Die Schweiz braucht ein Asylsystem, das effizient, verbindlich, glaubwürdig und gerecht ist – hier könnte Holland ein Vorbild sein.
Ein grosses Problem unseres Asylsystems ist die viel zu lange Dauer der Verfahren – mit negativen Folgen für alle Beteiligten. Im Falle der Schutzgewährung geht wertvolle Zeit für die Integration verloren. Im Falle der Ablehnung wird die Rückkehr stark erschwert, weil die Betroffenen bereits Beziehungen geknüpft und Wurzeln geschlagen haben. Beides verursacht hohe Kosten und stellt letztlich unsere Asylpolitik als Ganzes in Frage.
Wie ist es dazu gekommen? 1981 wurde in der Schweiz ein liberales Asylgesetz in Kraft gesetzt. Seither wurde dieses alle drei bis vier Jahre einer Revision unterzogen, und es ist ein Flickenteppich entstanden, den heute kaum mehr jemand überblicken kann. Der Ständerat hat diese Entwicklung im Herbst 2010 als nutzlose «Pflästerlipolitik» kritisiert und den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zur Lage im Asylbereich zu verfassen und neue Handlungsoptionen für eine markante Reduktion der Verfahrensdauer aufzuzeigen.
Die harte Abrechnung des Ständerats mit einer Asylpolitik, die mit immer wieder neuen Gesetzesartikeln Lösungen für Probleme in Aussicht stellte, deren Ursache gar nicht in ihrer Reichweite liegen, stellt einen Wendepunkt dar und öffnet den Weg zu einem sachlichen Umgang mit den Herausforderungen, die sich uns in diesem Bereich stellen.
Das heutige Prozedere dauert zu lange
In Holland ist man bereits vor ein paar Jahren an diesen Punkt gelangt und verfügt heute über ein Asylsystem, das in weiten Teilen gut funktioniert, weil es klar und verbindlich, korrekt und gerecht ist – und weil alle wichtigen Akteure eingebunden sind und eng zusammenarbeiten. In einer längstens drei Wochen dauernden Ruhe- und Vorbereitungszeit bereiten sich Behörden und Asylsuchende gemäss einem festgelegten Ablauf auf das Verfahren vor. Dazu gehören auch ein freiwilliger medizinischer Untersuch, um festzustellen, ob die Gesuchsteller fit sind für die Anhörung, sowie ein erster Besuch beim Rechtsanwalt, der während des ganzen Verfahrens die Interessen der Asylsuchenden vertritt.
Anschliessend beginnt das eigentliche Verfahren, das in 40 Prozent der Fälle innert acht bis vierzehn Tagen, in allen anderen Fällen innert sechs Monaten erstinstanzlich abgeschlossen wird. Ist ein Asylsuchender mit einem negativen Entscheid nicht einverstanden, kann er an die Rekursinstanz gelangen, welche ebenfalls in rekordverdächtiger Zeit einen Entscheid fällt.
Bundesrätin Sommaruga hat in ihrem Bericht für den Ständerat die Schwächen unseres Asylsystems schonungslos offengelegt. Bei den Handlungsoptionen hat sie sich von den Holländern inspirieren lassen und möchte in der Schweiz ebenfalls ein effizientes, rechtsstaatlich korrektes und glaubwürdiges Asylsystem einführen. Alle, die ernsthaft an Lösungen interessiert sind, sollten sie bei diesem Unterfangen unterstützen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.02.12