Rheinhattan macht nicht alle glücklich

An einem Informationsanlass äusserten sich Kleinbasler kritisch über das 3Land-Projekt, das Basels Skyline markant verändern wird. Sie befürchten, dass die Aufwertung des Quartiers rund um die Klybeckinsel Anwohner verdrängen wird.

Das Anschauungsmodell des 3Land-Projektes am Info-Abend im «Echoraum». (Bild: Ketty Bertossi)

An einem Informationsanlass äusserten sich Kleinbasler kritisch über das 3Land-Projekt, das Basels Skyline markant verändern wird. Sie befürchten, dass die Aufwertung des Quartiers rund um die Klybeckinsel Anwohner verdrängen wird.

Die Stimmung ist angespannt im «Echoraum» des 3Land-Projekts an der Basler Uferstrasse. «Für wen sollen denn diese Hochhäuser gebaut werden?», fragt ein Besucher und gibt gleich selber eine Antwort: «Sicher nicht für uns!»

Rund 30 Anwohner aus den Quartieren Klybeck und Kleinhüningen sowie weitere Interessierte sind zum Informationsabend des Basler Hochbau- und Planungsamts gekommen. Das Modell, das die Baumassnahmen rund um die Klybeckinsel verdeutlichen soll, ist riesig und nur schwer überschaubar. «Darauf erkennt man ja das Viertel kaum mehr wieder», sagt ein Anwesender. Und eine Frau befürchtet, dass die Anwohner durch das Stadtentwicklungsprojekt aus dem Quar­tier ­vertrieben werden könnten: «Kündi­gungen, Mietzinserhöhungen und Sanierungen haben bereits begonnen.»

Gigantisches Bauvorhaben

Das Bauvorhaben ist tatsächlich gewaltig. Auf der Klybeckinsel ist eine neue Siedlung mit mehreren Hochhäusern geplant, die die Skyline der Stadt markant verändern wird. Die Umwandlung vom Hafen- zum Stadtquartier wird bis zur Vollendung noch Jahrzehnte dauern, doch bereits jetzt laufen die Planungen für die Rheininsel auf Hochtouren.

Besonders dieses Bauvorhaben wird von den Besuchern skeptisch beurteilt. Von Gigantismus und Verdrängung ist die Rede. Thomas Waltert, Projektkoordinator des Planungsamts Basel-Stadt, sagt dazu: «Wir verdrängen niemanden, im Gegenteil, wir schaffen ­neuen Wohn- und Arbeitsraum. Basel braucht Leute von ausserhalb, damit die Wirtschaft läuft – und diese Leute brauchen Wohn- und Arbeitsraum.»

Waltert weist auch darauf hin, dass es sich bei den Besuchern dieses spon­tanen, nicht­ öffentlichen Informations­anlasses im «Echoraum» nicht um die Anwohnergruppe aus dem Quartier ge­handelt habe, die das Projekt offiziell be­gleite. «Zudem handelt es sich bei den prä­sentierten Modellen nicht um ­definitive Projekte, sondern um ­Ideen und Diskussionsgrundlagen.» In einem nächsten Arbeitsschritt sollen mit den deutschen und französischen Partnern ökologische und wirtschaft­liche Fragen geklärt und die Projekt­ideen mit den Bedürfnissen der Hafenwirtschaft und der Bewohner abgestimmt werden. «All diese Arbeiten», so Waltert, «werden die Grundlage für den politischen Entscheidungsprozess liefern.»

«Rheinhattan» als Angelpunkt

Von den Verantwortlichen gern ins Spiel gebracht wird auch die länderübergreifende und ökonomische Dimension des Projekts. Erhält es grünes Licht, wird markant in die Rheinhäfen investiert: Hu­nin­gue und Weil am Rhein würden ihre Häfen Richtung Norden verschieben. Basel könnte seinen Hafen­betrieb auf die Hafenbecken und den Umschlagplatz Con­tainer­­­­ter­minal Basel-Nord konzentrieren und die Güterbahngleise im Hafenareal Kleinhüningen würden mittelfristig stillgelegt. Auf dem neu gewonnenen Land könnten die drei Nachbarstädte zum Rhein hin wachsen und einen neuen trinationalen Lebensraum bilden. «Eine riesige Chance für Basel und die die ganze Region», sagt Waltert.

Dreh- und Angelpunkt des Projekts ist die Rheininsel, die in den Visua­li­sie­rungen stets mit glänzenden Hochhäusern zugebaut ist und deshalb auch ­gerne «New Manhattan» oder «Rheinhattan» genannt wird. Auf dem Planungsmodell führt von der Kly­beck­insel eine Brücke an das westliche Rheinufer. Dort plant Huningue in Zusammen­arbeit mit Novartis und BASF die Errichtung eines neuen Arbeits- und Wohnquartiers, das «Quartier du Diamant». Auch auf der Kleinbasler Seite, wo bei der Dreirosenbrücke die Firmen Novartis, Huntsman und BASF ansässig sind, sind unter dem Namen «Areal Klybeck» tiefgreifende Umstrukturierungen geplant. «Huntsman verlässt dieses Gebiet in den nächsten Jahren», sagt Waltert, «für Basel entsteht die Chance, mit Novartis und BASF eine Nachnutzung des Areals zu planen. Dann hätten die beiden Firmen Zugang zum Wasser und Basel könnte die Idee der Rheininsel realisieren.»

Angst vor steigenden Mietzinsen

Wer das Modell des 3Land-Projekts genau studiert, dem fällt auf, dass die Rheininsel auf zwei Seiten vom künftigen Novartis- und BASF-Gebiet umgeben sein wird: auf der Westseite vom geplanten Ausbau des Campus und dem «Quartier du Diamant» und vom Süden her durch das «Areal Klybeck». Es drängt sich die Frage auf, ob die Rheininsel mit ihren Hochhäusern ein Wohn- und Arbeitsstandort für die Pharma- und Chemieindustrie werden soll. Das sei Spekulation, sagt Waltert, «Zielsetzung für die Rheininsel ist eine vielfältige Durchmischung.»

Den Bewohnern des Klybeckquartiers bereitet derweil anderes Sorgen: Sie befürchten, dass durch den Quartierausbau die Mietzinsen steigen werden. Diesen Ängsten begegnet Projektkoordinator Waltert mit dem Hinweis auf den zunehmenden Wohnungs­mangel: «Ohne Wohungsbau wird der Wohnraum immer knapper. Das treibt die Mietpreise in die Höhe – ein Effekt, wie er in Zürich und Genf aktuell ist. Wenn wir günstigen Wohnraum erhalten wollen, dann müssen wir neuen Wohnraum bauen.»

Auch stehen manche Einwohnerinnen und Einwohner den geplanten verkehrstechnischen Veränderungen skeptisch gegenüber: Das Verkehrsnetz, das neue Strassen-, Tram-, und S-Bahn-Verbindungen vorsieht, drohe die historisch gewachsene Quartiersinfrastruktur zu zerstören, sagt ein Anwohner. Es komme zu einer «Verrupfung» des sozialen Gefüges im Quartier.

Um solche Befürchtungen zu zerstreuen, sei eine Mitwirkungsver­einbarung zwischen den Anwohnern und dem Planungsamt getroffen worden, heisst es beim Planungsamt. Eine De­le­gation von 20 Einwohnerinnen und Einwohnern wird sich künftig alle paar ­Monate mit den Behörden zu In­for­ma­tionsgesprächen treffen. Es gilt eine Schweigevereinbarung über die Details der Planung; nur alle zwei Jahre sollen die Treffen in der Öffentlichkeit statt­finden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.07.12

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