Sieben Antworten vor dem 2. WM-Spieltag

Wer trägt das Geburtsdatum seines verstorbenen Bruders auf dem Schuh? Warum ist mein Nachbar schneller? Geht Louis van Gaal fremd? Und warum findet Samuel Eto’o Basel eine «nette Stadt»? Fragen über Fragen – wir haben die Antworten!

Super Aussichten für den spanischen Adler. Für die Zuschauer hinter ihm, könnte es allerdings etwas schwieriger werden, was von Mexiko-Kamerun zu sehen. (Bild: EPA/Vassil Donev)

Wer trägt das Geburtsdatum seines verstorbenen Bruders auf dem Schuh? Warum ist mein Nachbar schneller? Geht Louis van Gaal fremd? Und warum findet Samuel Eto’o Basel eine «nette Stadt»? Fragen über Fragen – wir haben die Antworten!

Wer gedenkt heute seines verstorbenen Bruders, indem er dessen Geburtsdatum auf den Schuhen trägt?

Marcelo Diaz. Der Chilene sagte einmal in einem Interview mit der BaZ, am Tag, an dem sein Bruder Gonzalo sich umgebracht habe, habe seine Kindheit geendet. Diaz war damals 16 Jahre alt und musste danach das Oberhaupt seiner Familie geben. Gonzalo wäre exakt am Tag des ersten WM-Spiels der Chilenen 34 Jahre alt geworden. Deswegen wird Marcelo Diaz zu seinen Ehren mit ganz speziellen Schuhen gegen Australien antreten.

 

Wer Marcelo Diaz immer bloss beim FC Basel spielen gesehen hat, weiss ja eigentlich noch immer nicht genau, was alles in diesen 1 Meter 66 steckt. Bei der «Roja» in Chile dagegen weiss Nationaltrainer Jorge Sampaoli genau, was er an seinem Mittelfeldspieler hat. Und er nutzt Diaz’ Spielintelligenz, indem er ihn zu seinem verlängerten Arm auf dem Rasen ernannt hat. Gegen Australien haben nun auch die Basler endlich Gelegenheit, diesen anderen Diaz via TV-Übertragung kennen zu lernen. Da lohnt es sich auch, etwas länger wach zu bleiben. Die Partie wird erst um Mitternacht Schweizer Zeit angepfiffen.

A propos TV-Übertragung: Warum jubelt der Nachbar eigentlich immer schon ein paar Sekunden bevor bei mir auf dem Bildschirm überhaupt erst eine Torchance ersichtlich wird?

Weil er nicht über einen lahmen Internet-TV-Anbieter guckt wie Sie. Der Kassensturz hat die Arbeit auf sich genommen und die Verzögerungen der TV-Bilder bei Fussball-Übertragungen gemessen. Die Unterschiede zum aussterbenden Empfang mit terrestrischer Antenne (was ein schöner Ausdruck) können bei Internet-TV bis zu 50 Sekunden ausmachen.

Wen liebt Louis van Gaal?

Sich selbst, vermuten wir mal, sonst hätte er kaum ein derart starkes Selbstvertrauen. Seine Frau, hoffen wir. Und seine Töchter, obwohl ihn die noch immer siezen müssen. Und er liebt Bruno Martins Indi. «Bruno Martins wer?», hören wir Sie fragen. Bruno Martins Indi. Das ist ein 22-jähriger Verteidiger, der einst von Portugal aus nach Holland eingewandert ist und nun in einem Nationalteam zum Stamm gehört, in dem einige Spieler ausserhalb der Heimat kaum jemandem ein Begriff sind. Oder kennen Sie Jasper Cillessen, Stefan de Vrij, Daley Blind oder Daryl Janmaat? Ja? Okay, Sie sind Holländer.

Das muss Liebe sein: Louis van Gaal (l.) und Bruno Martins Indi.

Das muss Liebe sein: Louis van Gaal (l.) und Bruno Martins Indi. (Bild: EPA/Koen van Weel)

Martins Indi jedenfalls hat eine nicht gerade leichte Jugend hinter sich, in der er sich ohne Eltern in jenem Teil Rotterdams durchzuschlagen hatte, der die höchste Kriminalitätsrate der Stadt aufweist. Doch der heute 22-Jährige hat sich dank des Fussballs raus gearbeitet, wurde mit 19 bereits Vater – und soll dem sonst so eisenhart wirkenden Louis van Gaal tatsächlich folgenden Satz entlockt haben: «Ich liebe Sie jetzt schon, Bruno.» Der Grund? Bruno Martins Indi hatte van Gaal gesagt, er wolle «unbedingt besser werden. Ich habe sehr viele Fragen an Sie.»

Wer ist überzeugt davon, dass ihn die Leute aus seinem Fussballverband umbringen möchten und findet Basel eine «nette Stadt»?

Samuel Eto’o. Der Superstar Kameruns nächtigt während der Spiele seines Nationalteams gerne mal in einem anderen Hotel als seine Mannschaftskameraden und hat dafür einen triftigen Grund: «Die Verbandsführung will mich töten! Ich tue das nicht, weil ich verrückt bin, sondern weil ich mich schützen muss!»

Nun gut. In Brasilien wird Eto’o mit 33 Jahren seine wohl letzte Weltmeisterschaft spielen. Wobei – bei Eto’o ist eigentlich alles möglich. War nicht sein Landsmann Roger Milla mit 42 Jahren auch noch an einer Endrunde und wurde dabei sogar zum ältesten Torschützen der WM-Geschichte? Mit Milla versteht sich Eto’o übrigens nicht mehr so gut, seit der es gewagt hat, ihn zu kritisieren. Das ist keine gute Idee. Wenn Eto’o kritisiert wird, dann bockt er. Und wenn er bockt, dann kann das ganz schnell das ganze Nationalteam lahmlegen.

Eto’o hat auch unter dem momentanen Nationaltrainer Volker Finke schon gebockt. 2013 ist er sogar über Nacht aus dem Nationalteam zurückgetreten. Finke reagierte einigermassen überrascht: «Er ist der Einzige, der erklären kann, warum er sich so entschieden hat.» Einen Monat später war Eto’o dann wieder zurück im Nationalteam. Was gar nicht mal so gut sein muss für die Mannschaft. Denn auch in der polarisiert er. Mal klagt er, ihm werde der Ball extra nicht zugespielt, mal gerät er heftig mit Alex Song zusammen, einem anderen Alphatier.

Volker Finke (r.) und sein enfant terrible Samuel Eto’o.

Volker Finke (r.) und sein enfant terrible Samuel Eto’o. (Bild: Keystone)

Eto’o war auch schon mehrfach in Basel. Einmal, um seine Uhrenmarke zu präsentieren, die Uhren im Wert für 42’000 Franken an den Mann zu bringen versuchte (Frauenmodelle gab es wohl keine). Und zuvor hatte er Basel kennen gelernt, als er seinen Landsmann Thimothée Atouba besuchte. «Wir sind was essen gegangen, Kaffee trinken. Nette Stadt», gab er 2009 in einem recht exklusiven Interview Preis.

Dass Kamerun etwas später als geplant nach Brasilien gereist ist, weil noch um die WM-Prämien gestritten wurde, sollte nicht überbewertet werden. Das ist eine schöne Tradition.

Welchen Spieler dürfte das brasilianische Publikum heute unfreundlich begrüssen?

Diego Costa. Der Stürmer von Atlético Madrid hat sich gegen sein Geburtsland Brasilien entschieden und stürmt heute für Spanien. Kurz nach seiner Ankunft hatte er noch gehofft, er werde ungeschoren davon kommen. Doch seit Brasiliens Nationaltrainer Luis Felipe Scolari Stimmung gegen ihn macht, wird Costa von Brasilianern gerne mal mit dem Wort «traidor» beworfen – Verräter. Zum Beispiel bei einem öffentlichen Training der Spanier.

Traidor? Oder einfach zu wenig verstanden von Brasiliens Nationaltrainer? Der Neo-Spanier Diego Costa.

Spain’s Diego Costa attends a press conference at the Atletico Paranaense training center in Curitiba, Brazil, Tuesday, June 10, 2014. Spain will play in group B of the Brazil 2014 soccer World Cup. (AP Photo/Manu Fernandez) (Bild: AP Photo/Manu Fernandez)

Warum sich Costa für Spanien und gegen Brasilien entschieden hat, erklärt er recht schnell: «Scolari hat sich nicht um mich gekümmert, Del Bosque schon.» Tore hat Costa für seine neue Heimat bislang allerdings noch keine geschossen. Er hat allerdings auch erst drei Spiele für Spanien bestritten.

Welche Informationen aus der Fifa-Pressemappe werde ich heute garantiert vom TV-Kommentator meines Vertrauens vorgelesen erhalten?

Mexiko hat noch nie an einer WM ein afrikanisches Team geschlagen, Kamerun hat seine letzten vier WM-Spiele allesamt verloren. Hollands Trainer van Gaal und sein spanischer Antipode Del Bosque sind sich schon mal in der Primera Division gegenübergestanden: Del Bosques Real Madrid gewann 2000 3:0 gegen van Gaals FC Barcelona, 2002 gab es ein 0:0. Spanien und Holland standen sich im WM-Final 2010 gegenüber, Spanien gewann 1:0 nach Verlängerung (Iniesta). Noumandiez Doue wird bei Chile–Australien zum ersten Schiedsrichter von der Elfenbeinküste, der ein WM-Spiel pfeifen darf.

Und wie gehen die Spiele heute Abend aus?

Das ist sehr einfach: Gemäss unserem Razinger-Index gewinnen Mexiko (gegen Kamerun), Spanien (gegen Holland) und Chile (gegen Australien) ihre Spiele jeweils mit einem Tor Unterschied.

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