Religion und Gewalt: Expertenrunde fordert Journalismus jenseits von Gut und Böse

An der Uni Basel hat eine Expertenrunde am Beispiel des IS-Terrors über die Verantwortung der Schweizer Medien diskutiert. Dabei übte unter anderem SRG-Chef Roger de Weck Kritik an der Boulevardisierung des Journalismus.

Roger de Weck im Gespräch mit Janine Dahinden und Antonio Loprieno, Rektor der Uni Basel. (Bild: Lukas Tschopp)

An der Uni Basel hat eine Expertenrunde am Beispiel des IS-Terrors über die Verantwortung der Schweizer Medien diskutiert. Dabei übte unter anderem SRG-Chef Roger de Weck Kritik an der Boulevardisierung des Journalismus.

Das Bild, welches das Jahrbuch 2014 «Qualität der Medien» von der Schweizer Medienlandschaft malt, ist düster: Infotainment statt Qualität, Human-Interest-Geschichten statt sachliche Berichterstattung, Sparrunden statt journalistische Einordnungsleistung. Auf dem Spiel stehe nichts weniger als die informierte Demokratie, mahnt Soziologieprofessor und Jahrbuch-Begründer Kurt Imhof – und plädiert für eine Förderung des redaktionellen Journalismus.

An einem Podium der Uni Basel zum Thema «Religionen und Gewalt – die Verantwortung der Schweizer Medien» blies SRG-Generaldirektor Roger de Weck ins gleiche Horn: Medien seien heute in erster Linie «Content-Provider», die verzweifelt nach Inhalten suchten und gleichzeitig einen Kampf um die Gunst des Lesers führten. Darunter leide der kritische Journalismus. Gerade in Religionsfragen kehre man zurück zum simplen Kriterium von Gut und Böse. Dies aber sei ein Stilmittel des Populismus, ein Stilmittel des Boulevard-Journalismus.

Terror-Videos statt Auslandkorrespondenten

«Wer Show will, wer Action will, der ist heute gut bedient», so Roger de Weck. Die mediale Verkürzung des Islams auf die Enthauptungs-Videos des IS-Terrors tue dieser religiösen Gemeinschaft allerdings höchst unrecht. Gefragt sei ebenjene journalistische Einordungsleistung, welche die Herausgeber des Jahrbuchs so stark vermissen: «Heute sind weite Teile der islamischen Gemeinschaft in der Krise. Hier das Ideologische und das Religiöse auseinanderzuhalten scheint mir für die Einordnung der Dinge wesentlich.»

Aufgabe der Medien sei es, in diesen nur vordergründig religiösen Konflikten die Vielschichtigkeit der Geschichte herauszuarbeiten. «Wenn man etwas gräbt, etwas forscht, etwas vertieft, merkt man, dass die Dinge viel komplexer sind, als irgendwelche YouTube-Videos den Eindruck erwecken.» Ähnlich sieht das auch ein anderer Podiumsteilnehmer, der Islam- und Religionswissenschaftler Samuel M. Behloul: «Es scheint mir, als ersetze die IS-Propaganda unsere Auslandkorrespondenten.»

«Mehr Respekt vor Lesern, Hörern und Zuschauern»

Behloul stellte sich die Frage, ob die Enthauptungs-Videos der IS-Terrorgruppe tatsächlich das Schrecklichste gewesen sei, was die Welt je gesehen habe. Und erinnerte etwa an die blutigen Zeiten der Französischen Revolution, «als die Enthauptungen mit der Guillotine eben noch nicht mit der Kamera festgehalten wurden». Auch Behloul sprach sich dafür aus, die Brutalität des IS-Terrors durch historische Vergleiche zu kontextualisieren.

Was tun, um von diesem Populismus, diesem medialen Gut-Böse-Schema wegzukommen? De Weck fordert eine bessere Aus- und Fortbildung für Journalisten, Mehrinvestitionen in die journalistische Recherche sowie mehr Respekt vor Lesern, Hörern und Zuschauern. Gleichzeitig glaubt er jedoch, dass sich das ökonomische Prinzip der Boulevardisierung weiter verstärken wird. Und kommt damit zum selben Schluss wie die Autoren des Jahrbuchs: Unterhaltung und Infotainment bringen nicht nur Werbegelder, sondern auch Publikum.

Nächster Artikel