim Zwang, den Verwaltungsrat jährlich neu zu wählen, etc.

Das öffentliche Mäzenatentum

Aber Wehrli brachte auch ein neues Argument in die Debatte ein. Die Masslosigkeit gewisser Manager sei zum Schaden des gesamten Systems, weil nur ein Teil der Lohnkultur aus den USA importiert worden sei: «Wir haben aus den USA die hohen Zahlen übernommen, aber nicht die Verpflichtung zum Mäzenatentum.» In den Vereinigten Staaten sei es nicht unanständig, zweistellige Millionenbeträge zu verdienen, solange sich der Lohnempfänger seiner sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sei. Konkret: solange der Manager sein vieles Geld wieder unter die Leute bringt – eine Universität finanziell unterstützt, ein Orchester sponsert, einen neuen Museumsflügel postet. «In der Schweiz ist diese gesellschaftliche Verantwortung viel zu wenig entwickelt.»

Das Mäzenatentum in der Schweiz, vor allem in den Städten Zürich und Basel, sei durch ein zu grosses Understatement gekennzeichnet. Dieses Understatement sei aber von der Zeit überholt worden. Corporate Governance verpflichtet die Unternehmen, ihre Zahlen offen zu legen. «Und darum müssen wir jetzt auch darüber reden, was wir mit dem Geld alles Gutes tun. Wir müssen die Kultur des sichtbaren Mäzenatentums fördern.»

Und ein altes Argument

Sagte Wehrli und erklärte danach – die zeitliche Nähe der Argumente war wohl beabsichtigt – dass der Kampagnenbeitrag von Economiesuisse in der Höhe von 5 bis 8 Millionen Franken gegen die Abzocker-Initiative aus den normalen Mitgliederbeiträgen stamme und von allen Gremien «einstimmig» genehmigt worden sei. Diese Mittel (die Initianten denken, es seien noch mehr) würden dem Schädigungspotenzial der Initiative entsprechen und schloss seine Rede gegen die Abzocker-Initiative mit einem jener Argumente, die man schon etwas häufiger gehört hat: «Wir setzen uns für den Standort ein. Nicht für die Abzocker!»

Der viel zu günstige Verkehr
Rudolf Wehrli begnügte sich bei seiner Medienkonferenz nicht auf die Attacke der Abzocker-Initiative. In einer thematisch sehr breiten «Tour d’Horizon» machte er unter dem allgemeinen Thema der Nachhaltigkeit teilweise provokative Aussagen:

  • Mobilität sei viel zu billig und einer der Hauptgründe der Zersiedelung. «Mobilität auf der Strasse und der Schiene muss teurer werden. Sie ist kein Menschenrecht.»
  • Die Energiestrategie 2050 von Bundesrätin Doris Leuthard zerzauste Wehrli gründlich und mit Verve. Die Strategie gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und sei viel zu teuer. Eine Studie zu den Kosten der Energiewende hat Economiesuisse für Ende Januar angekündigt.
  • Wehrli fordert eine Schuldenbremse für Sozialwerke und die Anpassung der Renten. «Alle wissen, dass heutige Rentner viel zu hohe Bezüge haben», sagte Wehrli, «tagtäglich findet eine Umverteilung zulasten unserer Kinder und Kindeskinder statt.»

Quellen

Die Medienmappe der Economiesuisse.

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