Der Italo-Schweizer Roberto Di Matteo zeigt auf Schalke, wer der neue Boss ist. Er krempelt das Training um, die Mannschaft will er aber nur langsam verändern.
Es gehört zum Alltag in der Bundesliga, dass Augenzeugenberichte von den ersten Übungseinheiten nach Trainerwechseln wenig schmeichelhaft für den vormaligen Fussball-Lehrer klingen. Schalkes Mittelfeldspieler Roman Neustädter sagt beispielsweise, sein neuer Trainer Roberto Di Matteo habe «klare Vorstellungen» und «ein klares Spielsystem».
Manager Horst Heldt hat beobachtet, dass die Spieler unter dem Italiener «sehr fokussiert» seien. Man fragt sich also: Mangelte es unter im den den 22 Monaten unter dem in der vorigen Woche entlassenen Jens Keller wirklich an derlei Selbstverständlichkeiten?
Von der Lethargie befreit
Vermutlich nicht, auch Keller wurde immer wieder mit ähnlich klingendem und in Wahrheit wenig aussagekräftigen Lob überschüttet, aber eine Sache hat sich ohne jeden Zweifel verändert, seit Di Matteo der Chef auf dem Trainingsplatz ist: «Die Intensität ist höher», sagt Neustädter, der neuerdings «mit einem Lachen nach Hause» geht. «Weil du weisst, du hast viel gemacht und gut trainiert.» Die Keller-Entlassung hat die Schalker aus einem Zustand der Lethargie befreit, so viel ist schon vor Di Matteos erstem Spiel am Samstagabend gegen Hertha BSC Berlin erkennbar.
Hat nicht nur den Fans erstmal Hallo gesagt: Auch die Spieler (im Bild Chinedu Obasi) lernen den Coach noch kennen. (Bild: WOLFGANG RATTAY)
Die tiefer liegenden Veränderungen hingegen, taktisch-systematische Eingriffe, werde er «erst langsam» einführen, sagt Di Matteo. Das Erfolgsgeheimnis laute erstmal: Punkte holen mit der Kraft der Veränderung. «Ich glaube, dass die Mannschaft eine Reaktion zeigen will», verkündet der 44-Jährige, «man wird sehen, dass die Spieler nicht zufrieden sind mit der aktuellen Situation.»
Jenseits dieser Hoffnung auf eine Trotzreaktion hat er in seinen ersten Arbeittagen allerdings schon einmal einige ungewöhnliche Massnahmen ergriffen. So sind Zeugwart Enrico Heil und Busfahrer Lars Larser neuerdings auf dem Trainingsplatz dabei, sie sollen helfen, die viele Hütchen und Stangen umzustellen, damit keine längeren Pausen entstehen. Dafür gehört die Psychologin Theresa Holst nicht mehr zum Stab auf dem Rasen, «diese Zeit gehört mir als Trainer», erklärt Di Matteo.
Bislang konnte Di Matteo also noch nicht eindeutig erklären, was für eine Spielweise er sich für den FC Schalke künftig vorstellt. Die Offensive ist gut, die Defensive muss besser werden, das ist reichlich vage und klingt ein wenig nach Jens Keller, dessen Spielidee darin bestand, gut zu verteidigen, den Ball in bestimmten Zonen zu erobern, um dann mit der individuellen Qualität seiner Offensivleute zu Toren zu kommen.
Sogar die Frage, ob ihn als Spieler eher der schweizerische, der italienische oder der englische Fussball geprägt habe, beantwortet Di Matteo ausweichend: «Ich bin geprägt von allen Ländern, in denen ich gespielt habe.»
Noch gibt dieser Mann also nicht zu erkennen, was er genau er vorhat, es wird Zeit, dass dieser neue FC Schalke sich im Bundesligawettbewerb zeigt.
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Schalke 04 gegen Hertha BSC, Samstag, 18.10.2014. Anstoss: 18:30 Uhr.