Eine Kreuzfahrt, die ist lustig. Aber nicht unbedingt für die Angestellten, die auf Europas Flüssen unterwegs sind. Die Gewerkschaft Nautilus fordert deshalb eine fairere Lohn- und Kündigungspolitik für die rund 13’000 Beschäftigten.
Am Rheinufer geht es geschäftig zu: Ein mit Koffern bepackter Lastwagen kommt an. Dann trägt eine Schar von Angestellten – die meisten aus Osteuropa und Asien – die Gepäckstücke der Passagiere hinunter zum Steg. Eine zweite Gruppe stösst dazu, wesentlich ausgelassener unterwegs und mit Fotoapparaten und Sonnenbrillen bestückt. Ihr Durchschnittsalter liegt deutlich höher.
Solche Szenen sind in Basel beim Steiger St. Johann, am Klybeckquai und am Dreiländereck immer öfters zu sehen. Die Hotelschiff-Branche hat nämlich in den letzten Jahren einen Boom erlebt: Ob Rhein, Mosel oder Donau – diese Art von Tourismus blüht. Laut Angaben der Binnenschifffahrt-Gewerkschaft Nautilus International wurden im vergangenen Jahr rund 30 neue Flusskreuzfahrtschiffe gebaut, drei Viertel davon sollen unter Schweizer Flagge fahren.
Nautilus fordert höhere Löhne in der boomenden Branche
Die scheinbar heile Welt der gemütlichen Rheinfahrt hat auch ihre Schattenseiten. Die Gewerkschaft hat daher eine europäische Aktionswoche auf die Beine gestellt. Dabei geht es um die Arbeitsbedingungen für die knapp 13’000 Beschäftigten in der Flusskreuzfahrt. «Wir möchten die Realität hinter diesen schönen weissen Schiffen aufzeigen», sagt Nick Bramley, Sekretär bei Nautilus International. Und das wiederum soll Druck erzeugen.
Wie die Gewerkschaft festhält, arbeiteten einige Anbieter zwar seriös, dennoch herrschten in dieser Branche problematische Arbeitsbedingungen. Schon vor einem Jahr sorgten etwa die Lohnpolitik und Strafentlassungen des Hotelschiff-Riesen Viking River Cruises für Proteste. Für die bis zu 4000 Personen, die unter Schweizer Verträgen in der Flussschifffahrt arbeiten, ist noch immer vieles nicht geregelt.
Vom besagten Boom der Hotelschiffe hätten die Angestellten auf den Schiffen bislang kaum profitieren können, sagt Holger Schatz, Nationalsekretär von Nautilus International: «Die Löhne stagnieren seit Jahren auf einem äusserst niedrigen Niveau», sagt er. Zudem herrschten Unstimmigkeiten bei der Anzahl Wochenstunden: Während es für das nautische Personal Verordnungen gebe, seien die Hotel- und Cateringmitarbeiter zu wenig geschützt. Die Schweizer Höchstarbeitszeit von 50 Stunden finde hier etwa keine Anwendung.
Angst vor Kündigungen
Zwar wollten viele Angestellte, die meistens Saisonverträge haben, mehr als das arbeiten. «Diese Überzeiten werden aber oft nicht kompensiert», sagt Holger Schatz. Er spricht von einer «rechtlichen Grauzone», wenn Überstunden geltend gemacht werden: Aus Angst vor einer Kündigung würden viele Arbeitnehmer diese nämlich nicht einklagen.
Es käme so oft zu missbräuchlichen Kündigungen, was dann jeweils vor Gericht schwer zu beweisen sei: «Wer sich beschwert, der fliegt», sagt Schatz. Dies sei bei manchen Hotelschiffen mit Berufung auf das Schweizer Kündigungsrecht die Praxis. Und Gewerkschaften bliebe oft der Zugang zu den Schiffen verwehrt.
Ein junger Slowake, der anonym bleiben will, kann von all dem ein Lied singen. Während sieben Jahren hat er als Barkeeper auf einem Flussschiff gearbeitet. Stets «bis Open End». Zehn bis vierzehn Stunden – oder gar länger hätten seine Arbeitstage gedauert. Ob Verlad, Putzen oder Reinigung – rund um die Uhr seien kleinere Arbeiten fällig gewesen. Und der Lohn sei erst noch jeweils zu seinen Ungunsten den Wechselkursen von Euro und Franken angepasst worden. Die meisten seiner Kollegen hätten aus Angst vor einer Kündigung jeweils die neuen Arbeitsverträge unterschrieben. «Wenn du den Mund hältst, ist alles okay», sagt der ehemalige Barkeeper.
Hoffen auf EU-Arbeitszeitabkommen
Im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen sieht Nautilus International auch Chancen: Auf den Druck mehrerer Gewerkschaften hin hat die EU-Kommission ein europäisches Arbeitszeitabkommen für die Binnenschifffahrt erlassen. Dieses tritt Ende 2016 in Kraft.
Im Nicht-EU-Mitglied Schweiz möchte die Gewerkschaft einen autonomen Nachvollzug dieses Abkommens durchbringen, um so eine im Durchschnitt 48-Stunden-Woche anzustreben. Holger Schatz hofft, dass so die rechtlichen Grauzonen beseitigt und Überstunden entsprechend kompensiert werden können. Knifflig ist dabei aber die oft unübersichtliche arbeitsrechtliche Situation auf den Flüssen: Das nautische, das Hotel- und das Wellness-Personal sind oft von unterschiedlichen Firmen aus verschiedenen Ländern angestellt.
«Eine regelrechte Industrie»
Nicht alle Unternehmen verschliessen sich den Gewerkschaften. Der Reeder Willem de Zeeuw etwa zeigt sich interessiert an den laufenden Gesprächen. Mit fünf Rheinschiffen gehört seine Reederei eher zu den kleineren Playern.
Er stellt schwerwiegende Veränderungen in der Branche fest: «In den letzten zehn Jahren ist die Flussschifffahrt zu einer regelrechten Industrie geworden», sagt de Zeeuw. Bei offenen Fragen wie den Überstunden müssten daher klare Regeln erarbeitet werden: «Wir und die Gewerkschaften brauchen einander, damit wir Rechtssicherheit für alle erreichen können.»