Noch immer verfolgt das burmesische Regime ethnische Minderheiten. Betroffen sind vor allem Kleinbauern, die ihres Landes beraubt und vertrieben werden. Hunderttausende leben in Flüchtlingslagern und in umgesiedelten Dörfern. Mit Hilfe aus der Schweiz kämpfen sie für eine bessere Zukunft. Eine Reportage aus dem Shan-Staat.
Sonnenuntergang im Flüchtlingslager in Man Mau im Shan-Staat im Norden von Burma. Eine junge Mutter singt ihrer Tochter ein Wiegenlied. Zikaden zirpen ihr Abendkonzert. Idyllisch ist es aber nur beim flüchtigen Hinschauen, hier in einem der sechs Lager, die es in Burma für intern vertriebene Menschen gibt, für Vertriebene im eigenen Land. In den Bambushütten leben fast 300 Menschen, Angehörige ethnischer Minderheiten.
Dicht an dicht drängen sich im Camp ein paar Dutzend Behausungen. Bambusgeflecht, Holz, Strohdach. Pro Familie je ein zehn Quadratmeter kleines «Zimmer». Auch Ja Bang lebt zusammen mit ihrem Mann in einem solch dunklen Raum. Ihr Haushalt findet in einem Koffer Platz. Zwei dünne Matratzen, Wolldecken, ein Wecker, ein Taschenrechner. Ein paar wenige Kleider und Kochutensilien hängen an den Wänden, die so dünn sind, dass sie keine Privatsphäre erlauben.
«Es war ein langer, beschwerlicher Weg von unserem Dorf bis hierher ins Lager», erzählt Ja Bang. Wie Hunderttausende andere wurden die beiden, Angehörige der Kachin-Volksgruppe, wegen bewaffneten Konflikten zwischen der regulären burmesischen Armee und Rebellen ethnischer Minderheiten in die Flucht getrieben.
Wer sich wehrt, wird vertrieben
Soldaten der Armee plünderten Dörfer, misshandelten, töteten und vergewaltigten. Um ihnen nicht in die Hände zu fallen, kämpfte sich das Paar vor zwei Jahren zwölf Stunden lang durch unwegsame Wälder. «Mein Mann war krank, er litt an Atemproblemen und fiel immer wieder hin.»
Was ist richtig und politisch korrekt? Auch in Burma selbst gab es Diskussionen darüber, schon bevor das Militärregime 1989 beschloss, das Land offiziell Myanmar zu nennen. Die Weigerung vieler westlicher Länder und ihrer Medien, den neuen Namen zu übernehmen, war deshalb ein Zeichen der Missbilligung gegenüber dem Regime. Jetzt, da die Vertreter von Burmas Reformregierung in den Hauptstädten des Westens empfangen werden, hat sich diese Doktrin gelockert. Die von der Junta jahrelang verfolgte Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi nimmt das M-Wort allerdings noch immer nicht in den Mund.
In Burma leben rund 700’000 Frauen, Männer und Kinder in umgesiedelten Dörfern und in so genannten IDP-Camps. IDP steht für Internally Displaced People, intern vertriebene Menschen. Zusätzlich stehen im angrenzenden Thailand neun Flüchtlingslager mit etwa 120’000 burmesischen Angehörigen von Minderheiten, hauptsächlich Karen. Vertrieben wurden sie, weil ihnen das Land gestohlen wurde, weil ihnen der Zugang zu Bodenschätzen verwehrt bleibt, weil sie sich mit Gewalt gegen staatliche Willkür wehrten.
Der Bauer Naw Dee floh wegen Armeeüberfällen, bei denen Dorfbewohner starben, zusammen mit allen anderen aus seinem Dorf. Er erzählt, wie Behördenvertreter immer wieder in seinem Camp auftauchten und versuchten, die Leute zu motivieren, in ihre alten Dörfer zurückzukehren. Denn diese Camps sind ein Schandfleck für die Regierung. «Die Beamten versprachen Unterstützung beim Wiederaufbau des Dorfes und beim Neuanfang unseres Lebens. Sieben Familien folgten dem Aufruf. Doch am Ende kam keine Hilfe, nichts», sagt ein frustrierter Naw Dee. Heute leben diese Familien erneut in einem Lager für intern vertriebene Menschen.
Die Vertriebenen sind fast ausnahmslos Kleinbauern. Sie litten und leiden am meisten unter der jahrzehntelangen Militärdiktatur. Seit 1948, seit der Unabhängigkeit von England, kämpfen ethnische Minderheiten gegen die Militärs. «Weil die Armee sie seit jeher unterdrückt, trauten sie den Militärs bis heute nie», sagt Kyaw Zwa Moe, Redaktor beim regierungskritischen Monatsmagazin «The Irrawaddy». Auch die 2011 eingeleitete Öffnung des Landes und der eingeleitete Demokratieprozess haben kaum etwas verändert.
Landrechts-Lektion in der Bauernschule
Kyaw Zwa Moe erinnert an den Freiheitskämpfer Aung San, den Vater der jetzigen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. Er war Kommandant der burmesischen Unabhängigkeitsarmee und damals wichtigster politischer Führer. Kurz vor Ende der Kolonialzeit schloss Aung San ein Abkommen mit den ethnischen Minoritäten. In diesem Abkommen wurde ihnen das Recht eingeräumt, einen eigenen Staat zu gründen. Einige dieser Minderheiten forderten ein föderalistisches System, verbunden mit Autonomie für deren Gebiete. Kyaw Zwa Moe: «Das Militär und auch die heutige Regierung respektierten jedoch diese Abmachung nie. Föderalismus wäre jedoch für die Lösung der Konflikte sehr wichtig.»
Das Gemeindehaus des Dorfes Bang Tapye ist aus Holz und Bambus auf hohen Pfählen gebaut, umgeben von sattgrünen Senffeldern. Im grossen Raum sitzen zwei Dutzend Frauen und Männer auf dem Boden und hängen dem Bauern Doi Nan an den Lippen. Zwischendurch ein Griff in den Teller mit getrockneten Kürbiskernen, die hier im Shan-Staat bei keiner Begegnung fehlen. Wir sind mitten in einer Lektion über Landrechte. Doi Nan lehrt, was man tun sollte, um sein Land nicht zu verlieren.
Wie wichtig diese Aufklärungsarbeit ist, illustriert die Geschichte, die uns der Kleinbauer Jang Maw Naw erzählt: Das Welternährungsprogramm der UNO finanzierte im Dorf Pan Jarop die Arbeiten, um ungenutzte Ackerflächen für den Reisanbau vorzubereiten. Mehr als tausend Dorfbewohner hoben den Graben für den Hauptkanal aus, der 40 Hektar Reisfelder bewässert. Dann baute eine Bleiminen-Firma eine Zufahrtstrasse und zerstörte einen Teil des Kanals. Jang Maw Naw: «Jetzt gibt es katastrophale Ernteausfälle. Trotz mehrmaligem Vorsprechen bei der Firma geschah bis heute nichts. Diese Leute speisen uns mit leeren Versprechungen ab und behandeln uns wie den letzten Dreck.»
Für mehr Gewicht gegenüber dem Staat
Der Landrechts-Unterricht im Dorf Bang Tapye ist Teil der dörflichen Bauernschule, aufgebaut von der Metta-Stiftung für Entwicklung. Es ist die grösste Nichtregierungs-Organisation im Lande. Metta-Direktor Sai Sam Kham: «Unser wichtigstes Ziel ist die Unterstützung von Menschen, die von Konflikten und vom Verbot des Opiumanbaus betroffen sind. Und damit verbunden unsere Vision, in Myanmar eine friedliche, menschenwürdige und selbstbewusste Gesellschaft aufzubauen.»
Die Metta-Stiftung und deren Bauernschulen, die von Caritas Schweiz mit rund 600’000 Franken unterstützt werden, hat im Shan-Staat im Gebiet der ethnischen Minderheiten sowie in den Camps für vertriebene Menschen insgesamt 60 dörfliche Bauernschulen installiert. Noch einmal so viele weitere sollen im Süden des Landes entstehen. Baumschulen, Forstwirtschaft, Gemüseanbau, verbesserte Anbaumethoden und der Aufbau von Bauerngemeinschaften sind neben dem Landrecht weitere Inhalte dieser Schulen.
Der Ethnologe Peter Eppler, der in Yangon die Caritas-Projekte leitet, erklärt die Absicht hinter dem Programm: «Mit den Bauernschulen fördern und stärken wir die Eigenständigkeit von Dorfgemeinschaften. Wir helfen ihnen auch, sich zu vernetzen. So bekommen sie Gewicht gegenüber dem Staat und können sich für ihre Rechte wehren.»
Die alte Bäuerin Seng Taung fürchtet sich vor dem Staat: «Wir sind nicht so gebildet und haben zuvor nie mit Behörden zusammengearbeitet.»
Landrechts-Lehrer Doi Nan erzählt von den vielen Problemen, wenn es um die staatliche Registrierung von Land geht. Welche Formulare braucht es? Wo bekommt man sie? Wie ausfüllen? Zu welchem Amt damit? Die Hürden sind viele. Auch weil hier laut Doi Nan viele der älteren Menschen weder lesen noch schreiben können.
Unter den Zuhörerinnen der Landrechts-Lektion ist auch die Bäuerin Seng Taung. Sie kämpft seit Jahrzehnten um Land, das ihr die Armee einst stahl. «Es gibt so viele Schwierigkeiten, wenn wir konfisziertes Land zurückhaben wollen. Oft sind wir verzweifelt und fürchten uns vor den Ämtern, weil wir nicht so gebildet sind und zuvor nie mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet haben.»
Ein Landrecht für Kleinbauern
Eine sechs Jahrzehnte dauernde Diktatur hat den Staat zum Angstgegner gemacht. Dabei sei das Sich-Fürs-Eigene-Land-Wehren so wichtig, betont Tu Ntang, der Baptisten-Pastor der Gegend. Er bitte seine Leute immer wieder, die Augen offen zu halten bei all den vielen internationalen Investitionen. «In den vergangenen Jahrzehnten haben Minenunternehmen sich einfach genommen, was sie wollten, sie stahlen und zerstörten unser Ackerland.» Grosse soziale Probleme seien die Folgen, viele Familien seien verarmt, Scheidungen und Drogenabhängigkeiten nähmen zu. «Wenn wir uns nicht wehren, verlieren wir alles – bis hin zu unserer Identität», warnt der Pastor.
«Landraub ist eines unserer grössten Probleme», sagt der Journalist Kyaw Zwa Mo. Die Opposition arbeite daran, die Landrechte zu revidieren, sie gerechter zu gestalten. Dies sei schwierig. «Die Minister sind korrupt und die Leute, die das Land geraubt haben, wollen es nicht verlieren.» Hoffnung gäben jetzt viele Nichtregierungs-Organisationen wie die Metta-Stiftung, die den Bauern helfen, zu ihrem Recht zu kommen.
Das bereits teilweise revidierte Bodenrecht erleichtert auch die Nutzung für in- und ausländische Investoren. Doch es berücksichtigt die Landnutzungstradition der ethnischen Minderheiten nicht. Etwa den Wanderfeldbau, wie er im Hochland des Shan-Staates betrieben wird. Es brauche ein Landrecht, das die Kleinbauern schütze, sagt Metta-Projekt-Koordinatorin Htu Bu. «Der Staat muss unser traditionelles Landrecht, unser Dama-Ucha-System, respektieren. Das heisst: Wer ein Stück Land zuerst bebaut, hat Anspruch darauf und es muss registriert werden.»
Geschäftemacher aus China
Seit 2000 wurden in Burma allein für grosse private Agrarunternehmen weit über 8000 Quadratkilometer Land konfisziert. Dies entspricht fast einem Fünftel der Fläche der Schweiz. Eine zentrale Rolle dabei spielen in Burma lebende chinesische Geschäftsleute und China, mit dem Burma eine rund 2000 Kilometer lange Grenze teilt. So etwa plant eine chinesische Firma im nördlichen Shan-Staat rund 2400 Quadratkilometer nicht registriertes Brachland in Grossplantagen zu verwandeln. Ein anderes chinesisches Unternehmen plant eine Papierfabrik und will dazu die lokalen Bambuswälder als Rohstoff nutzen. Kleinbauern verlieren ihr Land aber auch wegen Infrastrukturbauten der Regierung. Die Liste ist fast endlos.
Burma ist reich an Bodenschätzen. So etwa ist es seit Jahrhunderten Chinas wichtigste Bezugsquelle für Jade. Berühmt ist Teakholz aus Burma, legendär die Taubenblut-Rubine aus den Minen in der Nähe der Stadt Mogok. Dort kommen auch Spinell, Saphir und einige andere Minerale und Edelsteine vor. Einzigartig ist das Vorkommen an Painit, das als seltenstes Mineral der Welt gilt. Gold wird ebenfalls gewaschen, wobei eine beträchtliche Menge davon von Pilgern in Form von hauchdünnen Blättchen auf Stupas, Buddha-Statuen und den berühmten Goldenen Felsen geklebt wird. Zudem werden grosse Mengen Erdöl und Erdgas gefördert.
«Der Druck der Investoren nach der Öffnung ist enorm. Sie wollen sich jetzt möglichst viele Ressourcen ergattern», sagt Peter Eppler, Caritas-Länderverantwortlicher für Burma. Der Kampf um Ressourcen habe für ethnische Minderheiten gefährliche Folgen. Denn nach jahrzehntelangen politischen und auch gewalttätigen Konflikten seien die Minoritäten noch immer in einer schwachen Position und könnten sich gegen Investoren oft nicht wehren. Die Kleinbauern verlieren ihr Ackerland, das sie vielleicht bereits seit Generationen bewirtschaftet haben.
In der Bauernschule von Man Bang stellen einige Frauen und Männer Kompost her. Wie macht man natürlichen Dünger? Wie werden Samen von Gemüse und Fruchtbäumen vermehrt? All dies wird an den sechzig dörflichen Bauernschulen gelehrt. Das ist bitter nötig, wie Zaw Nam von der Metta-Stiftung erklärt: «Im Hochland des nördlichen Shan-Staates gibt es jährlich während bis zu sechs Monaten zu wenig Nahrungsmittel. Die Felder geben nicht genug her.» Die Leute essen dann hauptsächlich Mais und was sie in den Wäldern finden. Darüber hinaus sind sie gezwungen, anderswo als Tagelöhner zu arbeiten, vermutlich etwa die Hälfte muss sich verschulden, um Essen zu kaufen.
Das Erbe des Jesuitenpaters
Gründe für die Nahrungsmittelknappheit sind Landraub, Wanderfeldbau, also die regelmässige Verlegung der Felder, und eine wachsende Bevölkerung. Die Bauernschulen der Metta-Stiftung, allesamt nach biologischen Grundsätzen geführt, tragen zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung bei. Unter anderem auch mit einer revolutionären Reisanbaumethode, dem so genannten «System of Rice Intensification» (SRI). Zu übersetzen etwa mit «System zur Reis-Ertragssteigerung». Es wurde einst von einem Jesuitenpater und Agronomen auf Madagaskar entwickelt. Eine Anbaumethode, die vollständig auf lokalen Ressourcen aufbaut, die lokale Samen verwendet und ohne jegliche Chemie auskommt und oft erstaunliche Ertragssteigerungen bringt.
Während bei der herkömmlichen Anbauweise Reis in Büscheln in die Erde gepflanzt und die Felder dann geflutet werden, um Reis mit Wasser zu versorgen und Unkraut in den Griff zu bekommen, werden beim SRI die Schösslinge bereits nach acht bis zwölf Tagen und einzeln in die Erde gesetzt. Der Pflanzabstand ist grösser, zudem wird der Boden trockener gehalten, was das Wachstum fördert.
«Kleinbauern sind Myanmars Rückgrat», sagt Metta-Direktor Sai Sam Kham. «Deshalb motivieren wir sie in den dörflichen Bauernschulen, sich zu organisieren, damit sie schlagkräftiger für ihre Rechte kämpfen können.» So gibt es bereits heute einige Bauernforen, in denen sich die Landwirte austauschen können. «Sowohl Myanmars Regierung als auch die internationale Gemeinschaft müssen zur Kenntnis nehmen, wie wichtig die Kleinbauern für dieses Land sind», sagt der Metta-Direktor. Immerhin machen sie siebzig Prozent der Bevölkerung aus. «Wenn wir uns nicht um sie kümmern, wird es sehr schwierig sein, wirtschaftliche und politische Stabilität zu erreichen.»
Dem Gast wird gegeben
Burmas Kleinbauern spielen für die Zukunft des Landes also eine Schlüsselrolle. Die dörflichen Bauernschulen mit ihren Programmen und Foren sind bedeutende Zellen für eine menschenwürdigere Zukunft. Experten sind der Überzeugung, dass es zum Wiederaufbau des politisch und wirtschaftlich heruntergekommenen Landes jetzt von grösster Wichtigkeit ist, primär die Millionen von Kleinbauern zu fördern.
Bei unserem Abschied im Bauerndorf füllt die Mutter des Hauses einen grossen Reissack mit Melonen, Kürbissen, Chili und Granatäpfeln. Ein traditionelles Abschiedsgeschenk. Die Dolmetscherin klärt den verblüfften Fremden auf. Hier sei es nicht üblich, dass der Gast mit einem Mitbringsel auftauche; es sei gerade umgekehrt; der Gast werde beim Abschied beschenkt.
«Firmen, die hier investieren, haben eine ganz besondere soziale Verantwortung. Sie müssen sich ihre Partner vorsichtig auswählen.»
Ob das auch die Hunderte und Tausende von ausländischen Investoren zu würdigen wissen, die sich nun einen Teil des riesigen burmesischen Ressource-Kuchens abschneiden wollen? Christoph Burgener, noch bis zum Sommer 2015 Schweizer Botschafter in Burma, sagt: «Firmen, die hier investieren, haben eine ganz besondere soziale Verantwortung. Sie müssen sich ihre Partner vorsichtig auswählen. Da geht es auch um Arbeitsrecht, um die Gesundheit der Arbeitenden.»
Die Weltgemeinschaft ist gefordert
Redaktor Kyaw Zwa Moe vom «Irrawaddy»-Magazin sagt an die Adresse ausländischer Investoren: «Arbeitsplätze schaffen für die Menschen hier, das ist das Wichtigste, auch in abgelegenen Gebieten mit den ethnischen Minderheiten.» Denn Millionen von Menschen verlassen Burma, um in Nachbarländern ein Auskommen zu finden.
Wenn Sally Thompson, Direktorin des Border Comitees, in Burmas Zukunft blickt, dämpft sie übertriebene Erwartungen. «Nach all den Jahrzehnten der Konflikte ist Frieden nicht über Nacht möglich. Es wird Jahre dauern, im Land Vertrauen und eine funktionierende Gesellschaft aufzubauen. Die Menschen haben ja alles verloren. Sie brauchen nun die Unterstützung einer Weltgemeinschaft, die nicht nur auf wirtschaftliche Vorteile aus ist.»
Die Unterstützung einer Weltgemeinschaft, die mithilft, dass solche Geschichten nie wieder vorkommen, wie sie die Bäuerin Seng Ra in einem Dorf für Umgesiedelte erzählt. Eine Geschichte, die die menschenverachtende Haltung der Militärs und deren schamlose Willkürherrschaft zeigt. Seng Ra: «Wir waren gerade bei der Reisernte, als die Armee auftauchte und uns aus unserem alten Dorf vertrieb. Wir wehrten uns, sagten: Zuerst bringen wir die Ernte zu Ende. Da brannten sie unsere Häuser nieder. Vor unseren Augen.»
Burma, fast zwei Mal so gross wie Deutschland, gehört zu den Nationen mit der grössten Völker-Vielfalt. Je nach Lesart gibt es bis zu 135 ethnische Minderheiten. Mehr als ein Drittel der 52 Millionen Menschen im Land zählen zu ihnen. Die wichtigsten Hauptgruppen: Shan (9%), Kayin (7%), Rakhine (3,5%), Mon (2%), Kayah (1,5%), Kachin (0,75%). Sie bevölkern vor allem abgelegene Randgebiete entlang der Grenzen. International im Fokus stehen die Rohingya. Im buddhistisch geprägten Burma wird diese muslimische Minderheit, die vor allem im Norden des Bundesstaats Rakhine lebt, verfolgt. Weit über 100’000 der 1,3 Millionen Rohingya sind auf der Flucht oder müssen in Lagern leben. Obschon sie teilweise seit Generationen im Land leben, akzeptiert sie die Regierung nicht als Staatsbürger, sondern bezeichnet sie als illegale Einwanderer aus dem benachbarten Bangladesch. Bei Ausschreitungen buddhistischer Extremisten gegen die Muslime wurden in den vergangenen Jahren Hunderte getötet.