Die 17 Ministerinnen der 34-köpfigen Hollande-Regierung rufen in Frankreich Machos auf den Plan: Die Ministerinnen seien «Sexbomben», «Verführerinnen» und «Hitchcock-Blondinen». Diese sexistischen Angriffe werden ausgerechnet von einer Politikerin gedeckt – Marine Le Pen.
Die neue französische Regierung sorgt für Gesprächstoff. Und dies nicht nur, weil Präsident François Hollande sein Wahlversprechen genau einhielt und die Hälfte der Regierungsposten mit Frauen besetzte. Bei vielen der Ministerinnen handelt es sich um selbstbewusste Politikerinnen und Intellektuelle, die feministisch engagiert sind. So etwa die Grüne Cécile Duflot (Wohnbau), die Sozialistin Marisol Touraine (Soziales) oder Aurélie Filippetti. Die neue Kulturministerin hatte sich vor einem Jahr als erste Sozialistin von Dominique Strauss-Kahn abgekehrt, der sich in diverse Sex- und Vergewaltigungsaffären verwickelte.
Neue Frauenministerin und Regierungssprecherin ist zudem Najat Vallaud-Belkacem, eine in Marokko geborene Politikerin, die bereits die Hauptforderung von Feministinnen aufgenommen hat: Sie lässt ein vom Verfassungshof unlängst annulliertes Gesetz gegen sexuelle Belästigung neu ausarbeiten. Die aus Algerien stammende Filmemacherin Yamina Benguigi (Frankophonie) und die schwarze Justizministerin Christiane Taubira setzen sich vorab für die Rechte von Immigrantinnen ein.
Ministerinnen als PR-Effekt
Zwei Wochen nach der Regierungsernennung wird die Geschlechterparität vor allem von Feministinnen als Meilenstein in der männerdominierten französischen Politik gefeiert. Bisher hatten Ministerinnen meist nur eine Alibi-Funktion ausgeübt: Die 1991 von François Mitterrand ernannte Premierministerin Edith Cresson oder Nicolas Sarkozys Starministerin Rachida Dati waren jeweils nach wenigen Monaten wieder entlassen worden; Premierminister Alain Juppé hatte 1995 gleich zwölf Frauen berufen, aber vor Ablauf eines Jahres wieder abrupt gefeuert, als der PR–Effekt verpufft war.
Den «Hollandettes», wie die 17 Ministerinnen bereits genannt werden, dürfte ein solches Los nicht widerfahren. Dafür sind sie sowohl zahlenmässig als auch in ihrem frauenpolitischen Bewusstsein zu stark.
Erregung über Sexbomben
Genau das ruft aber auch virulente Kritiker mit virilem Anspruch auf den Plan. Der bekannte Autor Patrick Besson lässt etwa seiner Erregung über die «canons» (zu Deutsch etwa: Sexbomben) unter den neuen Ministerinnen freien Lauf: Vallaud-Belkacem sei eine «Libertäre», Filippetti eine «Verführerin», Benguigi eine «Sheherazade», Delphine Batho eine «Hitchcock-Blonde» und die aus Südkorea stammende, in Frankreich adoptierte Fleur Pellerin eine «Geisha». 17 Frauen und 17 Männer in einer Regierung, das sei ein wenig wie «gerader Gruppensex», phantasiert Besson.
Der reaktionäre Editorialist Eric Zemmour knöpft sich die Justizministerin vor, die als erste Amtshandlung einem Basketballspiel zwischen Häftlingen und Gefängniswärtern beigewohnt hatte – bei dem sich ein Gefangener in die Büsche schlug. In Taubiras Weltbild seien «Frauen und Banlieue-Jugendliche die Opfer, die weissen Männer die Henker», meint der Kommentator, der offenbar schon ahnte, dass er wegen seiner Attacken seine Kolumne auf der Radiostation RTL verlieren könnte. Zwei Wochen vor den französischen Parlamentswahlen stellte sich am Pfingstmontag nur die Rechtsextremistin Marine Le Pen hinter Zemmour.
Aber auch die bürgerliche «Union für eine Volksbewegung» konzentriert ihre Angriffe bezeichnenderweise auf Ministerinnen wie Taubira: Die ehemalige Sarkozy-Partei wirft der Justizministerin vor, sie wollen die von der Rechten eingeführten und vor allem in Vorstädten aktiven Gerichte für minderjährige Straftäter auflösen. Damit setzt sie allerdings nur ein Wahlversprechen Hollandes in die Tat um. Dass nicht der Staatschef, sondern die dunkelhäutige Ministerin zur Zielscheibe wird, zeugt laut mehreren Anti-Rassismus-Verbänden davon, dass sich der «Machismus» in der französischen Politik halte – trotz der spektakulären Regierungsbildung.
Darf die Frau eines Regierungsvertreters weiterhin als politische Journalistin arbeiten?
Diese Frage betrifft in Paris, wo Politik und Medien sehr nahe beieinander liegen, derzeit gleich mehrere Frauen. Und sie wird nicht überall gleich beantwortet. Die bekannte Fernseh- und Radiojournalistin Audrey Pulvar musste ihre Sendungen einstellen, nachdem ihr Lebenspartner Arnaud Montebourg Minister für Reindustrialisierung geworden ist. Die Ehefrau von Arbeitsminister Michel Sapin, Valérie de Senneville, kann hingegen ihren Job bei der Wirtschaftszeitung Les Echos – wo sie für Justizfragen zuständig ist – vorläufig behalten. Eine Mittellösung wählte das Nachrichtenmagazin Le nouvel Observateur für seine Redakteurin Nathalie Bensahel, die mit Bildungsminister Vincent Peillon verheiratet ist: Sie darf nicht mehr über Erziehung und Politik schreiben und muss in das Ressort „Lebensstil“ übersiedeln. Ungelöst bleibt die Frage der prominentesten Journalistin mit Machtnähe, der Hollande-Partnerin Valérie Trierweiler. Die Redakteurin der Hochglanzillustrierten Paris-Match musste schon im Wahlkampf ihrer besseren Hälfte in den Ausstand treten. Da sich die neue First Lady aber weiterhin journalistisch betätigen will, muss sie eventuell den Arbeitgeber wechseln.