Für einen kurzen Moment hatten sich alle wieder lieb. Bei der Unterzeichnung des Staatsvertrags zum Flugverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz sprühten Peter Ramsauer und Doris Leuthard vor Glück und Harmonie und Partnerschaft.
Eben noch war er bei Günther Jauch und jetzt steht er leibhaftig vor einem, Tim Guldimann, die letzte Hoffnung der Schweiz im Steuerstreit mit Deutschland, «Unser Mann in Deutschland», einer der Besten und Wägsten im Heer der Schweizer Diplomaten. Und es ist schon eindrücklich, wie dieser Guldimann im Gewusel der Diplomatenmänner mit ihren Diplomatenfrisuren und Diplomatenanzügen im Bernerhof heraussticht. Nicht durch Lautstärke und übertriebene Gestik (das konnte Botschafter Borer besser), eher durch seine feine, beinahe rhythmische Art, während Gesprächen seinen Oberkörper von hinten nach vorne zu wiegen. Kaum zu sehen, und doch genug anders, um den Raum zu beherrschen.
Alles lacht
Wenigstens so lange, bis die Türe im hinteren Teil des Bernerhofs geöffnet wird und das lächelnde Gesicht von Guldimann aus der Wahrnehmung verschwindet und durch die lächelnden Gesichter von Bundesrätin Doris Leuthard und Verkehrsminister Peter Ramsauer ersetzt wird. Die beiden Minister stehen zuerst etwas unsicher vor ihren Flaggen, setzen sich endlich und beginnen mit ihren Ansprachen.
Wenn man ihnen so zuhört, man kann nicht mehr verstehen, warum es je zu Problemen in der Beziehung zwischen den beiden Ländern kommen konnte. Warum plötzlich überall Steuer-CDs auftauchen (es sind CDs und keine USB-Sticks, warum auch immer), der Steuerstreit bei Günther Jauch diskutiert wird und zu einem der wichtigsten Themen in der deutschen Innenpolitik avancierte.
Integrative Partizipation
Denn beim Flughafen, da ging es – zwar erst nach 22 Jahren Streit und Klagen und Bürgeraktionen und Flugblättern, aber es ging. Ein Geben und Nehmen sei dieser Vertrag, sagte Ramsauer, die bestmögliche Variante, in grosser Einvernehmlichkeit und Partnerschaft beschlossen. «Anders sind solche nachbarschaftliche Situationen nicht zu lösen.» Doris Leuthard, über deren Auftritt an einer Arthur-Cohn-Gala der Kollege Bahnert von der BaZ kürzlich schrieb, sie sei in einem Kleid erschienen, das so elegant wie ihr Geist gewesen sein soll (online leider nicht verfügbar), sagte den etwas komplizierten Satz: «Integrative Partizipation ist besser als Konflikt» – und sonst das gleiche wie der Kollege Ramsauer.
Alle glücklich, alle zufrieden, alles bestens. Gerne hätte man noch gefragt, ob die neue Harmonie zwischen den Ländern auch auf andere Themengebiete ausstrahlen könnte, sollte, müsste (zum Beispiel Steuern), aber der Kollege vom Tessiner Fernsehen wollte wissen, warum auf der Dekorationstapete hinter Ramsauer und Leuthard kein Flugzeug zu sehen sei. Da mussten sie lachen. Der Minister und die Ministerin vorne am Pult und auch der Botschafter Guldimann, der sich zuhause in Berlin bald wieder ganz andere Fragen anhören muss.
Der Staatsvertrag
Der neue Staatsvertrag sieht vor, dass Anflüge auf den Flughafen Zürich drei Stunden früher (neu ab 18 Uhr) über Schweizer Gebiet stattfinden als heute. Deutschland verzichtet im Gegenzug auf eine zahlenmässige Begrenzung der Anflüge über deutsches Gebiet. An Werktagen dürfen Flugzeuge bereits eine halbe Stunde früher (neu ab 6.30 Uhr) über Süddeutschland anfliegen. Nach der Unterzeichnung durch die Minister muss der Vertrag nun noch von den Parlamenten ratifiziert werden, im zweiten Halbjahr 2013 soll das geschehen sein.
Quellen
Medienmitteilung der Bundeskanzlei