Sarkozy usurpiert die Republik

Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy will seine UMP-Partei in «die Republikaner» umbenennen. Ein Gericht in Paris wies am Dienstag Eilklagen von Gegnern aus dem linken Lager ab. Doch der neue Name kommt auch in der UMP nicht bei allen an – jetzt lanciert Sarkozy eine Online-Abstimmung.

Nicolas Sarkozy über die Gegner des neuen Parteinamens: «Die Linke soll nicht so laut schreien. Sie wird sich daran gewöhnen.» (Bild: THIBAULT CAMUS)

Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy will seine UMP-Partei in «die Republikaner» umbenennen. Ein Gericht in Paris wies am Dienstag Eilklagen von Gegnern aus dem linken Lager ab. Doch der neue Name kommt auch in der UMP nicht bei allen an – jetzt lanciert Sarkozy eine Online-Abstimmung.

Die Idee schien einfach und bestechend, wie vieles, was Nicolas Sarkozy anpackt: Seine Union für eine Volksbewegung (UMP), deren Kürzel vor allem auf Parteiskandale, Postenschacher und Hahnenkämpfe reimt, soll in Zukunft «les Républicains» heissen. Diese wären der alten Finanzaffären entledigt, und ihr Chef könnte mit neuen Parteifarben in die Präsidentschaftswahlen 2017 ziehen.

Vor allem würde die schlecht beleumundete Formation wie durch Zauberhand zu jener Sammelbewegung, die dem 2012 aus dem Amt gewählten Sarkozy so breit wie möglich vorschwebt: Denn welcher Franzose würde bestreiten, ein glühender Anhänger der Republik, das heisst ein überzeugter Republikaner zu sein?

Linke geht auf die Barrikaden

Die geniale Idee war aber zu genial. Plötzlich ist gar nicht mehr so sicher, dass der UMP-Kongress am kommenden Wochenende den neuen Parteinamen absegnen wird. Dem Vorhaben erwächst immer mehr Widerstand. «Ihr seid nicht die einzigen Republikaner», donnerte schon Anfang Mai der Linken-Politiker Jean-Luc Mélenchon. «Worte wie Republikaner oder Patrioten dürfen von einer Organisation nicht privatisiert werden.» Schliesslich umfasse die Bezeichnung «Republik» wie ihre lateinische Wurzel «res publica» das höchste aller Güter – das öffentliche.

Sarkozy machte sich zuerst nur über die Einwände lustig: «Die Linke soll nicht so laut schreien. Sie wird sich daran gewöhnen.» Dann wandten aber auch Historiker wie Jean-Noël Jeanneney ein, das Wort «republikanisch» stelle ein «politisches Ideal aller Franzosen» dar.

Die erste französische Republik ging 1792 aus der grossen Revolution hervor; nach diversen antirepublikanischen Intermezzi wie dem Kaisertum oder Vichy ist Frankreich mittlerweile bei der Fünften Republik angelangt. Und die ist heute politisches Gemeingut, eine Art Staatsreligion für Laizisten.

Jeder Pariser Politiker, der etwas auf sich hält, beendet seine Rede mit einem flammenden «vive la République, vive la France!» Sogar Marine Le Pen beansprucht heute für sich, sie stehe zur und hinter der Republik.

Sarkozy erhebt den Alleinanspruch

Jetzt erhebt Sarkozy den Alleinanspruch darauf. Und steht damit zunehmend allein da. Sein interner Widersacher Alain Juppé hält sich vorsichtig aus der Debatte heraus. In Umfragen sprechen sich heute nicht nur die Franzosen insgesamt, sondern auch die UMP-Wähler mehrheitlich gegen die Parteibezeichnung «Republikaner» aus.

Sarkozy erklärt nun, seine Vorgänger Charles de Gaulle und Jacques Chirac hätten die Partei schon «Union für eine Neue Republik (1958) und «Sammlungsbewegung für die Republik» (1976) genannt. Den Vorwurf, er lasse sich von den konservativen US-Republikanern inspirieren, weist er zurück. Diese träten für ein multikulturelles Modell ein, während Frankreich die – auch ethnische – Gleichheit aller hochhalte.

Noch unlogischer ist Sarkozys Einwurf, die französischen Sozialisten seien zuerst Sozialisten und dann erst Republikaner, während die UMP in erster Linie republikanisch und erst danach liberal oder konservativ eingestellt sei. In Wahrheit war die französische Republik stets von der Rechten – Monarchisten, Bonapartisten oder Pétainisten – bekämpft oder zumindest als «gueuse» (Bettlerin) beschimpft worden.

Sarkozys bekannte Verdrehungskünste verärgern und vereinen seine Gegner aber nur noch mehr. Mehrere Verbände linker oder bürgerlicher Couleur, die in ihrem Namen das Attribut «republikanisch» tragen, verlangten von einem Gericht per Eilverfahren, der Parteiname «die Republikaner» sei als widerrechtlich zu verbieten; er usurpiere einen Wesenszug, der «allen Parteien gemein» sei, und stelle insofern eine «Warentäuschung» dar.

Berlusconi beisst an

Ein Pariser Schnellgericht hat den neuen Parteinamen am Dienstag genehmigt. Die Gegner wollen das Urteil anfechten. Dies lässt einen langen Rechtsstreit erwarten.

Sarkozy versucht deshalb, vollendete Tatsachen zu schaffen: Im Hinblick auf den Parteitag von diesem Wochenende organisiert er unter den 210 000 UMP-Mitgliedern eine Internetabstimmung über den neuen Namen. Der Ausgang ist offen. Und damit vorläufig auch die Frage, wie viele Republikaner noch zu Sarkozy halten. Nach seinem mühseligen Comeback von Ende 2014 hat der streitbare Ex-Präsident erstmals wieder die Initiative an sich gerissen.

Sein grösster Anhänger befindet sich allerdings nicht in Frankreich: Gerüchtweise will Silvio Berlusconi in Italien nun ebenfalls die «I Repubblicani» gründen.        

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