Verschwulungstheoretiker sehen die Werte des Abendlandes durch die Homo-Ehe-Debatte in Gefahr: Dabei sind Homosexuelle genauso Teil unserer Gesellschaft wie irgendwelche Fundamentalisten.
Könnten wir bitte mit dem Schwulen-Bashing aufhören! Schon wieder wird über ein Thema gestritten, das mit wenigen Worten abgehandelt ist: gleiche Rechte für alle. Was gibt es da zu diskutieren?
Wir können gern über die Wandlung der Begriffe «Beziehung» und «Ehe» sprechen und die Auswirkungen einer Adoption auf die Entwicklung von Kindern erforschen. Aber jemanden wegen seiner Homosexualität gegenüber Heterosexuellen zu benachteiligen ist mittelalterlich!
Schon die alten Griechen
Diese Diskussion gehört so nicht in die «Arena», in ein modernes TV-Studio mit LED-Screens und Social-Media-Interaktion. Solches Gedankengut gehört für mich in eine Zeit, in der elektrisches Licht noch nicht erfunden war und jeder Twitterer wegen Teufelsanbetung öffentlich gevierteilt worden wäre. Und nicht mal in dieses Zeitalter passt die gesellschaftstaugliche Homophobie. Denn schon die schwulen Griechen waren alt. Oder umgekehrt.
Und, wer weiss, vielleicht ist auch dein Pfarrer schwul oder deine Mutter. Ja, sogar dein Lieblingsrapper. (Ja, ich zelebriere hier das Adjektiv «schwul» so lange, bis ihm seine scheinbar sündige, schlechte Konnotation exorziert wurde.) Sieh es ein: Homosexuelle sind Teil unserer Gesellschaft. Sie sind unsere Freunde, Vorgesetzten und Verwandten und es gibt keinen Grund, sie in irgendeinem Lebensbereich schlechter zu behandeln als Heteros (was auch immer das genau ist, so ein Hetero). Und deshalb sollten wir uns bei den Homos entschuldigen für die unsägliche Ungerechtigkeit, dass sie in unserem modernen Land immer noch nicht heiraten und Familien gründen dürfen.
Irgendwann hat man eingesehen, dass auch Schwarze im Bus sitzen dürfen, wo sie wollen.
Das ist das, was ich als Hetero-Mann und Künstler tun kann: mich schämen, mich äussern und darauf warten, dass die Schweiz und alle anderen konservativen Länder zur Einsicht kommen. Irgendwann hat man eingesehen, dass Schwarze gleichwertige Mitmenschen sind und im Bus sitzen dürfen, wo sie wollen, verdammt!
Man sah auch sehr, sehr spät ein, dass es Frauen nicht schadet, wenn sie sich bilden, und dass sie auch abstimmen dürfen, müssen, sollten. Und irgendwann wird man auch begreifen, dass Homosexuelle gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft sind. Gewiss werden immer wieder geistige Primaten und religiös verblendete Psychotiker des Weges kommen und mit Pseudo-Moral-Keulen auf diese humanistischen Errungenschaften einknüppeln, aber die Intelligenz wird sich ihren Weg bahnen und auch den Homos irgendwann zu vollen Rechten verhelfen.
Bye, Heuchelei
Ich kann natürlich nicht wissen, wie es ist, als Homosexueller in der Schweiz aufzuwachsen und zu leben. Aber als Rapper, der auch Ausflüge in den Reggae gemacht hat und als Kind christlich erzogen wurde (oder ganz einfach als Mann), kann ich doch ein ziemlich langes groteskes Liedchen über Homophobie singen.
Ich habe ja nichts gegen Rapper oder Rastafaris oder Christen, aber irgendwie sind da schon ziemlich viele homophob, intolerant und hasserfüllt in ihrem «Swag», ihrer «One Love» und ihrer Nächstenliebe, die sie predigen. Der eben gedroppte Satz ist bitte als sarkastische Spiegelung zu verstehen: Ich mag den Satz «Ich hab ja nichts gegen blabla, aber ich finde blaba» überhaupt nicht.
Aber solche Sprüche bekommen Schwule in der Schweiz permanent zu hören. «Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber sie müssen ihre Schweinereien doch nicht vor meinen Augen zelebrieren.» Oder noch besser: «Wenn du dich entscheidest, schwul zu sein, dann ist das deine Sache, aber beeinflusse nicht unsere Kinder damit.»
Nicht Homosexuelle sind eine Gefahr für die moderne Gesellschaft, sondern die Verschwulungstheoretiker.
Dieser Satz ist verletzend und falsch. Mehr Sinn machen würde: «Du kannst natürlich schon ein fundamentalistisches Arschloch sein, aber bitte nicht vor meinen Kindern.» Ach ja, die Kinder. Sprechen wir über das vielzitierte Kindswohl und die gute alte Familie. Kann mir jemand Beispiele nennen von Epochen, Gebieten, Religionen, in denen dieses Frau-Mann-Kinder-Modell eine ungetrübte Idylle war? Wir sprechen immer von Kindswohl, intakten Familien und vom neuzeitlichen Zerfall der Moral, aber wo bitte hat denn diese Bilderbuch-Moral real existiert?
Da, wo ihr christliche Werte, klare Rollen von Mann und Frau und traditionelle Familienbilder seht, sehe ich zerrüttete Familien, geschlagene Kinder, unterdrückte Frauen, Betrug, Missbrauch, Vernachlässigungen und – um all diese leider menschlichen Disziplinen noch zu verschlimmern – die Vertuschung dieser Realitäten, Bigotterie und Doppelmoral. Eine Heuchelei, die eben auch dazu geführt hat, dass jahrhundertelang Homosexuelle unterdrückt, verfolgt und getötet wurden und werden. Von dieser Heuchelei müssen wir uns definitiv verabschieden. Deshalb sollten wir schleunigst Homosexuelle vor dem Recht und in unserer Gesellschaft gleichstellen.
Liebe ist alles
Die Verweigerung dieser Gleichberechtigung ist nicht nur Ausdruck von Glauben, einer Ideologie oder einer Lebenseinstellung. Es ist Beihilfe zur Aufrechterhaltung menschenverachtender Dynamiken. Ein Kind braucht vor allem Liebe und gerade die ist es, die keinen Unterschied macht zwischen Hetero und Homo.
Niemand kann garantieren, dass er ein Kind perfekt erzieht oder eine Vorzeige-Familie gründet, aber die Diskriminierung einer Menschengruppe aufgrund scheinheiliger Motive wird immer zu gesellschaftlicher Misere führen. Nicht die Homosexuellen sind eine Gefahr für die moderne Gesellschaft, sondern Aberglaube, Indoktrination und Verschwulungstheoretiker.
Ich werde mich weiterhin für eine offene Schweiz, eine bunte Schweiz, für Aufklärung und Gleichberechtigung einsetzen, damit meine künftigen Kinder in einer immer besseren Welt aufwachsen können. Falls sie dann mal über ein Video zur heutigen Homo-Ehe-Diskussion stolpern sollten, kann ich antworten: «Tja, das war damals, als es auch noch so etwas wie Rassismus gab – haben wir zum Glück alles überwunden. Und jetzt fleissig weiter Cyber-Geige üben, Justin Cosimo!»