Sind die Wohnungen knapp, darf die Miete jetzt angefochten werden

Das Bundesgericht stärkt den Mieterschutz. Künftig dürfen Mietzinse angefochten werden, wenn Wohnungsnot herrscht. So, wie es in Basel der Fall ist.

Der jüngste Entscheid des Bundesgerichtes soll sicherstellen, dass Vermieter ihre Machtposition bei einer Wohnungsnot nicht ausnützen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Bundesgericht stärkt den Mieterschutz. Künftig dürfen Mietzinse angefochten werden, wenn Wohnungsnot herrscht. So, wie es in Basel der Fall ist.

In Basel herrscht Wohnungsnot, ganz offiziell. Laut Bundesamt für Wohnungswesen ist das der Fall, wenn auf einem Wohnungsmarkt ein Leerstand von unter einem Prozent erreicht wurde. In Basel liegt er bei 0,3 Prozent. Das ist in erster Linie eine schlechte Nachricht für alle Wohnungssuchenden.

In dieser angespannten Lage stärkt zumindest ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes (BG) den Mieterschutz. Neu dürfen Mieter den sogenannten Anfangsmietzins anfechten, wenn Wohnungsnot herrscht. Wer also eine Wohnung neu bezieht, muss nicht jeden beliebigen Mietzins akzeptieren.

Das Argument: Ist der Wohnungsmarkt derart angespannt, sind Mieter in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt und können deshalb eine allenfalls überteuerte Wohnung weniger leicht ablehnen. Das Gericht erkennt darin eine Notlage, gleichwertig derjenigen, wenn jemand aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen in seiner Wahlfreiheit eingeschränkt ist.

Zahnlos ohne Formularpflicht

Patrizia Bernasconi, Geschäftsleiterin beim Basler Mieterverband, begrüsst den Gerichtsentscheid. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass dieses juristische Instrument erst wirklich mächtig werde, wenn auch in Basel die sogenannte Formularpflicht eingeführt würde. «Diese zwingt den Vermieter, gegenüber seinen neuen Mietern den vorherigen Mietzins offenzulegen», sagt Bernasconi.

Andreas Zappalà, FDP-Grossrat und Geschäftsleiter beim Hauseigentümerverband, stösst sich am jüngsten BG-Verdikt. «Diese Regelung ist ein Fremdkörper im Zivilrecht, da sie die Vertragssicherheit aufweicht.» Die Beweislast sei damit einseitig zugunsten der Mieter verschoben worden.

«Früher musste ein Mieter beweisen, dass er sich in einer Notlage befindet. Heute kann diese in städtischen Lagen praktisch vorausgesetzt werden», ärgert sich Zappalà. Doch in einem Punkt geht er mit Bernasconi einig: Durch den Entscheid wird die Zahl der Anfechtungen kaum zunehmen. Dazu fehlt die Formularpflicht. «Die Erfahrung in Zürich zeigt: Sobald die Formularpflicht gilt, steigen die Fallzahlen an», sagt Zappalà.

2015 wurde der Anfangsmietzins in Basel in nur gerade drei Fällen angefochten.

In Basel wird der Anfangsmietzins tatsächlich äusserst selten angefochten, wie Ernst Jost, Leiter staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten, sagt: «2015 waren es insgesamt drei Fälle, in diesem Jahr sind es bis jetzt ebenso viele.» Das liege auch daran, dass es sich um ein sehr komplexes Verfahren mit höchst ungewissem Ausgang handle. «Wer den Anfangsmietzins anfechtet, muss nachweisen können, dass der Vermieter damit einen missbräuchlichen Ertrag erwirtschaftet. Das ist anspruchsvoll.» Nur wenige Mieter würden das Risiko eingehen wollen, es sich von Beginn weg mit dem Vermieter zu verscherzen. «Daran wird auch dieser neue BG-Entscheid nichts ändern», ist Jost überzeugt.

Zum wirklich wirksamen Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen fehlt also noch ein Baustein: die Formularpflicht. Doch das könnte sich bald ändern. Am Mittwoch berät der Nationalrat über die schweizweite Einführung der Formularpflicht.

Nächster Artikel